The influence of anti-gender movements is on the rise globally as they seek to prevent the expansion of transgender rights. In Germany, the anti-gender debate has gained renewed intensity in the wake of the publication of the draft Self-Determination Act in June 2022. Within this discourse, two prominent groups of actors emerged: gender-critical feminists and right-wing populists. Despite their divergent ideological and political positions, the affordances of social media provide them with a platform for collaborative interactions. Thus, under issue-related hashtags, the boundaries between these actors are becoming increasingly blurred. This research utilizes affect theory and analysis of hashtag activism to investigate the collective protest on Twitter against the proposed Self-Determination Act. Employing social network analysis (SNA), the study identifies pivotal structures and actors within the #FrauenSagenNein (#WomenSayNo) network. Additionally, qualitative content analysis delves into the narratives and sentiments employed in constructing hostile portrayals of transgender individuals. The findings illustrate that #FrauenSagenNein served as a bridging tool that connects gender-critical feminists and right-wing populist actors, leading to their intersection. Based on these findings, it is vital to critically monitor such alliances to counter the spread of binary gender norms and heteronormative beliefs.
View lessDie in den letzten Jahrzehnten wachsende Popularität an westlich-säkularen Achtsamkeitsprogrammen wird von Sozial- und KulturwissenschaftlerInnen häufig kritisiert. In dieser Argumentationslinie gilt Achtsamkeit als Inbegriff einer neoliberalen und kapitalistischen Selbsttechnik. Diese – durchaus be-rechtigte – funktionalistische Kritik lässt jedoch außer Acht, dass Achtsamkeit zunehmend genutzt wird, um einem solchen, auf Wachstumslogik basierenden Optimierungsdruck zu entkommen. Anhand unse-rer umfangreichen empirischen Feldforschung zeigen wir daher, wie Achtsamkeit als eine Antwort auf gegenwärtige Krisen und gesellschaftlichen Wandel verhandelt wird und inwiefern dieses Phänomen als symptomatische, kulturelle Gegenwartserscheinung verstanden werden kann. Aus unseren ethnogra-fischen Daten aus teilnehmender Beobachtung in Achtsamkeitskursen und Interviews mit Achtsamkeits-lehrerInnen sowie der Analyse von einschlägiger Literatur können wir empirisch fundiert vier Parado-xien der Achtsamkeit rekonstruieren. Anhand dessen zeigen wir, inwiefern sich die breite Anschlussfä-higkeit und Popularität des Programms darin begründet, dass sie in ihrer Anwendung genauso paradox ist wie die gesellschaftlichen Problemlagen, auf die sie eine Antwort zu sein verspricht.
View lessIn diesem philosophischen Working Paper versuchen wir eine Klärung der normativen Maßstäbe affektiver Wirklichkeitsbestimmung auf gesellschaftlicher Ebene. Wir verbinden dazu Überlegungen der Phi-losophie der Emotionen mit sozialphilosophischen Ansätzen und beziehen beides auf den kollektiven Umgang mit der Klima- und Umweltkrise. Der Text beginnt mit einer Charakterisierung menschlicher Affektivität, die sowohl das individuelle Fühlen als auch gesellschaftliche Affektdynamiken umfasst. Auf dieser Grundlage unterscheiden wir anschließend drei Dimensionen emotiver Normativität: epistemische Normativität, praktische Normativität sowie die Normativität ethisch-existenzieller Horizonte. Der Text schließt mit einer Skizze des „Entwurfscharakters“ gesellschaftlicher Affektlagen: dem Potenzial von Emotionen, Wirklichkeit nicht nur zu erfassen, sondern sie auch aktiv und kreativ zu gestalten. Dabei nehmen wir Bezug auf Eva von Redeckers Konzept der Bleibefreiheit.
View lessWas bedeutet der mit der wachsenden Forderung nach „open science“ verbundene Druck, Forschungsdaten öffentlich zugänglich zu machen für die ethnographische Forschung? Welche Herausforderungen, Probleme und Chancen sind mit der Aufbereitung und Archivierung von ethnologischen Forschungsdaten in Repositorien, insbesondere für eventuelle spätere Nachnutzungen verbunden? Welche Grenzverschiebungen im Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit gehen mit der Verfügbarmachung von ethnographischen Daten einher und welche Materialien sind überhaupt dafür geeignet? Wieviel Aufwand bedeutet die Aufbereitung von Forschungsmaterialien und welche Öffentlichkeiten sollen überhaupt adressiert werden? Diese und weitere Aspekte wurden im Dezember 2021 von insgesamt neun an unterschiedlichen Universitäten und Forschungseinrichtungen tätigen Sozial- und Kulturanthropolog*innen in einer Online Gesprächsrunde diskutiert. Bei dem hier vorliegenden Text handelt es sich um die sprachlich leicht redigierte, aber ansonsten unveränderte und von den Gesprächspartner*innen freigegebene Fassung dieses Gedankenaustauschs, mit dem die Gruppe zum Nachdenken über diese zentrale Thema anregen möchte.
View lessRecent research has investigated the emotional underpinnings of support for populist New Right parties and movements. Some of these works focus on the supply-side of New Right support, emphasizing specific political styles and discourses, whereas others emphasize the demand-side, highlighting cultural, economic, and emotional factors. Lacking from this research, in particular for the European context, is an understanding of how supporters of the New Right experience and make sense of pertinent cleavages with regards to emotions. The present study sets out to acquire a more detailed understanding of the emotional narratives and experiences of supporters of New Right parties and movements, in particular with regard to fear and religious cleavages. Using group interviews with supporters of New Right parties and movements in Germany, we show that narratives involving fear pertain to the idea of a valued collective “We” that consists of political and cultural elements and serves as a reference point to collective identity and an antidote to existential insecurities. Further, this collective “We” is perceived to be threatened by cultural differences and changing majority-minority relations with respect to five domains of social life: demography, the liberal democratic order, public majority culture, security, and welfare.
View lessDie Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion (XR) bringt neben ihrem radikalen Protest durch zivilen Ungehorsam auch Narrative und Praktiken der Achtsamkeit zum Einsatz. Bewegungsinterne Leitlinien umfassen zahlreiche standardisierte und achtsamkeitsbasierte Gefühlsvorgaben und Selbsttechniken, die zum Zweck eines nachhaltigen Zusammenlebens vor allem das Wohlbefinden der Einzelnen forcieren. Diese subjektzentrierte Perspektive rückt vor dem Hintergrund von XRs politischem, an Gemeinwohl orientiertem Ansatz das gegenwärtig höchst populäre Gefühlsprogramm in ein neues Licht. Angesichts der soziologischen Kritik an der Achtsamkeit, die vorrangig deren Tendenz zur Entpolitisierung, Privatisierung und verstärkten Eigenverantwortung anprangert, wirft XRs neuartige, politisierte Rezeption zahlreiche Fragen auf. Der Beitrag zeigt daher anhand einer qualitativen Analyse von öffentlichen Dokumenten und Regelwerken, inwiefern die für ihre individualistische Disposition kritisierte Achtsamkeit in einem politischen Kontext eingesetzt wird und welche ambivalenten Folgen daraus sowohl für die Klimabewegung als auch das Konzept der Achtsamkeit selbst hervorgehen. Darauf aufbauend wird dargelegt, wie institutionalisierte Gefühlsprogramme in einer dezentral organisierten Bewegung ordnungsbildend und als Kontrollinstanz wirken können.
View lessNicht nur gesellschaftliche Transformation, sondern auch das Ausbleiben von Veränderung weist eine affektive Dimension auf. Das Konzept der affektiven Stasis sucht diesem Umstand Rechnung zu tragen. Es zielt darauf ab, die häufig einseitig akzentuierte Transformativität und Dynamik von Affekt auf ein Maß zu reduzieren, das es erlaubt, auch die im Sozialen wirksamen Beharrungskräfte und realgeschichtlichen Trägheitsmomente als genuin affektive Phänomene zu konzeptualisieren. Der Begriff der Stasis verweist indes nicht nur auf Bewegungslosigkeit und Stillstand, sondern ihm ist zugleich eine kritische Schwelle eingeschrieben, jenseits derer die affektiven Stauungen aufbrechen und sich der Stillstand mit einem Mal in ein Ereignis disruptiver Art verkehrt. So bezeichnete die Stasis im Altgriechischen nicht nur den Stillstand, sondern auch den Aufstand und Krieg innerhalb der Polis. Das Konzept spannt sich also zwischen zwei Polen auf, die ein Spektrum verschiedenartiger affektiver Phänomene abdecken: Während sich dem einen Pol Phänomene affektiver Lähmung und Erschlaffung zuordnen lassen, geht der andere Pol mit Atmosphären und Stimmungen einher, die durch eine latente Anspannung und ex-plosive Eskalationsbereitschaft gekennzeichnet sind. Die aktualisierende Aneignung des antiken Stasis-begriffs entspringt dabei dem Bemühen, Geschichtlichkeit und Affektivität bereits auf der Ebene der Theoriebildung stärker miteinander zu verschränken. Wie wir fühlen und empfinden, wird formiert – und deformiert – von dem, was früher war.
View lessThis paper explores the underlying aspects surrounding emotional labor in everyday life inside news-rooms and how these aspects contribute to discursively (de)stabilize journalism as an institution. In order to do this, we apply the literature on affect and emotion in journalism as well as on discursive institutionalism to the analysis of a particular moment of crisis: the fraud scandal around Claas Relo-tius, an award-winning German reporter for the news magazine Der Spiegel. The discovery of his massive fake feature stories caused a fierce and controversial discussion on the media about struc-tural problems in journalism as well as the use of emotion in feature stories and exclusion mecha-nisms inside the newsroom. In our textual analysis of 138 articles on this case published in German and selected international media between December 2018 and December 2019, we uncovered four main areas in which the role of emotions is discursively negotiated (1) Form: feature stories and their use of emotions, (2) Actor: emotional attributions to Relotius, (3) Practice: emotions as part of edito-rial practices, understood here as emotional labor in the newsroom, and (4) Institution: the descrip-tion of the event and its affective implications for journalism as a whole.
View lessDer Beitrag liefert einen Überblick über das Verhältnis von sozialen Medien und Emotionen sowie Affekten. Nach einer Einführung in die sozialwissenschaftliche Emotionsforschung und affect studies, die Emotionen als wesentliche Bausteine sozialer Ordnung sichtbar machen, werden die wechselseitig konstituierenden Bedingungen von Emotionen und sozialen Medien herausgearbeitet. Emotionen werden medial erzeugt, geteilt, archiviert und reguliert. Soziale Medien lassen sich damit als Affektgeneratoren fassen. Die Architektur sozialer Netzwerkplattformen zielt maßgeblich auf die Affizierung ihrer Nutzer*innen ab. Durch vielfach geteilten Hass oder Empörung, Erregung oder empathische Solidarität wird die Verweildauer auf der Plattform und die Intensität der Nutzung gesteigert. Solche Interaktionen lassen sich als affektive Medienpraktiken fassen. Sie können bspw. in Form von Memes als kritische, ironische oder subversive Aneignung von Medienangeboten auftreten, die jedoch den ökonomisch grundierten Affordanzen der Plattform nicht entkommen können. Auf diese Weise werden sie zu wesentlichen Bestandteilen einer affektiven Ökonomie.
View lessIn dem Beitrag diskutieren wir die Ergebnisse einer explorativen PhotoVoice-Studie zum emotionalen Erleben von Heranwachsenden. Mit der Aufforderung „Mache Fotos von Menschen, Orten oder Dingen, die eine wichtige Rolle in Deinem Leben spielen und die in Dir negative, positive oder auch gemischte Gefühle hervorrufen,“ wandten wir uns an die Schüler*innen eines Berliner Gymnasiums aller Jahrgangsstufen mit dem Ziel Einblick in ihr alltägliches Gefühlsleben zu erhalten. Ein zentrales und überraschendes Ergebnis dieser PhotoVoice-Studie bildet die große Bedeutung, die affektiven Erinnerungspraktiken im Leben der Schüler*innen zukommt: Mädchen und Jungen aller Klassenstufen nahmen mit den von ihnen angefertigten Fotografien vielfach Bezug auf Objekte, die mit der Erinnerung emotional bedeutsamer Ereignisse, Beziehungen oder Lebensabschnitte in Zusammenhang standen. Diese häufige Bezugnahme auf unterschiedliche Erinnerungsobjekte deutet an, dass zurückliegende Erfahrungen eine zentrale Rolle im Selbstverständnis und emotionalen Erleben der Schüler*innen spielen. Bedeutsam ist, dass den Objekten bewusst ein Symbolgehalt zugesprochen wurde. Sie sollten die Erinnerung an einen Moment oder eine Beziehung und die damit einhergehenden Gefühle speichern. Einleitend werden wir zunächst Fragestellung, Zielsetzung, Sample sowie das methodische Vorgehen der empirischen Studie beschreiben, um uns dann genauer mit den methodologischen Besonderheiten des angewandten PhotoVoice-Verfahrens auseinanderzusetzen. Anschließend diskutieren wir die Ergebnisse der Studie im Rahmen ausgewählter kultur- und sozialwissenschaftlicher sowie (entwicklungs-)psychologischer Theorieansätze und argumentieren, dass der affektive Umgang mit Zeit, Vergangenheit und Vergänglichkeit eine wichtige Dimension der Gefühlsbildung und Emotionsentwicklung darstellt, der entscheidend durch soziale und kulturelle Prozesse moduliert wird und Rückschlüsse über gesellschaftlich geteilte Normen, Werte und Konzeptionen von Zeit, Selbst, Lebenslauf und die Bedeutung sowie Darstellung von Erinnerung zulässt. Wir möchten mit dem Beitrag die Aufmerksamkeit auf die Ontogenese des autobiographischen Gedächtnis und dessen sozio-kulturelle Grundlagen lenken, das innerhalb der sozial- und kulturanthropologischen Forschung zu Erinnerung und Gedächtnis bisher vergleichsweise wenig Beachtung erfährt.
View lessIn diesem Working Paper möchte ich die Zusammenhänge zwischen Forschungsdaten, Datenmanagement und Affektivität unter mehreren Gesichtspunkten beleuchten. Zuallererst werde ich mich den Forschungsdaten und ihrem affektiven Gehalt widmen. Dies ist sowohl im Hinblick auf die Abbildung von Affekten in den Daten als auch in der Dokumentation der Forschung relevant. Ich werde nachfolgend anhand von Beispielen der Datenerhebung und der Sekundäranalyse erläutern, welche Dimensionen affektiver Dynamiken berücksichtigt werden können. Meine Ausführungen stützen sich auf ethnographische Forschungsdaten, da diese von ihrer Dichte und Vielfalt her die komplexen affektiven Prozesse in der Datenerzeugung und -auswertung besonders gut veranschaulichen können. Im zweiten Teil dieses Aufsatzes widme ich mich den Affekten der Forschenden, wenn es um die Verwaltung, Archivierung und Bereitstellung ihrer Daten geht. Die Verwendung der Begriffe Affekt und Affektivität lehnt sich an die im SFB 1171 Affective Societies erarbeiteten Definitionen an. Affektivität verstehe ich demnach als relationalen und dynamischen Prozess des Affizierens und Affiziertwerdens, der sich auf Individuen, Kollektive oder auch nichtmenschliche Körper beziehen kann (vgl. Slaby & Mühlhoff 2019).
View lessDer Beitrag untersucht Strategien der symbolischen Grenzarbeit bei Migrantinnen aus sechs verschiedenen Herkunftsgruppen (N=1.040) am Beispiel der Vornamenvergabe. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum Migrantinnen bei der Wahl eines Vornamens für ihr Kind die Strategie des boundary crossing (Vergabe eines im Zielland üblichen Vornamens) oder aber des boundary maintenance (Vergabe eines im Herkunfts-land üblichen Vornamens) verfolgen. Mit den Daten des Sozio-oekonomischen Panels untersuchen wir vier Erklärungsmechanismen: (1) den Grad der kulturellen Distanz zum Zielland, (2) die sprachliche, strukturelle und soziale Integration im Zielland, (3) die emotionale Identifikation mit Heimat- und Ziel-land und (4) das Geschlecht. Den größten Erklärungsbeitrag leisten die kulturelle Distanz und die struktu-relle Integration (deutsche Staatsangehörigkeit, Bildung). Die sprachliche Integration, Partnerschaften mit in Deutschland geborenen Personen und Gefühle von Belonging haben hingegen in den multivariaten Ana-lysen keinen eigenständigen Effekt in den multivariaten Analysen.
View lessDer Aufsatz widmet sich zunächst dem Forschungsstand zum deutsch-türkischen Kino und identifiziert zwei grundsätzliche Schwierigkeiten: 1. Im gegenwärtigen Forschungsdiskurs herrscht ein repräsentationales Verständnis des filmischen Bildes vor. Dieses Verständnis produziert Kurzschlüsse bezüglich des Verhältnisses filmischer Bilder zur sozialen Wirklichkeit. 2. Das deutsch-türkische Kino ist in der Forschung überwiegend als Genre behandelt worden, ohne dass diese Konzeptualisierung theoretisch problematisiert oder fundiert worden wäre. Von diesen zwei Ansatzpunkten ausgehend wird eine konzeptuelle Perspektive entworfen, welche darauf abzielt, das Verhältnis zwischen Migrationsdiskurs und audiovisueller Medienproduktion theoretisch neu zu justieren. Dieses Vorhaben wird anhand zweier Fluchtlinien entwickelt: die eine ist methodologischer Natur und zielt auf eine detaillierte Analyse filmischer Form mit Blick auf ihre expressive Dimension. Die andere ist theoretischer Natur und begreift filmische Bilder als Aneignungen global zirkulierender Formen und Muster. Diese Dimension audiovisueller Diskursivität ist an den Bildern zu rekonstruieren, bevor man sie als Verhandlungen kultureller Identität lesen kann.
View lessIn diesen Paper setzen wir uns mit zeitgenössischen Immersionsphänomenen auseinander und schlagen ein dezidiert affekttheoretisches Verständnis des Begriffs vor. Immersion ist als Modewort in zahlreichen aktuellen Kontexten anzutreffen: Von Performance-Formaten, die als immersive theater bezeichnet werden, über bestimmte Konsum- und Erlebniswelten wie Wellness-Oasen, Nachtklubs und Themenparks, die sich einen ‚Mythos vom totalen Eintauchen‘ zu Werbezwecken aneignen, bis hin zum Kontext von Video Gaming oder augmented- und virtual-reality-Technologien. Auch lässt sich der Begriff der Immersion für die Analyse affektiver Regierungstechniken von Individuen, etwa in post- industriellen Arbeitsumgebungen verwenden (z.B. Teamwork, Start-Up-Kultur). In einer disziplin- und beispielübergreifenden Zusammenschau dieser Phänomene werden wir argumentieren, dass sich Immersion als eine bestimmte Qualität relationaler Affizierungsvollzüge auffassen lässt. Immersion zeichnet sich dadurch aus, dass ein Individuum durch reziproke Affizierungsdynamiken ganz in eine lokale Umgebung eingebunden und in seinem Denken, Fühlen und Handeln situativ moduliert wird. Die konkrete Erfahrungsqualität dieser Einbindung lässt sich – je nach Situation – als Verunsicherung, Vereinnahmung und Verschmelzung erläutern. Indem wir diese Begriffe in einem affekttheoretischen Rahmen präzisieren, können wir zeigen, wie mit dem Immersionsbegriff eine im Affektiven wirksame Modalität von Subjektivierung und Gouvernementalität genauer beschrieben werden kann. Mit dieser kritischen Thematisierung leisten wir insgesamt einen theoretischen Brückenschlag zwischen bestehenden kunst- und medienwissenschaftlichen sowie sozialtheoretischen Diskussionen von Immersion.
View lessIn The Prosecutor v. Ahmad Al Faqi Al Mahdi, the International Criminal Court tried the destruction of UNESCO World Heritage sites as a war crime for the first time. In this case, the value of things in relation to the value of persons became the central issue. Based on courtroom ethnography conducted during the proceedings and informed by affect and emotion research, this article identifies the rhetorical practice of sentimentalizing persons and things as an important process of legal meaning-making. Through sentimentalizing, all parties rhetorically produce normative arrangements of bodies by way of emotionally differentiating the relevant persons, things, and other entities from and affectively relating them to each other. Sentimentalizing provides an affective-emotional frame in which to determine the degree of guilt and innocence, justice and injustice.
View lessAus anthropologisch-psychiatrischer Perspektive thematisiert unser Beitrag die Formierung transkultureller Emotionsrepertoires in den Lebensentwürfen vietnamesischer Migrant_innen der ersten Generation in Berlin. Konkret gilt unser empirisches Interesse den affektiven Anstrengungen von Migration, die sich im Leben von vietnamesischen Patient_innen abzeichnen, die psychiatrisch- psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, sowie von deren Angehörigen. Zum einen möchten wir der Frage nachgehen, wann genau affektive Krisenerfahrungen zu Belastungen werden, die auf Basis bisheriger Emotionsrepertoires nicht länger zu bewältigen sind und zu einer Inanspruchnahme psychiatrisch-psychotherapeutischer Hilfe führen. Zum anderen möchten wir Antworten auf die Frage geben, inwiefern diese Inanspruchnahme zu einer Herausbildung neuer und dezidiert transkultureller Emotionsrepertoires beiträgt, die Beheimatungsprozesse begünstigen können, welche in neue und multiple Zugehörigkeiten und/oder Nichtzugehörigkeiten münden (Pfaff-Czarnecka 2012, Scheer 2014, Lähdesmäki et al. 2016, Röttger-Rössler 2016). Die Relevanz der letzteren Frage spiegelt sich in der zunehmenden Akzeptanz vietnamesisch- sprachiger und transkulturell sensibler psychiatrischer Versorgungsan-gebote im Rahmen der Eröffnung zweier Spezialambulanzen in Berlin wider (Ta et al. 2015,Hahn et al. 2016). Diese Versorgungsangebote sind eingebettet in ein aktives Netzwerk, welches die Förderung der seelischen Gesundheit von vietnamesischen Migrant_innen in Deutschland dient und dabei Träger sozialer Hilfen miteinander in Beziehung setzt und auch transnationale psychiatrische Perspektiven miteinbezieht (Ta et al. 2016b). Aus unseren ethnographischen Begegnungen, Beobachtungen und Gesprächen geht hervor, dass das erwähnte Setting in den Spezialambulanzen für unsere Gesprächspartner_innen einen einzigartigen Artikulationsraum darstellt, in dem in bislang ungewohnter Weise und jenseits von Stigmatisierungsängsten über affektive Erfahrungen, Anstrengungen und Belastungen gesprochen werden kann. Wer sich in Vietnam in psychiatrische Behandlung begebe oder in eine psychiatrische Klinik „eingewiesen“ werde, habe es laut unserer Gesprächspartner_innen nicht nur in Bezug auf die Qualität der Versorgung schlechter als in Deutschland: Der-/diejenige werde schnell als điên bezeichnet und müsse mit Diskriminierung und Stigmatisierung in Form eines Gesichtsverlusts rechnen, der sich auch auf das familiäre Umfeld ausweite. Das Wort điên bedeute „verrückt sein“, umgangssprachlich steht es für den medizinischen Ausdruck „an einer psychischen Krankheit leiden“ (bị bệnh tâm thần). Jedoch birgt es durchweg negative Konnotationen in sich, da Menschen, die als điên bezeichnet werden, nicht länger ernst genom-men und aus ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt würden. Affektive Belastungen werden aus diesem Grund häufig verdeckt, um einerseits nicht gegen die Gebote der Wahrung sozialer Harmonie zu verstoßen und andererseits, um eine individuelle und familiäre Stigmatisierung zu vermeiden (Lauber & Rössler 2007, Machleidt 2013). Selbstverständlich gibt es auch in Vietnam vielfältige Bewältigungsstrategien. In Migrationserfahrungen fußende affektive Belastungen beinhalten unserer Meinung nach aber andere Herausforderungen, welche die vertrauten Strategien in dem veränderten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kontext oftmals an ihre Grenzen stoßen lassen. Im Folgenden erläutern wir zunächst, inwiefern wir Affekte von Emotionen im Kontext von Migration konzeptuell unterscheiden und was unter einem transkulturellen Emotionsrepertoire zu verstehen ist. Des Weiteren wird die psychiatrische Ambulanz als ein besonderer Artikulationsraum des Affektiven vorgestellt, sowie auch als Forschungsraum unseres interdisziplinären Projektes. Sodann gewähren wir Einblicke in die Lebensentwürfe von zwei Gesprächspartnern, die beide der ersten Generation vietnamesischer Migrant_innen angehören. Um auch eine transgenerationale Sicht auf Affekte und Emotionen in der Migration zu ermöglichen, beschließen wir unseren empirischen Teil mit einer Beschreibung der Ansichten einer Gesprächspartnerin der zweiten Generation, deren Mutter in psychiatrisch- psychotherapeutischer Be-handlung ist. Unser Beitrag endet mit einer Diskussion, in der wir gängigen Vorstellungen widersprechen, die die Inanspruchnahme psychiatrisch-psychotherapeutischer Hilfe als ein Zeichen von Hilflosigkeit werten und insbesondere Patient_innen mit migrationsbezogenem Hintergrund Handlungsmacht und Kompetenz absprechen (Pratt Ewing 2005, Kirmayer 2007).
View lessZentrales Anliegen des Beitrags ist es, Affekttheorien für die empirische Anwendung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft nutzbar zu machen. Dazu stellen wir zunächst zentra-le Stränge der Emotionsforschung in der Rezeptions- und Wirkungsforschung sowie der Medi-entextanalyse dar, klären die von ihnen verwendeten Begriffe und machen ihre Bezüge zur Af-fektforschung deutlich. Daran anschließend führen wir knapp in aktuelle affekttheoretische An-sätze ein, beginnend mit einer Rekonstruktion früher Auseinandersetzungen in den Cultural Stu-dies, und entwickeln schließlich ein Analysemodell, mit dem Affekte als sozial-relationale Phä-nomene der Medienkommunikation empirisch analysiert werden können. Zur Exemplifizierung beziehen wir uns primär auf das Medium Fernsehen als einem Modus audiovisueller Kommuni-kation. Diese Betrachtung erlaubt jedoch auch weiterführende Überlegungen zur Bedeutung affektiver Dynamiken zwischen Medientechnologien, -texten und ihren Nutzer_innen.
View lessMit Bezugnahme auf die Literatur zu symbolischen Grenzziehungs- und Stigmatisierungsprozessen und auf der Basis einer Auswertung von elf Gruppendiskussionen mit über 50 Migrantinnen und Migranten unterschiedlicher Herkunft rekonstruieren wir, wie diese auf Grund ihres Vornamens von der Mehrheitsgesellschaft kategorisiert werden sowie die von ihnen entwickelten Strategien des Grenzmanagements. Die Analysen zeigen, dass alle Diskussionsteilnehmer ein ausgeprägtes Bewusstsein davon besitzen, dass Vornamen als bedeutsame Marker von symbolischen und sozialen Grenzen (Diskriminierung) zwischen Mehrheitsgesellschaft und migrantischen Minderheiten fungieren. Zugleich unterscheiden sich die Interviewten in ihren Reaktionsweisen auf ihre Erfahrungen mit dem hegemonialem Grenzregime. Vier, jeweils mit spezifischen Grundorientierungen einhergehende Typen der Grenzpolitik lassen sich unterscheiden, die von uns ausführlich beschrieben und an die theoretische Literatur rückgebunden werden: Grenzüberschreitung (I), Grenzaufweichung (II), Grenzumwertung (III) und die präreflexiv, den eigenen herkunftsspezifischen Traditionen folgende Grenzirrelevanz (IV).
View lessIn dem vorliegenden Beitrag setze ich mich aus emotionstheoretischer Perspektive mit transnationalen Lebensformen auseinander und hinterfrage die in zahlreichen sozialwissenschaftlichen Studien zu Migration und Transnationalismus implizit vertretene Ansicht, dass ein “Leben zwischen den Welten“ in erster Linie eine Frage der Routine und transnationalen Kompetenz ist. Ich gehe stattdessen von der Annahme aus, dass die Eingebundenheit in multiple, gesellschaftliche, nationale und kulturelle Grenzen überschreitende Zugehörigkeitskonstellationen für die Einzelnen mit enormen emotionalen und affektiven Herausforderungen verbunden ist, denen ich mich hier näher zuwenden werde. Der Beitrag ist als ein erster Schritt zur Entwicklung eines emotionstheoretischen Modells multipler Zugehörigkeiten zu verstehen.
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