Im vorliegenden Aufsatz beobachte ich, dass sich die Geschichtsschreibung der Geistes- und Sozialwissenschaften unterscheidet von jener der Naturwissenschaften und schlage eine dreifach gegliederte Typologie dieser spezifischen Entwicklung vor. Im Anschluss frage ich nach den Ursprüngen der genannten Ansätze und untersuche drei Hypothesen: a) die Geistes- und Sozialwissenschaften unterscheiden sich so sehr von den ‚exakten‘ Wissenschaften, dass es unmöglich ist, sie mit Konzepten und Methoden verstehen zu wollen, die aus der Geschichtsschreibung der Naturwissenschaften hervorgegangen sind. b) die Untersuchungsobjekte ändern sich weniger als die Betrachtungsweisen. Nicht unterschiedliche Objekte sondern unterschiedliche Identitäten und Ziele der Historiker/innen bedingen also die abweichenden Geschichtsschreibungen. c) Weder die Untersuchungsobjekte noch die Historiker/innen in den beiden Bereichen differieren voneinander, sondern ihre je spezifische Beziehung zueinander ist ausschlaggebend für die profunden Unterschiede.
Weniger anzeigenIn diesem Artikel frage ich nach der theoretischen und methodologischen Tragweite einer Kombination von Begriffsgeschichte und Pierre Bourdieus Habitus- und Feldtheorie. Der Ansatz wird am Beispiel eines Definitionsversuchs völkischen Denkens in der deutschen Prähistorie ausgelotet. In dieser theoretischen Perspektive sind Denkhaltungen auf der semantischen Ebene mit historischen Ereignissen und Prozessen im sozialen Raum, das heißt in diesem Fall im wissenschaftlichen Feld, verknüpft. Auf der einen Seite kann dadurch gezeigt werden, dass völkische Elemente zur Entwicklung der prähistorischen Archäologie als selbständiges Forschungsfeld gehörten. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass rassistisches und völkisches Denken das Resultat einer Heteronomisierung der Prähistorie war, die sich während des NS-Regimes massiv verstärkte, als deutsche Prähistoriker versuchten, mit Hilfe einer Zusammenarbeit mit NS-Politikern ihren Forschungsbereich akademisch zu etablieren.
Weniger anzeigenDie Frage, inwieweit sich Historiker literarischer Techniken bedienen und ob die Erklärungs- und Überzeugungskraft ihrer Darstellungen auf vorgegebenen narrativen Strukturen basiert, ist von Geschichtstheoretikern und Historiographiehistorikern der letzten Jahrzehnte viel diskutiert worden. Entsprechend hat sich die Untersuchung historiographischer Werke mit literaturwissenschaftlichen Methoden zu einem komplexen und zunehmend verwirrenden Feld entwickelt. Es gibt freilich keinen Grund zu glauben, narrative Strukturen seien in der Archäologie von geringerer Bedeutung. Trotzdem sind narratologische Überlegungen erst in den letzten Jahren auch auf die Geschichte der Archäologie angewendet worden. Der Nutzen dieser Ansätze lässt sich besonders gut am Beispiel archäologischer Wanderungserzählungen aufzeigen. Weil diese Darstellungen in der Regel weite Zeiträume abdecken und verschiedene historische Akteure und Räume zusammenfassen, greifen Archäologen auf spezifische Erzählstrategien zurück, um ihre Fakten zu sortieren und in mehr oder weniger kohärente Geschichten zu transformieren.
Weniger anzeigenDieser Aufsatz behandelt das Phänomen des ‚kolonialen Archäologen als Helden‘ aus historischer und postkolonialer Perspektive. Im Zentrum stehen (auto-)biographische Erzählungen über die akademischen Laufbahnen der niederländischen Prähistoriker Van Stein Callenfels, Van Heekeren und Van der Hoop. Wir erörtern die Rolle der drei kolonialen Archäologen, die nach herkömmlicher Geschichtsschreibung in den 1920er und 1930er Jahren die prähistorische Vergangenheit Indonesiens ‚entdeckten‘. Unser Ziel ist ein besseres Verständnis der kolonialen Dimension der Vorgeschichtsforschung in Niederländisch-Ostindien und deren Auswirkungen auf die Archäologie Indonesiens in postkolonialer Zeit. Wir fokussieren auf die kulturellen und sich dynamisch verändernden Kontexte und Praktiken, in welchen die archäologische Forschung stattfand und zeigen, dass bei der Herstellung archäologischen Wissens verschiedene Formen indigener Beteiligung wichtig waren.
Weniger anzeigenIn diesem Beitrag wird die moderne Siedlungsarchäologie als eine Art ‚Experimentalsystem‘ analysiert, das durch technische Mittel neue ,Wissensobjekte‘ generiert. Die Produktivität einer solchen Perspektive wird durch die genauere Betrachtung der Entwicklung der modernen Siedlungsarchäologie in Deutschland im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert veranschaulicht. Die Wissensobjekte, die dieses Forschungsfeld konstituieren, existierten nicht von Anfang an, sondern entwickelten sich sukzessive aus der feldarchäologischen Praxis. Während dieses ‚experimentellen‘ Prozesses wurden Feldbeobachtungen mit Beobachtungen aus mehr oder weniger entfernten Kontexten mitunter in einer ziemlich unsystematischen Art und Weise miteinander verknüpft. Eines der komplexeren Wissensobjekten, das die moderne Siedlungsarchäologie geschaffen hat, ist der so genannte ‚Fürstensitz‘ der mitteleuropäischen Eisenzeitforschung.
Weniger anzeigenIn diesem Artikel soll die Anwendung der Radiokarbondatierung in der Archäologie neu untersucht werden, basierend auf ihrer Entwicklung während der Erforschung der Schweizer Seeufersiedlungen zwischen 1950 und 1970. Ziel ist es zu erklären, warum die Archäologen die durch diese Methode gewonnenen Resultate zunächst nicht akzeptieren konnten. Zwei Schlüsselfragen leiten die Untersuchung: Die erste fragt nach dem disziplinären Kontext, der die Rezeption von 14C unter Prähistorikern beeinflusste. Die zweite bezieht die methodologischen Aushandlungen über C14 und der damit verbundenen Methode der Dendrochronologie mit ein. Während sich C14 und Dendrochronologie seit den 1960er Jahren im Kalibrationsprozess ergänzten, lieferte die Dendrochronologie darüber hinaus Einzeldaten, die gerade im Bereich der Pfahlbauten mit ihrer guten Holzerhaltung der C14-Datierung rasch Konkurrenz machten. Tatsächlich hing diese Konkurrenz mit den unterschiedlichen Arten der Datengewinnung und Zeitmessung zu tun.
Weniger anzeigenDer Artikel untersucht die Bedeutung von sozialen Netzwerken in der Geschichte der Archäologie. Im Rückgriff auf biographische und prosopographische Ansätze soll eine geeignete Methode zur Untersuchung der Entwicklung des Fachs herausgearbeitet werden und eine Alternative zu den traditionellen Erzählungen in der Archäologiegeschichte. Anhand einer Fallstudie über die miteinander verbundenen politischen und archäologischen Netzwerke in den frühen britischen Mandaten Palästina und Transjordanien werden allgemeine Kategorien für die Interpretation und Visualisierung von sozialen Netzwerken diskutiert. Die Analyse sozialer Netzwerke gibt Einblick in den historischen Kontext archäologischer Arbeit und erlaubt es, die Rollen von Männern und Frauen, Politikern, Soldaten, Künstlern, Architekten und Sponsoren bei der Ausgrabung, Interpretation, Präsentation und Rezeption von Archäologie zu untersuchen.
Weniger anzeigenDer Aufsatz zeigt, dass in staatlichen Administrationen angewendete Verfahren der Beobachtung und der Aufzeichnung auf zufällige Weise in die Forschungspraktiken verschiedener Wissenschaften eingingen, so auch in die Archäologie. Rundschreiben oder Fragebögen, Bestandslisten und Berichte, das französische Modell medizinischer Post-mortem-Untersuchungen sowie Verfahren, die Topographen, Piloten und Militäringenieure verwendeten, gingen aus der bürokratischen in die wissenschaftliche Praxis über. Die archäologischen Objekte, die in die Sammlungen kamen, waren somit (wissenschaftlich) aufbereitet mittels Verfahren, die ursprünglich für die staatliche Verwaltung, die Konstruktionstechnik oder die Wirtschaft entwickelt worden waren.
Weniger anzeigenDieser Beitrag setzt sich mit den historischen Kontroversen um die sogenannten Eolithen auseinander: Waren diese sehr rudimentär abgeschlagenen Steine aus europäischen Tertiärschichten tatsächlich das Resultat menschlicher Arbeit? Der Fokus ist auf die narrativen, visuellen und räumlichen Argumente einiger Eolithen-Verfechter gerichtet. Eine wirkmächtige Strategie war die Integration der vermeintlichen Werkzeuge in geologische, archäologische und paläoanthropologische Serien, um damit an etabliertes Wissen und an die kulturelle Bedeutung des Seriellen anzuschließen. Zuvor mussten die Feuersteine jedoch in Transkriptionskaskaden von Objekten in situ in Zeichnungen und serielle Abbildungen in Publikationen übersetzt werden, um schließlich den Abstraktionsgrad von Elementen in hoch formalisierten Tabellen einander gegenübergestellter Serien zu erreichen. In meiner Diskussion nehme ich diese Aspekte der Wissensgenerierung im Transit zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften, Räumen und Medien ins Visier.
Weniger anzeigenAusgehend von Entwicklungen in der Geschichtsschreibung von Natur- und Geisteswissenschaften wird seit vielen Jahren auch eine veränderte Historiographie der Archäologie(n) gefordert und die Abkehr von Hagiographie und Darstellungen wissenschaftlicher Prozesse als unvermeidlichem Fortschreiten. Archäologiehistoriker/innen nutzen bewährte und neue historiographische Konzepte und Instrumente, um zu untersuchen, wie archäologisches Wissen erworben wurde, und um die historischen Bedingungen und Kontexte der archäologischen Wissensgenerierung zu reflektieren. Zu diesem Trend will der vorliegende Band beitragen. Die Autorinnen und Autoren verknüpfen Theorien und Modelle mit Fallstudien aus dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, um Auswirkungen von Kommunikation auf den archäologischen Wissensprozess zu beleuchten und Routinen früher archäologischer Praktiken zu hinterfragen. Überprüft wird auf diese Weise der Nutzen verschiedener Ansätze wie narratologischer Konzepte oder des Habituskonzepts.
Weniger anzeigenWriting the history of archaeology has become increasingly diverse in recent years due to developments in the historiography of the sciences and the humanities. A move away from hagiography and presentations of scientific processes as an inevitable progression has been requested in this context. Historians of archaeology have begun to utilize approved and new historiographical concepts to trace how archaeological knowledge has been acquired as well as to reflect on the historical conditions and contexts in which knowledge has been generated. This volume seeks to contribute to this trend. By linking theories and models with case studies from the nineteenth and twentieth century, the authors illuminate implications of communication on archaeological knowledge and scrutinize routines of early archaeological practices. The usefulness of different approaches such as narratological concepts or the concepts of habitus is thus considered.
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