Das Logbuch Wissensgeschichte gibt vielfältige, inter- und transdisziplinäre Einblicke in Untersuchungsverfahren, materiale Forschungsgegenstände sowie begriffliche Instrumentarien des Sonderforschungsbereichs 980 Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit. Die hier zusammengeführten Studien und konzeptuellen Überlegungen zu Wissen in vormodernen Kontexten eröffnen in fünf Fokusbereichen – Modi, Material & Medium, Praktiken, Macht, Momentum – unterschiedliche Perspektiven auf ‚Episteme in Bewegung‘ und damit auf zwölf Jahre Verbundforschung. In den Beiträgen werden Begriffe und Konzepte in ihrer Produktivität für konkrete Fallstudien und ihre jeweiligen Forschungsgegenstände navigatorisch erprobt, reflektiert, präzisiert und zugleich in Bewegung gehalten. Das hier entfaltete Forschungsspektrum versteht sich als Ausgangspunkt, um den Leser⋅innen Anregungen für zukünftige Forschungen zu bieten.
Weniger anzeigenSeit Jahrhunderten haben europäische Autoren die Geschichtsschreibung zum kolonialzeitlichen Lateinamerika dominiert. Doch gab es bereits seit dem 16. Jahrhundert eine wichtige alphabetische Geschichtsschreibung von Indigenen, besonders umfangreich im heutigen Zentralmexiko. Sie wird bei Richard Herzog anhand zweier bedeutender Historiker der Nahua (auch als „Azteken“ bekannt) detailgenau nachverfolgt: Fernando de Alva Ixtlilxochitl (ca. 1578–1650) und Domingo de Chimalpahin (1579–ca. 1660). - Ein seltener deutschsprachiger Überblick über die facettenreiche Nahua-Geschichtsschreibung - Beide Nahua-Autoren wurden bislang kaum eingehend in vergleichender Perspektive untersucht - Mit dem Preis der Zeitschrift für Weltgeschichte 2022 ausgezeichnet - Bietet Einblicke in Kontinuitäten indigener Kultur vor und nach der spanischen Invasion - Verbindet Ansätze aus Globalgeschichte, dekolonialen Studien, Literaturwissenschaften, Kunstgeschichte und Anthropologie für ein umfassenderes Bild Einheimische Gelehrte reflektierten die massiven Umbrüche infolge der spanischen Kolonialherrschaft: darunter die Ablösung prähispanischer Herrschaftsverhältnisse, die aufgezwungene Christianisierung, und die dramatische Dezimierung der indigenen Bevölkerung. Gleichzeitig ging es ihnen darum, die ungemein reiche Kultur, Geschichte und Kosmologie ihrer Vorfahren vor der Auslöschung zu bewahren. Das Buch kehrt den bekannten Blick von Europäern auf die Amerikas um, mit einem Fokus auf die dezidiert globale Perspektive einzelner indigener Akteure. Für sie bildete Europa einen zentralen Bezugspunkt, zugleich waren sie bestens über Ereignisse in anderen Weltteilen informiert. Diese Nahua-Gelehrten schrieben ihre Heimatregion Mesoamerika in die Weltgeschichte ein, um sie so auf eine Ebene mit Europa zu stellen. Somit eröffnen ihre Schriften prägnante und bis heute erhellende Gegenentwürfe zu eurozentristischen Weltsichten.
Weniger anzeigenBeschäftigte und Ehrenamtliche im Alltagsgefahrenmanagement sowie im Zivil- und Katastrophen schutz erfahren nicht nur Anerkennung und Respekt für ihre Tätigkeit. Anfeindungen und Gewalt ge genüber diesen Einsatzkräften werden sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Forschung disku tiert, meist mit Blick auf Rettungsdienstmitarbeiter*innen. Die folgende Studie erweitert diese Per spektive auf Bevölkerungsschutzkräfte. Im Rahmen einer nicht-repräsentativen, deutschlandweiten Online-Umfrage unter 1.957 Einsatz- und Verwaltungskräften in Bevölkerungsschutzkontexten im Jahr 2023 wurden die Häufigkeit und Art der erlebten Anfeindungen in Einsätzen quantitativ erfragt und durch qualitative Antworten hinsichtlich der Begleitumstände der Anfeindungen ergänzt. Etwa 60 % der Befragten berichteten von Gewalterfahrungen in Einsatzzusammenhängen, darunter verbale (mündliche) Anfeindungen, die Androhung von Gewalt und Anfeindungen im Internet bzw. in den sozialen Medien, Angriffe auf Einsatzfahrzeuge, körperliche Angriffe und psychische Anfeindungen wie Mobbing und soziale Ausgrenzung. Im Rahmen der Analyse der berichteten Anfeindung erfolgte auch eine differenzierte Betrachtung zwischen den unterschiedlichen befragten Organisationen sowie ehren- und hauptamtlich tätigen Organisationsmitgliedern.
Weniger anzeigenIm März 2021 fand am Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin ein Co-Design Workshop zur Entwicklung eines neuen Frontends statt. Initiiert wurde der Workshop dadurch, dass am Universitätsarchiv der Freien Universität über mehrere Jahre Datenmaterial zu sämtlichen Hochschullehrer*innen und Kanzler der Freien Universität Berlin, die seit der Gründung 1948 bis einschließlich 2011 an der Hochschule tätig waren, aufbereitet wurde und dadurch eine gut strukturierte Datenbank existiert: Der Index Professorum. Bei den Daten eingeschlossen sind dabei zusätzlich Gastprofessor*innen und das Personal der Medizin von 1948 bis 2003 bzw. im Falle des Universitätsklinikums Rudolf Virchow bis zum 31.3.1995. Insgesamt beläuft sich der Stand auf 4.183 Personen und sollte damit vollständig sein. Ziel des Co-Design Workshops war es nun, zentrale Aspekte zur nutzendenzentrierten Weiterentwicklung des geplanten Online Angebotes Index Professorum des Universitätsarchivs direkt von potenziellen Nutzenden solcher Daten einzuholen.
Weniger anzeigenThe influence of anti-gender movements is on the rise globally as they seek to prevent the expansion of transgender rights. In Germany, the anti-gender debate has gained renewed intensity in the wake of the publication of the draft Self-Determination Act in June 2022. Within this discourse, two prominent groups of actors emerged: gender-critical feminists and right-wing populists. Despite their divergent ideological and political positions, the affordances of social media provide them with a platform for collaborative interactions. Thus, under issue-related hashtags, the boundaries between these actors are becoming increasingly blurred. This research utilizes affect theory and analysis of hashtag activism to investigate the collective protest on Twitter against the proposed Self-Determination Act. Employing social network analysis (SNA), the study identifies pivotal structures and actors within the #FrauenSagenNein (#WomenSayNo) network. Additionally, qualitative content analysis delves into the narratives and sentiments employed in constructing hostile portrayals of transgender individuals. The findings illustrate that #FrauenSagenNein served as a bridging tool that connects gender-critical feminists and right-wing populist actors, leading to their intersection. Based on these findings, it is vital to critically monitor such alliances to counter the spread of binary gender norms and heteronormative beliefs.
Weniger anzeigenDiese Arbeit analysiert den Krisenbegriff und seine Bedeutung für den soziopolitischen Denkrahmen von Zukunftsvisionen. Einführend untersucht die Arbeit die Implikationen des Krisenbegriffs und beschreibt, wie dieser in öffentlichen Narrativen besondere Wirkmacht entfaltet. Eine hermeneutische Interpretation der ersten „Rede zur Zeitenwende“, in der Olaf Scholz die zukunftsprägenden Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine adressiert, veranschaulicht sowohl die Chancen als auch die Probleme eines auf dem Krisenbegriff gründenden Zukunftsentwurfs. Insbesondere zeigt die Interpretation auf, dass Scholz den Krisenbegriff als ‚Zeitenwende‘ neu formuliert, um so die erfolgreiche Bewältigung der Krise narrativ vorwegzunehmen und zu suggerieren, dass die Zukunft nach der Krise sowohl im normativen als auch im epistemischen Sinn gesichert ist.
Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen soll sie aufzeigen, inwiefern der Krisenbegriff den erkenntnistheoretischen Denkrahmen möglicher Zukünfte setzt und damit ein besonderes Zeitverständnis formt. Zum anderen soll sie die soziopolitischen Implikationen eines solchen krisengeprägten Zukunftsdenkens problematisieren. Als Behauptung einer bereits bewältigten Krise verdeutlicht das Narrativ der ‚Zeitenwende‘ einerseits, dass Zukunftssicherheit – in Form einer einzig möglichen und einig gewünschten Zukunft – zur legitimierenden Grundlage nationaler Deutungshoheit und politischer Handlungsmacht wird. Andererseits blendet ein solches Narrativ, das zukunftssichere Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit als Antwort auf die Krise betont, alternative Zukunftsentwicklungen nicht nur aus, sondern lässt sie sogar undenkbar werden. Abschließend reflektiert diese Arbeit deshalb kritisch die Grenzen des Denkrahmens öffentlich wirkmächtiger Narrative, welche die Krise zum Ausgangspunkt eines Zukunftsentwurfs im Namen einer bestimmten und einigen Gemeinschaft machen.
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