Menschen, die auf häusliche Pflege und Versorgung angewiesen sind, sehen sich im Fall von Notfällen, Krisen und Katastrophen besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Zwar wird nicht jeder von ihnen im Alltag von ambulanten Pflegediensten unterstützt – in vielen Fällen wird die Pflege allein oder überwiegend von An- und Zugehörigen geleistet. Dennoch stellen diese Dienste eine wichtige Ressource dar, um die dezentrale häusliche Versorgung von Menschen mit unterschiedlichsten Zugangs- und Funktionsbeeinträchtigungen im Ereignisfall auch unter widrigen Umständen möglichst lange aufrechterhalten zu können. Auch eine ggf. erforderliche Weiterversorgung in Übergangseinrichtungen oder Betreuungsplätzen können sie mit ihrer Expertise begleiten. Voraussetzung dafür ist, dass die ambulanten Dienste, sich den wachsenden Gefahren aus Notfällen, Krisen und Katastrophen stellen, vorausschauend organisatorische Anpassungsmaßnahmen ergreifen und sich auf diese Weise insgesamt widerstandsfähiger gegenüber derartigen Ereignissen aufzustellen.
Basierend auf literaturgestützten und empirischen Vorarbeiten und einem partizipativen Zielfindungsprozess wurden im Rahmen des Projekts zur Aufrechterhaltung ambulanter Pflegeinfrastrukturen in Krisensituationen (AUPIK) – insbesondere in Teilprojekt 3 „Sicherheit und Pflege“ – einige organisatorische Maßnahmen zur Förderung der Widerstandsfähigkeit ambulanter Pflegedienste gegenüber Notfällen, Krisen und Katastrophen erarbeitet. Sie werden in diesem Working Paper vorgestellt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei einerseits auf der Erstellung eines Katastro-phenschutzplans für ambulante Pflegedienste (Teil I), andererseits auf Bildungsmaterialien für die unterschiedlichen Mitarbeitenden dieser Dienste (Teil II).
Die Arbeitsergebnisse sind allgemein gehalten und bedürfen einer Anpassung an die Gegebenheiten des jeweiligen ambulanten Dienstes. Sie sollen binnenorganisatorische Diskurse und Entwicklungen zu den darin aufgeworfenen Fragen anstoßen. Zudem tragen die Arbeitsergebnisse an vielen Stellen vorläufigen Charakter – auch aufgrund fehlender Erkenntnisse und Evidenz in Detailfragen. Tatsächlich lassen sich viele Fragen einer angemessenen Vorbereitung auf Notfälle, Krisen und Katastrophen – insbesondere für häuslich versorgte Menschen mit Zugangs- und Funktionsbeeinträchtigungen – derzeit nicht zufriedenstellend beantworten. Auch zu den Möglichkeiten und Grenzen ambulanter Pflegedienste bei der Gewährleistung der Versorgung und Sicherheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen während und nach einem Ereignisfall, fehlt es an tragfähigen wis-senschaftlichen Erkenntnissen.
Die Veröffentlichung dieser Anregungen zur Erstellung eines Katastrophenschutzplans und von Bildungsmaterialien für Mitarbeitende ambulanter Pflegedienste erfolgt demnach in der Erwartung, dass sie von den ambulanten Diensten, deren Trägern, Verbänden im Bereich der Langzeitpflege und anderen interessierten Personen und Organisationen aufgegriffen, mit praktischen Erfahrungen angereichert, kontinuierlich weiterentwickelt und neuen Erkenntnissen angepasst werden. Auf diese Weise soll die Veröffentlichung mit dazu beitragen, dass ambulante Pflegedienste künftigen Notfällen, Krisen und Katastrophen vorbereiteter und widerstandsfähiger begegnen können.
Weniger anzeigenUnter dem Eindruck gestiegener Katastrophenrisiken hat der Gesetzgeber im GVWG festgelegt, dass sich ambulante Pflegedienste auf Krisensituationen vorbereiten müssen (§ 113 Absatz 1 Satz 1 SGB XI). In den Maßstäben und Grundsätzen für die Qualität und die Qualitätssicherung (MuG) vom 9.11.2022 sind Anforderungen definiert. Umsetzungsempfehlungen dazu sind im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten AUPIK-Projektes entwickelt worden.
Ziel der hier vorgelegten pflegeökonomischen Machbarkeitsstudie ist die Ermittlung und Bewertung der Kosten, die den ambulanten Pflegediensten im Hinblick auf die Katastrophenvorsorge im Zuge der Umsetzung der Empfehlungen des AUPIK-Projektes entstehen.
Die Ermittlung der Mengengerüste (Personal, Sachmittel) erfolgte nach Möglichkeit auf der Basis hinreichend konkreter Empfehlungen aus der AUPIK-Sollkonzeption und/oder auf der Basis von leitfadengestützten Experteninterviews (n = 8) mit Geschäftsführer*innen und anderen Leitungs-personen aus Pflegediensten mit Bezug zur Modellregion Magdeburg (Sachsen-Anhalt). Soweit die Mengengerüste auf keinem dieser beiden Wege ermittelt werden konnten, wurden sie geschätzt. Die Ermittlung der Preise für Sachmittel erfolgte per Internetrecherche (drei exemplarische Preise pro Produktgruppe). Als Multiplikator zur Berechnung der Personalkosten wurde ein per Faustformel berechneter Stundensatz verwendet, dessen Ausgangspunkt die Grundvergütung von Pflegefachkräften (Qualitätsniveau C) ist. Dieser Ausgangspunkt bietet sich an, weil hierfür in Gestalt der sog. regionalen Entgelthöhen validierte Daten vorliegen. Zur Veranschaulichung wurden drei Fallvignetten gebildet: A = inhabergeführter kleiner privater Pflegedienst; B = auf häusliche Intensivpflege spezialisiertes, überregional agierendes privates Pflegeunternehmen; C = Pfle-gedienstabteilung eines „großen“ freigemeinnützigen Trägers. Obwohl der engere Auftrag des APOLLON-Teilprojekts auf der betrieblichen Ebene angesiedelt ist, werden auch makroökonomische Berechnungen vorgenommen, nicht zuletzt, um auf diese Weise eine Grundlage für die sich aufdrängende Frage nach der Re-Finanzierung zu schaffen.
Der auf den Empfehlungen der AUPIK-Sollkonzeption beruhende Aufwand für die Katastrophen-vorsorge beträgt rechnerisch im Durchschnitt 22.467 Euro pro Pflegedienst in Sachsen-Anhalt und 27.767 Euro pro Pflegedienst in Deutschland – bei großen Unterschieden zwischen den einzelnen Diensten. Pflegedienste müssen damit rechnen, mindestens 1% des Umsatzes für Zwecke der Katastrophenvorsorge aufbringen zu müssen. Erhalten sie hierfür keine Re-Finanzierung werden sie dieser Aufgabe nicht im gebotenen Umfange nachkommen. Für diese Schlussfolgerung liefert nicht zuletzt die Expertenbefragung deutliche Hinweise.
Weniger anzeigenHintergrund: Die Versorgung von invasiv und nichtinvasiv langzeitbeatmeten Kindern und Jugendlichen findet überwiegend im häuslichen Umfeld und dabei unter maßgeblicher Beteiligung der Eltern statt. Fragen der Patientensicherheit wurden in diesem Kontext bislang kaum erforscht. Dies gilt auch mit Blick auf patientensicherheitsrelevante Aspekte der beatmungsspezifischen Hilfsmittelversorgung.
In dem vom Innovationsfondausschuss des G-BA geförderten Versorgungsforschungsprojekt „Sicherheitsdimensionen in der Hilfsmittelversorgung häuslich beatmeter Patient*innen“ (SAVENT) wurde in einer qualitativ-explorativen Teiluntersuchung gefragt, wie Eltern häuslich beatmeter Kinder die Versorgung mit beatmungsspezifischen Hilfsmitteln erleben. Dabei interessierte insbesondere, welche spezifischen Informations-, Beratungs-, Anleitungs- und Schulungsbedarfe sie haben und wie diese von den Hilfsmittelleistungserbringern sowie von weiteren Gesundheitsdienstleister*innen (z. B. Ärzt*innen, Pflegende sowie Mitarbeiter*innen von Krankenkassen und Medizinischem Dienst) beantwortet werden. Damit verbunden sollte aus der Elternperspektive eruiert werden, welche Anforderungen im Prozess der Hilfsmittelversorgung – insbesondere dabei auch mit Blick auf edukative und sicherheitsbezogene Aspekte – erkennbar und welche Verbesserungsbedarfe dahingehend zu benennen sind.
Methodisches Vorgehen: Zwischen Mai und September 2021 wurden dazu 12 problemzentrierte Interviews mit Eltern beatmeter Kinder (9 Mütter, 1 Vater, 2 Elternpaare) geführt, in Basistranskripte überführt und qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Deutlich wird, dass mit der Verortung der technik- und pflegeintensiven Versorgung beatmeter Kinder im häuslichen Umfeld eine erhebliche Übertragung von Verantwortung auf die Eltern als Laien stattfindet. Sie übernehmen vielfältige – meist über die Tätigkeiten der Pflegenden ambulanter Dienste hinausgehende – Aufgaben. Dazu gehören auch die Anwendung zahlreicher Hilfsmittel und die Koordination der (Hilfsmittel-)Versorgung. Dabei scheinen sie von den Gesundheitsdienstleister*innen aber kaum als Teil des Versorgungsteams wahrgenommen und einbezogen zu werden.
Aus Elternsicht werden die verwendeten beatmungsspezifischen Geräte und ihre Alarmfunktionen überwiegend für zuverlässig befunden. Bei näherer Betrachtung ergibt sich ein differenzierteres Bild. So zeigen sich Verbesserungsbedarfe in Details der technischen Eigenschaften, des Designs und der Bedienungsfreundlichkeit der Hilfsmittel. Hinzu kommen etwa Probleme in der kompetenten Anwendung der Geräte und des Zubehörs durch die Eltern und auch durch die Pflegenden der ambulanten Dienste. Da edukative Aufgaben vielfach vernachlässigt werden, sehen sich die Eltern häufig gefordert, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten selbst zu erweitern.
Als besonders sicherheitsrelevant haben sich Defizite in der sektorenübergreifenden Versorgungsorganisation und Kooperation herausgestellt. Diese stehen zugleich in engem Zusammenhang mit Verbesserungsnotwendigkeiten bezüglich der Hilfsmittelbezogenen Bedarfsermittlung, der Auswahl und der Verordnungs- sowie Genehmigungsprozesse.
Insgesamt bleiben zahlreiche Unsicherheiten und Risiken in der häuslichen Versorgung – auch, aber nicht nur in Bezug auf Hilfsmittel – bestehen. Sie führen zu vermeidbaren Ängsten sowie zu sicherheitsgefährdenden Situationen.
Diskussion: Die Beschreibungen der Eltern verdeutlichen, dass sie vielfach die tragende Säule in der technik- und pflegeintensiven Gesundheitsversorgung in häuslichen Settings sind. Ohne sie wäre die Aufrechterhaltung einer sicheren Versorgung (einschließlich der mit Hilfsmitteln) häufig nicht gewähr- leistet. Um die Eltern zu befähigen, diese – an anderer Stelle vertiefend zu diskutierende – Rolle kompetent ausüben zu können und die Sicherheit der häuslich beatmeten Kinder zu gewährleisten, bedarf es unter anderem der Entwicklung und Umsetzung nutzerzentrierter und zugleich partizipativ angelegter Edukationsangebote. Um diese Angebote adäquat unterbreiten zu können, muss zudem die Qualifizierung der an der (Hilfsmittel-)Versorgung beteiligten Akteur*innen des Gesundheitswesens verbessert werden.
Die in diesem Working Paper dokumentierten Erkenntnisse werden in einem nächsten Arbeitsschritt mit den Erkenntnissen aus den weiteren Teiluntersuchungen des SAVENT-Projekts zusammengeführt. Auf dieser Basis werden dann abschließend forschungsgestützte Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Hilfsmittelversorgung häuslich beatmeter Patient*innen abgeleitet.
Weniger anzeigenDer Alltag in der häuslichen Versorgung Pflegebedürftiger kann durch unterschiedliche Krisen, Notfälle und Katastrophen gestört und gefährdet werden. Dazu zählen neben Pandemien und regionalen Unwetterereignissen auch technische Störungen, wie z. B. großflächige und langanhaltende Stromausfälle. Dieses letztgenannte Katastrophenszenario steht im Mittelpunkt des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung (SiFo) von 2020 – 2023 geförderten Forschungsverbundprojekts „Aufrechterhaltung der ambulanten Pflegeinfrastrukturen in Krisensituationen“ (AUPIK).
Zur Erfassung der Ist-Situation auf Seiten ambulanter Pflegedienste wurde im Rahmen des Teilprojekts 3 „Sicherheit und Pflege“ des AUPIK-Gesamtvorhabens eine begrenzte, szenariobasierte und aus zwei Teilen bestehende explorative empirische Erhebung umgesetzt. Durchgeführt wurden (1) eine standardisierte Online-Befragung von direkt in der Versorgung tätigen Mitarbeiter*innen ambulanter Dienste (n=101) sowie (2) leitfadengestützte Interviews mit Leitungspersonen solcher Dienste (n=8). Ausgehend von dem Stromausfallsszenario wurde dabei u. a. nach Erfahrungen mit Krisen, Notfällen und Katastrophen in der häuslichen Versorgung, nach den zu deren Vorsorge, Management und Bewältigung ergriffenen Maßnahmen sowie nach benötigter Unterstützung gefragt. Die Erhebung wurde von November bis Dezember 2020 umgesetzt. Die Daten aus der Online-Befragung wurden deskriptiv-statistisch, die aus den Interviews strukturierend inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse beider Befragungen wurden schließlich zusammengeführt, verdichtet und in diesem Working Paper aufbereitet.
Die Befragten beider Erhebungen fühlen sich überwiegend unzureichend auf das ihnen vorgestellte Katastrophenszenario oder vergleichbare Krisen, Notfälle und Katastrophen vorbereitet. Meist dient selbst Erlebtes als Hintergrundfolie für die Wahrnehmung von Alltagsstörungen in der häuslichen Versorgung und von daraus resultierenden Risiken für die Patient*innen, deren Umfeld und die Mitarbeiter*innen der Pflegedienste. Durchaus vorhandene Notfallpläne sind inhaltlich und perspektivisch meist verengt, z. B. wird die Evakuierung aus Privathaushalten oder die Weiterversorgung in Notunterkünften selten mitgedacht. Überwiegend wird darauf vertraut, im Fall des Falles Unterstützung von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zu erhalten (z. B. Rettungsdienst, Katastrophenschutz). Wenig Beistand wird hinge gen von anderen Pflegediensten, Versorgungsanbieter*innen (z. B. Arztpraxen) oder informellen Netzwerken in der Kommune erwartet. Inhaltlich bleiben die Erwartungen an Unterstützung zur besseren Vorbereitung auf Krisen, Notfälle und Katastrophen vage. Konkrete Erfahrungen – etwa mit der COVID-19-Pandemie – werden noch kaum dafür genutzt, um sich auch auf andere mögliche Krisen-, Notfall- und Katastrophenszenarien gezielter vorzubereiten.
Die Ergebnisse der hier vorgestellten Erhebung zur Erfassung der Ist-Situation bestätigen die Einschätzung, dass die Vorsorge, das Management und die Bewältigung von Krisen, Notfällen und Katastrophen auf Seiten ambulanter Pflegedienste nachhaltig verbessert werden müssen. Zugleich zeigen sie auf, wo auf Seiten der Mitarbeiter*innen und Leitungspersonen (individuell-qualifikatorisch) sowie auf Seiten der Dienste (institutionell-organisatorisch) gezielte Anpassungsleistungen gefordert sind. In Verbindung mit den zuvor kompilierten und synthetisierten Erkenntnissen aus der Literatur zum Disaster Nursing (Katastrophenpflege) wurde mit dieser Erhebung eine tragfähige Grundlage für die weitere Forschung in AUPIK geschaffen. Basierend darauf können Soll-Anforderungen formuliert und die geplante partizipative Entwicklung, Erprobung und Evaluierung von Maßnahmen zur Förderung der Resilienz häuslicher Versorgungsarrangements gegenüber Krisen, Notfällen und Katastrophen weiter vorangebracht werden.
Weniger anzeigenDas vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung (SiFo) von 2020-2023 geförderte Forschungsprojekt „Aufrechterhaltung der ambulanten Pflegeinfrastrukturen in Krisensituationen“ (AUPIK) besteht aus mehreren Teilprojekten. Im Rahmen von Teilprojekt 3 „Sicherheit und Pflege“ wurden in einem ersten Arbeitsschritt vorliegende Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zur häuslichen und gemeindebasierten Versorgung zu Fragen der Sicherheit, insbesondere der Patientensicherheit, sowie zur Rolle der Pflege bei der Vorsorge und Bewältigung von Krisen, Notfällen und Katastrophen zusammengetragen und ausgewertet. Ziel war es, durch diese Arbeiten ein tragfähiges Fundament für die im Rahmen von AUPIK anstehenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu legen. Durchgeführt wurde zu diesem Zweck eine systematische, explorierende Recherche in einschlägigen Datenbanken und Zeitschriften. Eingeschlossen wurden ohne zeitliche Limitierung englisch- und deutschsprachige Übersichtsarbeiten, Studien mit heterogenen Designs sowie Projektberichte und Diskussionspapiere. Ergänzend wurden Gesetze, Leitlinien, Handlungsempfehlungen, Stellungnahmen und Positionspapiere sowie graue Literatur aus unterschiedlichen Quellen ausgewertet. Die gefundene Literatur wurde gesichtet, thematisch geordnet und mit Blick auf das leitende Erkenntnisinteresse synthetisiert; das Ergebnis dieses Arbeitsschritts ist hier in Form einer Literaturübersicht und Bibliografie dokumentiert. Insgesamt ist die international verfügbare Literatur zu Sicherheitsfragen, zur Katastrophenvorsorge und Krisenbewältigung umfangreich. Geht es aber um Sicherheitsaspekte in der häuslichen und gemeindebasierten Versorgung, ist sie übersichtlich geblieben. Pflegewissenschaftliche Beiträge zu diesen Themen sind quantitativ und qualitativ begrenzt, wobei internationale englischsprachige Publikationen thematisch breiter und z.T. auch anspruchsvoller angelegt sind als die aus dem deutschsprachigen Raum. Auffallend ist eine sich intensivierende Auseinandersetzung mit den hier aufgegriffenen Themen in der letzten Dekade – insbesondere zur Langzeitversorgung vor, während und nach Krisen, Notfällen und Katastrophen und der Rolle von Pflegefachpersonen dabei. International vergleichende Arbeiten bilden eher die Ausnahme; meist werden national oder regional relevante Themenstellungen bearbeitet, oft ausgehend von konkreten Erfahrungen mit Krisen, Notfällen und Katastrophen in einzelnen Ländern. Die hiermit vorgelegte Literaturanalyse und Bibliografie bieten eine gute Orientierung über den aktuellen Stand der Literatur zu Sicherheitsfragen im weitesten Sinne. Sie informieren über Definitionen, Konzepte und Aktivitäten zur Vorsorge und Bewältigung von Krisen, Notfällen und Katastrophen in diversen Gesellschaftsbereichen. Zudem bieten sie einen Einblick in die Rollen, Verantwortlichkeiten und Aktivitäten der Pflege im Hinblick auf derartige Ereignisse – insbesondere in der häuslichen und gemeindebasierten Langzeitversorgung. Präsentiert wird zum einen eine Momentaufnahme von einschlägigen (inter-)nationalen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Diskursen und von einigen Beispielen guter Praxis zu diesen Themen. Zum anderen wird ein eigenständiger pflegewissenschaftlicher Beitrag zur Erarbeitung eines gemeinsamen und arbeitsleitenden theoretischen Rahmens für die anstehenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Rahmen von AUPIK geleistet. Schließlich können die Literaturanalyse und Bibliografie als Ausgangspunkt für die Aufbereitung des Erkenntnis- und Forschungsstands zu Detailfragen sowie für thematisch fokussierte Recherchen und Analysen mit einem pflegewissenschaftlichen Erkenntnisinteresse genutzt werden.
Weniger anzeigenDie Schulgesundheitspflege spielt eine zentrale Rolle für den Erhalt und die Förderung von Gesundheit sowie die Prävention von Erkrankungen. Durch eine am Public Health Action Cycle orientierte Arbeitsweise können Pflegefachpersonen die körperliche Gesundheit und auch das psychosoziale Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen sowie von Eltern, Lehrenden und anderen Personen an den Schulen positiv beeinflussen. Dies war eines der Motive für die Einführung des in Trägerschaft des AWO Bezirksverband Potsdam e. V. seit 2017 in mehreren Phasen durchgeführten Modellprojekts „Schulgesundheitsfachkräfte an öffentlichen Schulen im Land Brandenburg“. Anknüpfend an die wissenschaftliche Begleitung der Einführung der Schulgesundheitspflege in Brandenburg und Hessen (SPLASH I) wurde von Juli 2019 bis Dezember 2020 eine auf ausgewählte Gesundheitsindikatoren ausgerichtete Evaluationsstudie allein zu dem Brandenburger Projekt durchgeführt (SPLASH II). Deren Ziel war es, mögliche Wirkungen der Schulgesundheitspflege auf den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitskompetenz der Schüler*innen zu ermitteln. Die entsprechenden Daten wurden mittels Fragebögen erhoben, die die Heranwachsenden selbst ausfüllten. Diese Phase der Datenerhebung musste aufgrund der COVID-19-Pandemie nach etwa der Hälfte ausgesetzt werden. Zudem wurde eine schriftliche Befragung der Schulleitungen durchgeführt, um gesundheitsrelevante Strukturmerkmale der Schulen zu erfassen. Die erhobenen Daten wurden statistisch ausgewertet und z. T. mit zuvor erhobenen Daten vergleichend ana-lysiert. Ergänzend wurden qualitative Interviews mit Pflegefachpersonen an den Schulen geführt, um Rollen und Aufgaben der Schulgesundheitspflege angesichts der COVID-19-Pandemie untersuchen zu können. Die qualitativen Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und verdichtend aufbereitet.
Im Ergebnis zeigte sich, dass das Angebot der Pflegefachpersonen von den Schüler*innen gut angenommen und überwiegend positiv bewertet wurde. Deren Gesundheitszustand schien vor der Pandemie basierend auf den Selbstauskünften insgesamt gut gewesen zu sein. Was Veränderungen im Gesundheitsverhalten betrifft, sind die Ergebnisse ambivalent. Rund ein Fünftel der Schüler*innen zeigte eine hohe Gesundheitskompetenz, allerdings war der Anteil derjenigen mit niedriger Gesundheitskompetenz etwa genauso hoch. Pandemiebedingt deuteten sich aus Sicht der Pflegefachpersonen zusätzliche Gesundheitsrisiken an. Gesteigerter Medienkonsum, mangelnde Bewegung und schlechtere Ernährung wurden berichtet, ebenso wie soziale Isolation, Verunsicherung und Angst vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2. Das Elternhaus war für die Schüler*innen die Hauptinformationsquelle zur COVID-19-Pandemie, was zuweilen mit spezifischen Herausforderungen für die Pflegefachpersonen verbunden war. Deren zusätzliche Aufgabe bestand u. a. darin, auf die Einhaltung der pandemiebedingten Hygiene- und Abstandsregeln zu achten, über SARS-CoV-2 und die Folgen sowie die damit verbundenen Maßnahmen zu informieren und ggf. Fehlinformationen richtigzustellen.
Das Modellprojekt „Schulgesundheitsfachkräfte an öffentlichen Schulen im Land Brandenburg“ wurde mit Blick auf ausgewählte Gesundheitsindikatoren erfolgreich fortgesetzt. Zwar lassen sich direkte Effekte der Schulgesundheitspflege auf Gesundheitszustand, Gesundheitsverhalten und Gesundheitskompetenz ohne Bezugnahme auf konkrete, abgegrenzte Einzelinterventionen nach wie vor schlecht ermitteln. Dem wird künftig mit weiteren Bemühungen zur Systematisierung und Standardisierung der Interventionen der Schulgesundheitspflege zu begegnen sein. Gerade hinsichtlich der Förderung von Gesundheitskompetenz und der pandemie-bedingten Herausforderungen ist der Bedarf an Schulgesundheitspflege aber offensichtlich. Die Pflegefachpersonen wissen um ihre Relevanz und haben sich mit ihren diversen Rollen und Aufgaben in den Schulen gut etabliert. Das Spannungsfeld zwischen individuen- und populationsorientierten Perspektiven einerseits und reaktiven und antizipativen Ansätzen andererseits, sollten sie dabei sorgfältig ausbalancieren, um im Kontext der Schulgesundheitspflege auch künftig die gewünschten und angestrebten Gesundheitseffekte erzielen zu können.
Weniger anzeigenAls universitäre Fachrichtung wurde Public Health in Deutschland Ende der neunziger Jahre federführend durch die Deutsche Gesellschaft für Public Health e. V. etabliert und ist damit gegenwärtig noch immer eine vergleichsweise „junge“ akademische Qualifikation im dreistufigen Studiensystem aus Bachelor, Master und Promotion. Auf der Grundlage einer Berufsausbildung in den ausgewählten Gesundheitsfachberufen Altenpflege, Diätassistenz, Ergotherapie, Gesundheits- und (Kinder)Krankenpflege, Entbindungspflege, Logopädie, Rettungsdienst, Orthoptik und Physiotherapie (Charité-Universitätsmedizin Berlin (CUB) 2018) zielt der im Jahr 2011 an der Charité – Universitätsmedizin Berlin erstmals angebotene Bachelorstudiengang Gesundheitswissenschaften auf den Erwerb breit angelegter fachwissenschaftlicher und methodischer Kompetenzen zur Übernahme von qualifizierten Fachfunktionen in unterschiedlichen gesundheitswissenschaftlichen Handlungsfeldern. Der Studienabschluss bahnt Wege in verschiedene gesundheitswissenschaftliche Tätigkeitsbereiche auf mittlerer Handlungs-, Entscheidungs- und Verantwortungsebene (CUB 2017). Zu den zukünftigen Aufgaben der Absolvent*innen zählen beispielsweise die multidisziplinäre Planung, Entwicklung und Umsetzung von gesundheitsrelevanten populationsbezogenen Initiativen und Programmen in der Gesundheitsverwaltung, in Versicherungen, Behörden und Gesundheitseinrichtungen, der gesundheitsbezogenen Öffentlichkeits- und außerschulischen Bildungsarbeit, der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention oder auch die Mitwirkung an Aktivitäten der angewandten Gesundheitsforschung. Vor dem Hintergrund der Erschließung neuer Berufsfelder und der stetigen Entwicklung neuer Aufgabenbereiche für Bachelorabsolventinnen und -absolventen der Gesundheitswissenschaften spielt das Modul B18 „Spezielle Themen der Gesundheitswissenschaften“ eine bedeutende Rolle. Ziel dieses Moduls ist die projektförmige und praxisnahe Bearbeitung wechselnder gesundheitswissenschaftlicher Frage- und Problemstellungen. Besonderes Augenmerk wird auf die Heranziehung multidisziplinärer Sichtweisen bei der Problembearbeitung gelegt, wobei die unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen der Studierenden und die im Studium erworbenen Kompetenzen einen wichtigen Beitrag für konstruktive Diskussionen innerhalb der Seminare leisten. Die Studierenden haben die Wahl zwischen wechselnden Themen der Gesundheitswissenschaften. Im Wintersemester 2018/19 wurden Seminare zu den Themenschwerpunkten ...
Weniger anzeigenTracheotomierte Patienten mit und ohne Beatmung benötigen aufgrund ihrer komplexen Problem- und Bedarfslagen häufig eine multiprofessionelle, auf Integration und Kontinuität angelegte Intensivversorgung. Diese geht mit hohen Anforderungen an die fachliche Expertise, Koordination und Kooperation der beteiligten Sektoren, Organisationen und Professionen einher. Vorliegenden Erkenntnissen zufolge werden diese hohen Anforderungen noch selten erfüllt. Patienten und Angehörige, aber auch Versorgungskoordinatoren und Fallmanager haben oftmals erhebliche Probleme, bedarfsgerechte Versorgungsangebote ausfindig zu machen. Zwar wurden regional begrenzt zwischenzeitlich einige Modellvorhaben auf den Weg gebracht, mit denen die Versorgung dieser Patientengruppe durch zusätzliche Angebote und Steuerungsinitiativen optimiert werden soll. Insgesamt aber gibt es über die regionalen Angebotsstrukturen für diese spezielle Patientengruppe und deren Bedarfsgerechtigkeit nur unzureichende Erkenntnisse. Vor diesem Hintergrund wurde in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eine Analyse des Versorgungsbedarfs tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung und intensivem Versorgungsbedarf sowie der Strukturen und Charakteristika der darauf ausgerichteten Spezialversorgung durchgeführt. Ziel dieser Analyse war es, Hinweise auf die Bedarfsorientierung der spezialisierten Versorgung zu finden und mögliche Handlungserfordernisse aufzuzeigen. Dazu wurden, unter Verwendung eines versorgungsepidemiologischen Ansatzes, einerseits regionale soziodemografische und gesundheitsbezogene Bevölkerungsdaten zugrunde gelegt. Zum anderen wurde das spezialisierte regionale Versorgungsangebot auf der Grundlage verfügbarer Datenquellen sektoren- und professionsübergreifend beleuchtet. Die Ergebnisse wurden in diesem Working Paper aufbereitet. Im Ergebnis sind trotz insgesamt insuffizienter Datenlage auf Seiten der in den drei Bundesländern lebenden Bevölkerung heterogene und insgesamt komplexe gesundheitliche und soziale Problemlagen zu erkennen. Unklar ist, inwieweit diese eine erhöhte Inzidenz oder Prävalenz der Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge haben, die üblicherweise mit einer aufwändigen technikintensiven Versorgung einhergehen. Darüber hinaus ist eine ausgeprägte Intransparenz der regionalen Versorgungslandschaft zu beobachten. Dies gilt insbesondere für spezialisierte Leistungsanbieter und deren Leistungsangebote für tracheotomierte Patienten mit und ohne Beatmung. Übergeordnete Vernetzungsinitiativen, regionale Versorgungszentren mit abgestuften Versorgungsangeboten und unabhängige Steuerungsinitiativen für diese Patienten-gruppe konnten nicht identifiziert werden. Um gängige Qualitätsanforderungen an die Versorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung und intensivem Versorgungsbedarf realisieren und eine fundierte Bedarfsabschätzung vornehmen zu können, werden künftig mehr und solidere Daten über die Bedarfs- und Problemlagen der Bevölkerung sowie ausgewählter Bevölkerungsgruppen benötigt. Zudem sind detaillierte Informationen über die existierenden Unterstützungsangebote, deren quantitative und qualitative Dimensionen sowie deren regionale Verteilung in der Versorgungslandschaft vorzuhalten. Nur auf einer solchen Informationsbasis wird sich eine bedarfsgerechte Gestaltung und Steuerung der spezialisierten Versorgungsangebote und ein angemessener Zugang der Nutzer zu diesen Angeboten realisieren lassen.
Weniger anzeigenUm auf gewachsene und veränderte gesundheitliche Herausforderungen im Setting Schule reagieren und Schulgesundheitspflege in Deutschland erproben zu können, haben der AWO Bezirksverband Potsdam e.V. und die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAGE) das Modellprojekt „Schulgesundheitsfachkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Brandenburg und Hessen“ durchgeführt. Über zwei Jahre hinweg wurden im Anschluss an eine vorbereitende Weiterbildung jeweils 10 Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflegende an allgemeinbildenden Grund- und weiterführenden Schulen der beiden Bundesländer eingesetzt. Das Modellprojekt wurde durch das Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité - Universitätsmedizin Berlin wissenschaftlich begleitet. Basierend auf einer umfangreichen Ausgangsanalyse (Tannen et al. 2018) wurden die Implementationsbemühungen begleitet sowie beobachtbare und antizipierbare Wirkungen nach einem Interventionszeitraum von 9 bzw. 12 Monaten erfasst und analysiert. Dafür wurden diverse Dokumente gesichtet und ausgewertet. Zudem wurden standardisierte Befragungen von Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und Schulleiter*innen, qualitative Einzelinterviews mit Schüler*innen und Gruppeninterviews mit Eltern und Lehrer*innen sowie partizipativ angelegte Workshops mit den „Schulgesundheitsfachkräften“ (SGFK) durchgeführt. Die Datenauswertung erfolgte inhaltsanalytisch (Dokumente, qualitative Daten) und deskriptiv statistisch (quantitative Daten). Wie bereits die Ausgangsanalyse zeigte auch die Beobachtung der Inanspruchnahme durch die Schüler*innen und Lehrer*innen einen dringenden Bedarf an gesundheitsbezogener und klinisch pflegerischer Expertise im Setting Schule. Beobachtet wurden zahlreiche gesundheitsbezogene Herausforderungen (darunter eine hohe Prävalenz an chronischen Erkrankungen, psychische Belastungen) und problematisches Gesundheitsverhalten der Schüler*innen in ausgewählten Bereichen (z. B. Zahn und Mundgesundheit, Ernährungsverhalten, körperliche Aktivität). Die Schulgesundheitspflegenden wurden in Einzelkontakten überwiegend für die akute gesundheitliche Versorgung in Anspruch genommen, aber auch als Ansprechpartnerin in Gesundheitsfragen jeder Art aufgesucht. Aus Sicht der befragten Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen gilt die Schulgesundheitspflege als Instanz für Erste Hilfe, Beratung, Sorge, Sicherheit und Vermittlung. Voraussetzungen für die Erfüllung dieser Funktionen sind ausreichende Präsenz, Verschwiegenheit, Vertrauen, klinische Pflegeexpertise und die Bereitschaft zur anwaltschaftlichen Interessenvertretung für die Belange der Schüler*innen und das Thema Gesundheit. Eine erste Wirkungsanalyse deutet auf eine verbesserte Gesundheitsversorgung der Kinder und Jugendlichen während der Schulzeit sowie reduzierte Abwesenheiten durch gesundheitliche Beschwerden hin. Eine Verbesserung des Gesundheitsverhaltens konnte aufgrund des geringen Interventionszeitraums nicht gemessen werden. Lehrer*innen erfahren eine spürbare Entlastung von fachfremden gesundheitsbezogenen Aufgaben und auch Eltern erleben Entlastung und Sicherheit, durch die Tätigkeiten der Schulgesundheitspflege. Die subjektive Gesundheitskompetenz der Schüler*innen konnte im Interventionszeitraum verbessert werden. Im Interesse der Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit des Modellprojekts werden verstärkte An- strengungen im Bereich der Konzept- und Interventionsentwicklung sowie eine Systematisie- rung und Standardisierung der Arbeitsprozesse empfohlen. Die Sicherstellung personeller Präsenz und Kontinuität der „Schulgesundheitsfachkräfte“ an den Schulen hat große Bedeutung. Zudem wird bürokratischer Überregulierung entgegenzuwirken zu sein, um die Flexibilität dieses Angebots zu erhöhen. Das Potential der Schulgesundheitspflege zur Förderung der individuellen Gesundheitskompetenz der Schüler*innen und möglicherweise auch der Lehrer*innen sollte ausgebaut und verstärkt nutzbar gemacht werden. Insgesamt hat sich die Schulgesundheitspflege als eine vielversprechende Innovation erwiesen, mit der den gesundheitlichen Herausforderungen im Setting Schule künftig zielgerichteter begegnet werden kann.
Weniger anzeigenInternational ist „Schulgesundheitspflege“ seit geraumer Zeit ein etabliertes Angebot zur Förderung der öffentlichen Gesundheit an allgemeinbildenden Schulen und eine spezialisierte Rolle der professionellen Pflege. Mit einem Modellprojekt in Brandenburg und Hessen soll an diese internationale Praxis angeknüpft werden. Jeweils 10 Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflegende, die zuvor systematisch auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden, sind an verschiedenen allgemeinbildenden Schulen in den beiden Bundesländern eingesetzt. Das Modellprojekt wird einer mehrphasigen wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation durch das Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin unterzogen. Das formative Evaluationskonzept dient der kritischen Begleitung und Dokumentation des Modellverlaufs sowie einer ersten Bewertung der damit erzielten Effekte.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung wurde zunächst eine umfangreiche systematische Ausgangsanalyse durchgeführt. Dafür wurden Dokumente, Protokolle, Memos etc. gesichtet und ausgewertet. Zudem wurden standardisierte Befragungen von Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und Schulleiter*innen, qualitative Einzelinterviews mit Schüler*innen und Gruppeninterviews mit Eltern und Lehrer*innen sowie partizipativ angelegte Workshops mit den „Schulgesundheitsfachkräften“ (SGFK) realisiert. Die Datenauswertung erfolgte inhaltsanalytisch (Dokumente, qualitative Daten) und deskriptiv statistisch (quantitative Daten). Die Ergebnisse der Ausgangsanalyse sind in diesem Working Paper dokumentiert.
Insgesamt erweist sich die Ausgangssituation für das Modellprojekt in den beiden Bundesländern und den jeweiligen Standorten als ausgesprochen heterogen und komplex. Große Unterschiede zeigen sich bei den Implementierungsstrategien, der Auswahl der beteiligten Schulen, deren Größe sowie sachlichen/personellen Ausstattung und nicht zuletzt bei den Betreuungsschlüsseln. Datenschutzrechtliche sowie schulrechtliche Vorgaben haben den Projektstart erschwert und zu ungleichen Ausgangsbedingungen in den beiden Bundesländern geführt. Auch die gesundheitliche Ausgangssituation ist differenziert zu betrachten. Bei einigen Themen wird gesundheitsbezogener Handlungsbedarf an den Schulen gesehen – etwa in Fragen der Sauberkeit und Hygiene, Bereitstellung von Pausen- und Ruheräumen sowie bei der Essensversorgung. Zwar wird die subjektive Gesundheit der Schüler*innen mehrheitlich für gut oder sehr gut eingeschätzt, allerdings zeigen sich auch spezifische gesundheitliche Problemfelder. Hoher Präventionsbedarf besteht bei Zahn- und Mundgesundheit, Ernährung, Bewegung, Medienkonsum sowie Suchtverhalten. Gut ein Drittel der Schüler*innen konnte in einem Zeitraum von drei Monaten aufgrund einer akuten Erkrankung nicht am Unterricht teilnehmen. Bemerkenswert ist, dass sowohl Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen von Schwierigkeiten beim Finden, Einschätzen und Bewerten von Gesundheitsinformationen berichten, was einen Bedarf an Gesundheitskompetenzförderung erkennen lässt.
Die heterogene und komplexe Ausgangssituation verlangt von den am Modellprojekt „Schulgesundheitspflege“ beteiligten Akteur*innen auf den verschiedenen Ebenen eine besonnene und differenzierte Vorgehensweise. Notwendig scheint eine schulbezogene Spezifizierung und Priorisierung von gesundheitlichen Zielen, die mit der Schulgesundheitspflege an den jeweiligen Standorten erreicht werden sollen. Zudem müssen lokal angepasste Strategien entwickelt werden, um auf die unterschiedlichen Bedarfssituationen reagieren zu können. Die vorliegenden Daten liefern dafür erste Anknüpfungspunkte. Mit Blick auf die intendierte Wirkungsanalyse der Komplexintervention „Schulgesundheitspflege“ werden der vergleichsweise kurze Beobachtungs- und Interventionszeitraum an den Schulen, die Heterogenität der lokalen Kontextbedingungen sowie der Einfluss von weiteren Determinanten (z.B. Konkretisierungs- und Standardisierungsgrad der Interventionen) angemessen zu berücksichtigen sein.
Weniger anzeigenGegenstand dieser Tagung ist die bildungswissenschaftliche Forschung zum interprofessionellen Lehren und Lernen in den Gesundheitsprofessionen. In den Mittelpunkt rücken insbesondere Herausforderungen, die mit der Lehr-/Lernprozessgestaltung und Kompetenzdiagnostik bei heterogenen Lernendengruppen einhergehen. Ziel ist es, zum einen Nachwuchswissenschaftler_innen (Promovierende, Habilitierende sowie fortgeschrittene Masterstudierende), die sich im Rahmen ihrer Qualifizierungsprojekte mit ausgewählten bildungswissenschaftlichen Aspekten des interprofessionellen Lehrens und Lernens in den Gesundheitsprofessionen beschäftigen, erstmalig in Deutschland zusammenzubringen. Zum andern sollen die Nachwuchswissenschaftler_innen die Möglichkeit erhalten, ihre individuellen Qualifizierungsprojekte im Rahmen von moderierten Forschungswerkstätten vorzustellen und in einer kritischen Peer- und Expert_innenberatung zu diskutieren. Darüber hinaus sollen durch den Austausch dringend notwendige akteurs- und standortübergreifende Schnittstellen in diesem jungen Forschungsfeld identifiziert werden – sowohl auf inhaltlicher wie auch auf forschungsmethodischer Ebene. Die auf dieser Veranstaltung identifizierten Schnittstellen sowie geknüpften Kontakte bilden den Grundstein für eine über die Veranstaltung hinausgehende Vernetzung. Vernetzung ist notwendig, um zukünftig gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsinitiativen zum interprofessionellen Lehren und Lernen in den Gesundheitsprofessionen auf den Weg zu bringen.
Weniger anzeigenAktuelle Befunde deuten darauf hin, dass Kompetenzen zur interprofessionellen Zusammenarbeit sowohl das Outcome von Gesundheitsleistungen verbessern, als auch die Patientensicherheit und die Arbeitszufriedenheit der Beteiligten erhöhen können. Dem wird in der Ausbildung von Mediziner/innen sowie der von Therapie- und Pflegeberufen in Deutschland noch zu wenig Rechnung getragen, v.a. auch im internationalen Vergleich mit Ländern im skandinavischen und englischsprachigen Raum. Das Vorhaben, Angehörige der Gesundheitsprofessionen bereits in frühen Phasen ihrer Ausbildung miteinander in Kontakt zu bringen und ihnen gemeinsame Lernräume für interprofessionelle Zusammenarbeit zu eröffnen, stellt an bundesdeutschen (Hoch-)Schulen und in Versorgungseinrichtungen immer noch eine große strukturelle und inhaltliche Herausforderung dar. Um dem zu begegnen, werden im Projekt INTERTUT die an der Charité in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen mit extracurricularen studentischen Tutorien genutzt, um interprofessionelle Basiskompetenzen für die spätere Zusammenarbeit verschiedener Gesundheitsprofessionen gezielt einzuüben. Konkret wurden in dem von Oktober 2013 bis Dezember 2015 durchgeführten Projekt interprofessionelle Lerneinheiten – kurz interTUTs – partizipativ entwickelt, erprobt, evaluiert und nachhaltig implementiert. Teilgenommen haben Studierende der Medizin, der Ergo- und Physiotherapie sowie Auszubildende und Studierende der Gesundheits- und Krankenpflege. Die Lerneinheiten haben die bereits am Lernzentrum der Charité erprobte Form extracurricularer studentischer Tutorien. In einem ersten Schritt wurden zwei Basistutorien entwickelt und angeboten, die im Verlauf als Vorbereitung für weitere, darauf aufbauende Tutorien zu interprofessionellen Kernkompetenzen dienten.
Weniger anzeigenSeit den 1990er-Jahren hat sich hierzulande mit hoher Dynamik ein spezialisiertes Versorgungsangebot für invasiv langzeitbeatmete Menschen herausgebildet. Hierzu gehören Angebote in verschiedenen stationären Einrichtungen, in der eigenen Häuslichkeit oder auch in vermehrt entstehenden Wohngemeinschaften. Dieses spezialisierte und differenzierte Versorgungsangebot zu überblicken, fällt ausgesprochen schwer. Beklagt werden bundesweit uneinheitliche Versorgungsstrukturen, undurchsichtige Wege der Patienten durch das Versorgungssystem, wenig transparente und in Teilen fragwürdige Handlungspraktiken sowie ungenügende Qualitätsstandards. Vor diesem Problemhintergrund wurde von Juli 2015 bis Juni 2016 eine mehrteilige explorativ-deskriptive Studie zur Versorgungssituation invasiv langzeitbeatmeter Patienten unter regionalen Gesichtspunkten durchgeführt (VELA-Regio).
Der dritte und letzte Teil der Studie widmet sich Einschätzungen zur Gestaltung und Steuerung der Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten in vier ausgewählten Regionen (Schwerin, Berlin, Hof, Tübingen) aus Akteurssicht. Dabei wurde eruiert, welche Versorgungswege die Patienten durch das regionale Versorgungssystem beschreiten (können) und welche Herausforderungen in der Versorgungssteuerung und -gestaltung für diese Patientengruppe zur Bewältigung anstehen. Ziel der Teilstudie war es, Bedarf an einer gezielten Versorgungsplanung und -steuerung für diese spezielle Patientengruppe aufzuzeigen und vor dem Hintergrund der internationalen Literatur zum Thema Optimierungspotenziale zu identifizieren.
Methodisch wurde eine qualitativ-explorative Erhebung auf Grundlage von 13 leitfadengestützten Experteninterviews mit insgesamt 22 Personen durchgeführt. Im breit angelegten Sample wurden die Perspektiven von Ärzten, Pflegenden und Sozialarbeitern in unterschiedlichen Funktionen aus Beatmungs- und Weaningzentren, Rehabilitationskliniken, spezialisierten Pflegediensten und -heimen, Haus- und Facharztpraxen sowie von Seiten der Leistungsträger und des MDK erfasst. Die Auswertung der transkribierten Interviewdaten erfolgte inhaltlich strukturierend.
Die Interviewpartner gewähren tiefe Einblicke in die Versorgung für und in die Wege von invasiv langzeitbeatmeten Patienten in den vier Regionen. Bemerkenswert ist, dass sie ungeachtet der heterogenen regionalen Ausstattung auf vergleichbare quantitative und qualitative Versorgungsdefizite aufmerksam machen. In großer Übereinstimmung sehen sie das Versorgungsgeschehen von intransparenten und sekundären Interessen der beteiligten Versorgungsinstanzen sowie von Fachkräftemangel und Professionalisierungsdefiziten überlagert. In Leitlinien beschriebene Patientenpfade, Zuweisungsprozesse und Zuständigkeiten sind den Akteuren zwar bekannt, allerdings wird ihre unzureichende Verbindlichkeit bemängelt. Insofern werden die Wege der Patienten vielfach in erfahrungsbasierter, häufig informell geprägter Netzwerkarbeit individuell und regional unterschiedlich ausgestaltet. Ob invasiv langzeitbeatmete Patienten zur richtigen Zeit und im richtigen Setting die richtige Versorgung erhalten, entscheidet dann vornehmlich das Engagement einzelner Leistungserbringer. Die im Einzelfall beschrittenen Versorgungswege erweisen sich dadurch als hochgradig zufallsabhängig.
Vor dem Hintergrund der in der VELA-Regio Studie erarbeiteten Erkenntnisse über die regional vorgehaltenen Strukturen zur Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten und den darin realisierten Versorgungsprozessen sowie unter Bezugnahme auf den (inter-)nationalen Erkenntnis- und Forschungsstand werden in diesem Working-Paper abschließend Empfehlungen formuliert. Sie sollen Steuerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer bedarfsgerechten, integrierten, kontinuierlichen und qualitätsgesicherten Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten aufzeigen und der patientenzentrierten Weiterentwicklung dieses zunehmend bedeutsamen Versorgungsbereichs dienen.
Weniger anzeigenSeit den 1990er-Jahren hat sich hierzulande mit hoher Dynamik ein spezialisiertes Versorgungsangebot für invasiv langzeitbeatmete Menschen herausgebildet. Hierzu gehören Angebote in verschiedenen stationären Einrichtungen, in der eigenen Häuslichkeit oder auch in vermehrt entstehenden Wohngemeinschaften. Dieses spezialisierte und differenzierte Versorgungsangebot zu überblicken, fällt ausgesprochen schwer. Beklagt werden bundesweit uneinheitliche Versorgungsstrukturen, undurchsichtige Wege der Patienten durch das Versorgungssystem, wenig transparente und in Teilen fragwürdige Handlungspraktiken sowie ungenügende Qualitätsstandards. Vor diesem Problemhintergrund wurde von Juli 2015 bis Juni 2016 eine mehrteilige explorativ-deskriptive Studie zur Versorgungssituation invasiv langzeitbeatmeter Patienten unter regionalen Gesichtspunkten durchgeführt (VELA-Regio).
Der hier dokumentierte zweite Teil dieser Studie widmet sich Bedarfs- und Strukturfragen. Anhand von vier ausgewählten Regionen (Schwerin, Berlin, Hof, Tübingen) wurde gefragt, welche Erkenntnisse über den regionalen Bedarf an Spezialversorgung für invasiv langzeitbeatmete Patienten vorliegen und welche Versorgungsangebote für diese Patientengruppe vor Ort vorgehalten werden. Ziel war es, Einblicke in diesen dynamischen Versorgungsbereich zu gewinnen sowie Ansatzpunkte für eine bedarfsorientierte, regional differenzierte Gestaltung und Steuerung der Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten zu identifizieren.
Methodisch wird auf das angloamerikanische Community Health Assessment und das darin integrierte Health Care Mapping zurückgegriffen. Recherchiert wurden Informationen über die soziodemografische und gesundheitliche Ausgangssituation sowie über Leistungsanbieter, die auf die Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten spezialisiert sind. Hierfür wurden Daten aus der Gesundheitsberichterstattung, frei verfügbare Register sowie Verzeichnisse von Kostenträgern und Fachgesellschaften genutzt. Die Ergebnisse wurden berichtsförmig verdichtet und unter anderem in Form thematischer Landkarten visualisiert.
Im Ergebnis zeigt sich, dass regional differenzierte Versorgungsbedarfe mangels präziser epidemiologischer Kennzahlen schwer ermittelbar sind. Auch die Recherche konkreter Daten über spezialisierte Leistungsanbieter bereitet Probleme. Beides behindert eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem Versorgungsbereich. Dennoch zeigt sich, dass Regionen wie Hof und Schwerin aufgrund ihrer sozialen und gesundheitlichen Ausgangssituation und ihrer ländlich-strukturschwachen Lage auch in der Spezialversorgung absehbar mit Sicherstellungsproblemen konfrontiert sein werden. Während es in Hof Hinweise auf Unterversorgung gibt, deutet sich in Schwerin eine Schwerpunktbildung rund um klinische Zentren an. In der Region Tübingen haben sich Cluster vorwiegend ambulanter Angebote auch jenseits von Spezialkliniken herausgebildet, wohingegen in der unübersichtlich und dicht mit Spezialangeboten ausgestatteten Metropolregion Berlin vergleichbare Muster nicht identifizierbar sind.
Trotz der schwierigen Datenlage ermöglicht die VELA-Regio Studie Einblicke in den regionalen Bedarf und die in vier Regionen vorgehaltene Spezialversorgung für invasiv langzeitbeatmete Patienten. Auf diese Weise wird ein Beitrag zur Orientierung in einem ansonsten unübersichtlichen und von hoher Entwicklungsdynamik geprägten Versorgungsbereich geleistet. Ob die Herausbildung von Spezialstrukturen für diese Patientengruppe derzeit bedarfsgerecht verläuft oder ob es sich um eine nachfrageinduzierte oder tendenziell angebotsinduzierte Entwicklung handelt, lässt sich schwer beurteilen. Notwendig wären solidere epidemiologische Daten – etwa in Gestalt von Registern – wie auch mehr Transparenz über die Zahl und Ausstattung der vorgehaltenen Spezialangebote.
Weniger anzeigenSeit den 1990er-Jahren hat sich hierzulande mit hoher Dynamik ein spezialisiertes Versorgungsangebot für invasiv langzeitbeatmete Menschen herausgebildet. Hierzu gehören Angebote in verschiedenen stationären Einrichtungen, in der eigenen Häuslichkeit oder auch in vermehrt entstehenden Wohngemeinschaften. Dieses spezialisierte und differenzierte Versorgungsangebot zu überblicken, fällt ausgesprochen schwer. Beklagt werden bundesweit uneinheitliche Versorgungsstrukturen, undurchsichtige Wege der Patienten durch das Versorgungssystem, wenig transparente und in Teilen fragwürdige Handlungspraktiken sowie ungenügende Qualitätsstandards. Vor diesem Problemhintergrund wurde von Juli 2015 bis Juni 2016 eine mehrteilige explorativ-deskriptive Studie zur Versorgungssituation invasiv langzeitbeatmeter Patienten unter regionalen Gesichtspunkten durchgeführt (VELA-Regio).
Der erste Teil dieser Studie diente der literaturgestützten Annäherung an diesen Versorgungsbereich sowie der Aufbereitung des (inter-)nationalen Stands der Literatur zur sektoren-, organisations- und professionsübergreifenden Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten. Ziel war es, eine Orientierung über die vorliegenden Erkenntnisse zur Versorgung dieser Patientengruppe zu ermöglichen und den Referenzrahmen für die Analyse der im Rahmen der VELA-Regio-Studie gewonnenen empirischen Erkenntnisse zu diesem Thema zu erarbeiten. Die kommentierte Bibliografie dokumentiert das Ergebnis dieses Arbeitspakets.
Durchgeführt wurde eine umfangreiche Literaturrecherche in einschlägigen Datenbanken im Sinne eines explorierenden Vorgehens. Eingeschlossen wurden ohne zeitliche Limitierung Übersichtsarbeiten, Meta-Analysen, randomisiert kontrollierte Studien und solche mit methodisch schwächerem Design bis hin zu (Modell-)Projektberichten. Ergänzend wurden auch Gesetze, Leitlinien, Handlungsempfehlungen, Stellungnahmen und Positionspapiere sowie graue Literatur zum Thema berücksichtigt. Die Quellen wurden in mehreren Bearbeitungsschleifen gesichtet, thematisch geordnet und übersichtsartig dokumentiert.
Insgesamt ist die Literatur zur Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten übersichtlich und zu einzelnen Themenbereichen auch lückenhaft geblieben. Allerdings ist in den letzten fünf bis zehn Jahren eine zunehmend intensivere (forschungsgestützte) Auseinandersetzung mit dieser Patientengruppe und deren Versorgungssituation erkennbar. International vergleichende Arbeiten bilden die Ausnahme, zumeist werden national oder regional relevante Themenstellungen bearbeitet. Anspruchsvollere Quellen finden sich in englischsprachigen Publikationsorganen zu einem breiten Themenspektrum, wohingegen die deutschsprachige Bearbeitung des Themas quantitativ und qualitativ begrenzt geblieben ist. Es dominieren medizinische Perspektiven – vorwiegend mit Blick auf die Behandlung invasiv beatmeter Patienten oder auf das Thema Beatmungsentwöhnung (Weaning), weniger auf das eigentliche Versorgungsgeschehen. Eine fundierte pflege- oder herapiewissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten in den unterschiedlichen Settings ist international ansatzweise, hierzulande jedoch noch kaum zu erkennen.
Die kommentierte Bibliografie bietet eine Momentaufnahme über den aktuellen Stand der Literatur zur Versorgung invasiv langzeitbeatmeter Patienten sowie Orientierung über einschlägige Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. In diesem Rahmen konnten nicht alle Quellen systematisch ausgewertet, unter Qualitätsgesichtspunkten geprüft und auf ihren Nutzen für die Auseinandersetzung hin bewertet werden. Dennoch erlaubt die Bibliografie, die im weiteren Verlauf der VELA-Regio Studie generierten empirischen Erkenntnisse zur Versorgung dieser Patientengruppe vor dem Hintergrund der (inter-)nationalen Literatur kritisch einzuordnen und sich zu ausgewählten Teilfragestellungen vertieftes Wissen systematisch erschließen zu können.
Weniger anzeigenSelbstmanagementförderung ist ein Sammelbegriff für patientenzentrierte Interventionsstrategien in der Versorgung chronisch kranker Menschen. Erstmals in den 1960er-Jahren in diesem Kontext verwendet, wurde Selbstmanagementförderung im Zeitverlauf unterschiedlich konzeptualisiert und in nahezu allen Versorgungssettings sowie bei diversen Zielgruppen angewendet. Auffallend ist, dass Menschen mit anhaltenden und wiederkehrenden psychischen Gesundheitsproblemen in den Diskussionen über Selbstmanagementförderung lange Zeit unberücksichtigt bleiben. Psychische Beeinträchtigungen wurden oft nur als Störfaktoren eines effektiven Selbstmanagements bei chronischen körperlichen Erkrankungen diskutiert. Allmählich scheint sich dies zu ändern. Vor diesem Hintergrund wurde eine umfassende Literaturanalyse durchgeführt, (1) um den Diskussions- und Forschungsstand zum Thema Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit zu kompilieren, (2) die zuvor skizzierten Entwicklungen im Diskursverlauf nachzuzeichnen und (3) den Stand der Auseinandersetzung mit Selbstmanagementförderung speziell im Mental Health Bereich zu dokumentieren. Ziel war es, Forschungsdesiderata zu identifizieren und Grundlagen für die Durchführung empirischer Untersuchungen zum Thema zu erarbeiten. Als Ergebnis der Analyse zeigt sich, dass die Selbstmanagementdebatte für den deutschsprachigen Raum noch wenig systemisch aufgearbeitet wurde. International mangelt es - trotz einer breiten und intensiv geführten Diskussion - an einem einheitlichen konzeptionellen Verständnis von Selbstmanagementförderung, weshalb unter diesem Sammelbegriff zahlreiche heterogene Interventionen mit mehr oder weniger positiven gesundheitsrelevanten Wirkungen beschrieben und diskutiert werden. Aus gesundheitspolitischer und -ökonomischer Sicht werden mit Selbstmanagementförderung Hoffnungen auf Einsparungen in der Versorgung chronisch Kranker verbunden, was das Interesse daran in Forschung und Praxis befördert hat. In den Diskussionen vernachlässigt werden vulnerable Gruppen und deren spezifischer Bedarf, darunter ethnische Minderheiten, Erkrankte aus unteren Sozialstatusgruppen und nicht zuletzt solche mit psychischen Gesundheitsproblemen. Dabei bestätigen erste Forschungsergebnisse, dass auch letztgenannte von der Förderung ihrer Selbstmanagementkompetenz profitieren können. Dringend angezeigt ist daher, die empirischen Forschungsaktivitäten zum Thema Selbstmanagementförderung für spezifische Patientengruppen oder bei psychischen Problemlagen zu intensivieren und systematisch zu verdichten. Probleme dürften sich dabei vor allem aus der unzureichenden Abgrenzung der Selbstmanagementförderung von anderen psychosozialen Interventionen ergeben. Für die konzeptionell-theoretische Diskussion zur Selbstmanagementförderung könnte sich der Recovery-Ansatz aufgrund seiner personenzentrierten Perspektive nicht allein im Mental Health Bereich künftig als hilfreiche Orientierung erweisen.
Weniger anzeigenDie klinische Kompetenzentwicklung rückt, beschleunigt durch die Akademisierung der Gesundheitsprofessionen und bevorstehende Ausbildungsreformen in Pflege und Hebammenwesen zunehmend in den Fokus des Interesses. Im europäischen Ausland gibt es bereits intensive Bemühungen um eine Systematisierung und wissenschaftliche Fundierung der klinischen Kompetenzentwicklung der Gesundheitsprofessionen. In Deutschland sind diesbezüglich weitgehende Forschungslücken anzunehmen. Ziel dieser Studie war es, anstehende Forschungsaufgaben zu beschreiben und eine Priorisierung anzustoßen, letztlich um Impulse für eine Aufnahme der Forschungsdesiderate in entsprechende Strategiepapiere zu liefern. In einer Delphi-Befragung mit einer qualitativen und zwei quantitativen Befragungsrunden wurden ExpertInnen für klinische Kompetenzentwicklung (Personen, die sich als WissenschaftlerInnen, Lehrende oder praktisch Anleitende mit klinischer Kompetenzentwicklung beschäftigen) zum Forschungsbedarf befragt. In der ersten Befragungsrunde wurden Vorschläge für mögliche Forschungsthemen oder -fragen gesammelt. Mittels inhaltsanalytischer Auswertung wurden aus den Vorschlägen 50 Befragungsitems entwickelt, die den Teilnehmenden in der zweiten und dritten Befragungsrunde in einer Online-Befragung zur Bewertung ihrer Bedeutung vorgelegt wurden. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Teilnehmenden es als besonders wichtig bewerten, begriffliche Klärungen vorzunehmen. Auch die Bestimmung der relevanten Kompetenzen wurde als grundlegendes Forschungsdesiderat eingeordnet. Weitere bedeutsame Themen für die Forschung waren für die Teilnehmenden die Aufgaben der praktisch anleitenden Akteure und deren Qualifizierung. In gleichem Maße wurde die Entwicklung personaler Kompetenz der Lernenden und die Untersuchung von Lernformen mit hoher Selbstverantwortung der Lernenden als wichtige Themen für die Forschung benannt. Widersprüchliche Ergebnisse gab es zum Thema interprofessionelles Lernen und zur Rolle der PatientInnen und ihrer Angehörigen. Koordinierte Anstrengungen sind vonnöten, um den Bedarf an Forschung hinsichtlich der klinischen Kompetenzentwicklung zukünftig zu decken.
Weniger anzeigenVor dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklungen im Gesundheitswesen und der sich verändernden Anforderungen an die beruflichen Qualifikationen wird der Vergleich des Arbeitshandelns Medizinisch-technischer Laboratoriumsassistenten (MTLA) in Deutschland und Biomedizinischer Analytiker (BMA) in der Schweiz aus subjektorientierter Perspektive vorgenommen. Der Fokus ist auf die Zusammenhänge zwischen Veränderungen von gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf die berufliche Identität gerichtet. Für die empirische Untersuchung wurden zehn Interviews mit Berufsmigranten geführt. Mittels problemzentrierter Interviews wurden offene Fragen zu den Themen: Anpassungsleistungen, Handlungsspielraum, Berufszufriedenheit, Bewertung der Zukunftschancen und gesellschaftliche Akzeptanz gestellt. Den Prinzipien der Grounded Theory folgend wurde den Befragten die Möglichkeit eingeräumt, möglichst eigenständig ihr eigenes Relevanzsystem zu entfalten. Die Interpretation der Daten erfolgte unter Einbeziehung des situativen Kontextes und ordnet sich forschungstheoretisch in den Diskurs der subjektorientierten Arbeits- und Berufssoziologie ein. Als Vergleichsbasis dienen die Berufsform und die Tätigkeitsbereiche, die sich in beiden Ländern nicht unterscheiden. Durch die hochgradige Spezialisierung und die begrenzten Arbeitsmöglichkeiten entsteht ein berufsstruktureller Engpass und es gelingt nicht, die Zahl der ausgebildeten MTLA/BMA dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. In der Schweiz wird von einem Fachkräftemangel ausgegangen. Die Akademisierung der Ausbildung führt zu einem Attraktivitätsverlust, da die Zugangsvoraussetzungen erschwert, der Berufsstatus aber nicht verbessert wurden. Die Folgen sind eine sinkende Ausbildungszahl und eine hohe Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt, die derzeit schon die Berufszufriedenheit des Einzelnen beeinträchtigen. In Deutschland wurden im Rahmen der Automatisierung massive Einsparungen im personellen Bereich vorgenommen. Dies führt zu Schwierigkeiten, an der sogenannten zweiten Schwelle einen Arbeitsplatz zu finden. Dadurch kommt es zum innerberuflichen Konkurrenzdruck, der das Arbeitsklima massiv beeinträchtigt, und zu einer Arbeitsverdichtung, welche zusätzlich den Leistungsdruck erhöht und das Tätigkeitsspektrum unter dem Aspekt der Effizienz reduziert. Den MTLA gelingt es nicht, den durch die Ausbildung eingeräumten Handlungsspielraum einzunehmen und ihre subjektiven Fähigkeiten in den Arbeitsprozess einzubringen. Die unterschiedlichen Erklärungsmuster, die zur Interpretation des berufsbiografischen Verlaufs und der erlebten Widersprüche herangezogen werden, und die dargelegten Zusammenhänge zwischen Arbeitsmarkt, Akademisierung, Arbeitsverdichtung und beruflicher Identität können zum besseren Verständnis der beruflichen Situation von MTLA in Deutschland und BMA in der Schweiz beitragen.
Weniger anzeigenKompetenz ist ein Schlüsselbegriff der (beruflichen) Bildung (vgl. z. B. Reiber, 2006). Auch in der Hebammenausbildung in Deutschland wird auf die Orientierung an Kompetenzen gesetzt, indem Kompetenzprofile entwickelt werden, die als Zielvorgaben für Curricula dienen (Pehlke-Milde 2009). Dabei handelt es sich um ein ausgesprochen schillerndes Konzept, dessen einheitliche Definition und exakte Abgrenzung von verwandten Begriffen (wie z. B. Fähigkeit) aussteht. Klieme und Hartig (2007) gehen vom Alltagsverständnis des Begriffs aus und halten fest, dass es bei Kompetenzen stets „irgendwie“ um Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft geht. Je nach Hintergrund der Autorinnen1 und je nach Zielstellung der jeweiligen Veröffentlichungen werden Kompetenzen mit unterschiedlichen Schwerpunkten beschrieben (vgl. Kap. 2). Der Rückgriff auf englischsprachige Literatur mit verwandten aber nicht immer sinngleichen Begriffen wie „competence“, „competency“, „skill“, „ability“, „capacity“ usw. vervollständigt die unübersichtliche Lage (vgl. z. B. Worth-Butler, Fraser & Murphy, 1994). Das Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft der Charité beschäftigt sich insbesondere mit klinischer Kompetenzentwicklung (Bergjan & Tegethoff, 2013), also mit der Frage, wie Lernende im klinischen Setting Kompetenzen erwerben. Dabei sind mit „klinisch“ alle Situationen gemeint, in denen mit echten oder simulierten Patientinnen gelernt wird, also auch und im Besonderen im ambulanten Bereich. Im Rahmen dieses Forschungsschwerpunktes werden auch Diplomarbeiten erstellt, die sich mit Akteurinnen im Lernprozess, mit Lehr- und Lernstrategien, mit spezifischen Lernumgebungen oder Möglichkeiten des Assessments und Feedbacks im Prozess der Kompetenzentwicklung in der Ausbildung bzw. im Studium in verschiedenen Gesundheitsberufen befassen (ebd.).
Das hier vorlegte Working Paper fasst zwei Untersuchungen zur Kompetenzentwicklung in der Hebammenausbildung zusammen, die im Rahmen von Qualifikationsarbeiten im Diplomstudiengang Medizin- und Pflegepädagogik am Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft in den Jahren 2012 und 2013 entstanden sind. Obwohl sich beide Studien mit der Kompetenzentwicklung bei Hebammenschülerinnen bzw. -studentinnen beschäftigen, können sie unterschiedlicher kaum sein. So befasst sich die erste Arbeit mit hemmenden oder fördernden Faktoren individueller Kompetenzentwicklung, während die zweite Untersuchung eine Kompetenzbeschreibung und -einschätzung im Vergleich zwischen verschiedenen Bildungsprogrammen unternimmt. Juana Sommer untersucht in ihrer Studie den Einfluss von Schmerzäußerungen der Gebärenden auf den Erwerb praktischer Untersuchungskompetenzen. Sie beschäftigt sich mit der Kompetenzentwicklung einzelner Hebammenschülerinnen und mit ihren Lernstrategien. Dabei wird ein qualitatives Verfahren mittels narrativer Interviews verwendet, das das individuelle Verständnis der Lernenden exploriert. Die Studie von Silvia Hepprich untersucht den Kompetenzerwerb im Bereich edukativer Maßnahmen (Aufklärung, Beratung, Anleitung) im Vergleich zwischen der Ausbildung zur Hebamme und dem Bachelorstudium Hebammenkunde. Hier geht es also um die übergeordnete Ebene von Bildungsprogrammen, weniger um einzelne Individuen. Die Untersuchung ist quantitativ angelegt: es werden Fragebögen verwendet, die die Selbsteinschätzung der Lernenden bezüglich ihrer Kompetenzentwicklung in den unterschiedlichen Bildungsgängen erfassen. Der besseren Übersicht halber sind die Teile der beiden Arbeiten, die sich mit grundsätzlichen Überlegungen zur Kompetenz, Kompetenzentwicklung und Kompetenzeinschätzung beschäftigen, in dieser Veröffentlichung zu einem Kapitel (2) zusammengefasst. An diesen gemeinsamen Teil schließen sich die beiden Studien in den Kapiteln 3 und 4 an. Im Ausblick werden aus dem aktuellen Stand der Forschung zu hebammenrelevanten Themen Forschungsdesiderate entwickelt (5).
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