Nicht nur gesellschaftliche Transformation, sondern auch das Ausbleiben von Veränderung weist eine affektive Dimension auf. Das Konzept der affektiven Stasis sucht diesem Umstand Rechnung zu tragen. Es zielt darauf ab, die häufig einseitig akzentuierte Transformativität und Dynamik von Affekt auf ein Maß zu reduzieren, das es erlaubt, auch die im Sozialen wirksamen Beharrungskräfte und realgeschichtlichen Trägheitsmomente als genuin affektive Phänomene zu konzeptualisieren. Der Begriff der Stasis verweist indes nicht nur auf Bewegungslosigkeit und Stillstand, sondern ihm ist zugleich eine kritische Schwelle eingeschrieben, jenseits derer die affektiven Stauungen aufbrechen und sich der Stillstand mit einem Mal in ein Ereignis disruptiver Art verkehrt. So bezeichnete die Stasis im Altgriechischen nicht nur den Stillstand, sondern auch den Aufstand und Krieg innerhalb der Polis. Das Konzept spannt sich also zwischen zwei Polen auf, die ein Spektrum verschiedenartiger affektiver Phänomene abdecken: Während sich dem einen Pol Phänomene affektiver Lähmung und Erschlaffung zuordnen lassen, geht der andere Pol mit Atmosphären und Stimmungen einher, die durch eine latente Anspannung und ex-plosive Eskalationsbereitschaft gekennzeichnet sind. Die aktualisierende Aneignung des antiken Stasis-begriffs entspringt dabei dem Bemühen, Geschichtlichkeit und Affektivität bereits auf der Ebene der Theoriebildung stärker miteinander zu verschränken. Wie wir fühlen und empfinden, wird formiert – und deformiert – von dem, was früher war.