Kompetenz ist ein Schlüsselbegriff der (beruflichen) Bildung (vgl. z. B. Reiber, 2006). Auch in der Hebammenausbildung in Deutschland wird auf die Orientierung an Kompetenzen gesetzt, indem Kompetenzprofile entwickelt werden, die als Zielvorgaben für Curricula dienen (Pehlke-Milde 2009). Dabei handelt es sich um ein ausgesprochen schillerndes Konzept, dessen einheitliche Definition und exakte Abgrenzung von verwandten Begriffen (wie z. B. Fähigkeit) aussteht. Klieme und Hartig (2007) gehen vom Alltagsverständnis des Begriffs aus und halten fest, dass es bei Kompetenzen stets „irgendwie“ um Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft geht. Je nach Hintergrund der Autorinnen1 und je nach Zielstellung der jeweiligen Veröffentlichungen werden Kompetenzen mit unterschiedlichen Schwerpunkten beschrieben (vgl. Kap. 2). Der Rückgriff auf englischsprachige Literatur mit verwandten aber nicht immer sinngleichen Begriffen wie „competence“, „competency“, „skill“, „ability“, „capacity“ usw. vervollständigt die unübersichtliche Lage (vgl. z. B. Worth-Butler, Fraser & Murphy, 1994). Das Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft der Charité beschäftigt sich insbesondere mit klinischer Kompetenzentwicklung (Bergjan & Tegethoff, 2013), also mit der Frage, wie Lernende im klinischen Setting Kompetenzen erwerben. Dabei sind mit „klinisch“ alle Situationen gemeint, in denen mit echten oder simulierten Patientinnen gelernt wird, also auch und im Besonderen im ambulanten Bereich. Im Rahmen dieses Forschungsschwerpunktes werden auch Diplomarbeiten erstellt, die sich mit Akteurinnen im Lernprozess, mit Lehr- und Lernstrategien, mit spezifischen Lernumgebungen oder Möglichkeiten des Assessments und Feedbacks im Prozess der Kompetenzentwicklung in der Ausbildung bzw. im Studium in verschiedenen Gesundheitsberufen befassen (ebd.).
Das hier vorlegte Working Paper fasst zwei Untersuchungen zur Kompetenzentwicklung in der Hebammenausbildung zusammen, die im Rahmen von Qualifikationsarbeiten im Diplomstudiengang Medizin- und Pflegepädagogik am Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft in den Jahren 2012 und 2013 entstanden sind. Obwohl sich beide Studien mit der Kompetenzentwicklung bei Hebammenschülerinnen bzw. -studentinnen beschäftigen, können sie unterschiedlicher kaum sein. So befasst sich die erste Arbeit mit hemmenden oder fördernden Faktoren individueller Kompetenzentwicklung, während die zweite Untersuchung eine Kompetenzbeschreibung und -einschätzung im Vergleich zwischen verschiedenen Bildungsprogrammen unternimmt. Juana Sommer untersucht in ihrer Studie den Einfluss von Schmerzäußerungen der Gebärenden auf den Erwerb praktischer Untersuchungskompetenzen. Sie beschäftigt sich mit der Kompetenzentwicklung einzelner Hebammenschülerinnen und mit ihren Lernstrategien. Dabei wird ein qualitatives Verfahren mittels narrativer Interviews verwendet, das das individuelle Verständnis der Lernenden exploriert. Die Studie von Silvia Hepprich untersucht den Kompetenzerwerb im Bereich edukativer Maßnahmen (Aufklärung, Beratung, Anleitung) im Vergleich zwischen der Ausbildung zur Hebamme und dem Bachelorstudium Hebammenkunde. Hier geht es also um die übergeordnete Ebene von Bildungsprogrammen, weniger um einzelne Individuen. Die Untersuchung ist quantitativ angelegt: es werden Fragebögen verwendet, die die Selbsteinschätzung der Lernenden bezüglich ihrer Kompetenzentwicklung in den unterschiedlichen Bildungsgängen erfassen. Der besseren Übersicht halber sind die Teile der beiden Arbeiten, die sich mit grundsätzlichen Überlegungen zur Kompetenz, Kompetenzentwicklung und Kompetenzeinschätzung beschäftigen, in dieser Veröffentlichung zu einem Kapitel (2) zusammengefasst. An diesen gemeinsamen Teil schließen sich die beiden Studien in den Kapiteln 3 und 4 an. Im Ausblick werden aus dem aktuellen Stand der Forschung zu hebammenrelevanten Themen Forschungsdesiderate entwickelt (5).