Um auf den Spuren des körperlichen-in-der-Welt-Seins als fungierenden Körper (Körper-Sein) und als Körper Ding (Körper-Haben) in Rousseaus Werk gehen zu können und darüber hinaus diesen Autor als postcartesianisches Symptom der "Wiederkehr des Körpers" (Kamper/Wulf 1982) zu betrachten und zu behandeln, muß man vier bestimmende und prägende Aspekte seines Lebens, Werkes und Denkens in Betracht ziehen, nämlich, die Natur, das Empfindungsvermögen, die Einbildungskraft und die Gesellschaft. Gerade die Bezugsnahme zwischen diesen Aspekten und ihrer Durchkreuzung schaffen theoretische und erfahrungsbezogene Situationen bei Rousseau, die häufig auf das körperliche-in-der-Welt-Sein in seinen Dimensionen als fungierenden Körper und als Körper Ding verweisen. Die neu enstandene Gesellschaft, an der Rousseau teilgenommen hat, ist vor allem als Gesellschaft des Scheins zu charakterisieren, in der der Körper eine sehr wichtige Rolle als Mittel fur die Differenzierung gegenüber anderen sozialen Schichten (die Aristokratie und das Volk) übernimmt. Aus dieser Situation heraus ergeben sich in dieser Gesellschaft des Scheins zwei repräsentative, prototypische Körper: ein strahlender Körper, der zu zeigen ist und ein miasmatischer Körper, der zu verstecken ist. Rousseau als Mensch mußte am eigenen Leib diese neuen durchsetzten sozialen Bedingungen erleben und erleiden. Seine Stelle in der Geschichte ist deswegen exemplarisch, aber auch widersprüchlich, weil er einerseits mit seinen Ideen zur Durchsetzung und Konsolidierung der neuen sozialen Schichten beitrug, aber andererseits darunter tief leiden mußte, und deswegen nahm er im Leben und Denken auch eine kritische Haltung gegenüber dieser Gesellschaft ein, die ihn allmählich zur Isolierung und Entfernung von der jeweiligen Gesellschaft führte. Wichtig ist aber, daß Rousseau gerade aufgrund dieser Situation des Unbehagens und der entsprechenden responsiven persönlichen Haltung neue Dinge erleben und Reflexionsräume schaffen konnte, die in einer Art und Weise auf die Körperlichkeit bezogen waren. Die Lebendigkeit des Körpers und die Welt der Gefühle werden so zu etwas Bestimmendem für sein konkretes persönliches Leben, aber auch für die Reflexion, die Imagination und Kenntnisgewinnung. In dieser Weise und im Gegensatz zu Descartes entwickelte Rousseau einen von der Körperlichkeit -die Welt der Gefühle- beeinflußten und an ihr orientierten Modus der Reflexion. Während Descartes den Körper im strikten Sinne als ein von der "desengagierten" und "entkörperlichen" Vernunft gesteuerten Automaten begreift, geht Rousseau von einem res sensible aus, dessen Beschaffenheit nicht doppelt, sondern zusammengesetzt ist. Dieses res sensible hat zwar eine Seele, aber sie fungiert als Potenz, als bewegende Kraft. Rousseau geht in dieser Weise über das Problem des abstrakten "ich denke" zum Problem des konkreten "ich kann" -der Handlungsfähigkeit- hinaus. Während für Descartes die Selbstgewißheit sich aus einem Akt der "entkörperlichen" Vernunft ergibt, ist für Rousseau diese körperbezogen, d.h. sie gründet sich auf das situierte Empfindungsvermögen, auf die Möglichkeit und Fähigkeit zu fühlen und sich und die Welt fühlen zu können. Das res sensible ist als "Leib" zu verstehen, d.h. als Hier und Jetzt, als Ort der Empfindungen, der Erfahrung mit der Welt, als Bedingung der Möglichkeit für eine weltoffene Existenz und als Vermittler der Beziehung zur Welt, zu den Dingen und zu den anderen Menschen. Der Körper erscheint auch als Bedingung der Möglichkeit für die Entstehung des Sozialen und als eine der wesentlichen Referenzpunkte für die Kritik an der Gesellschaft des Scheins. All dies macht Rousseau zum Vorläufer einer pädagogischen Anthropologie des "embodiments", die nicht nur "von unten" anfängt, sondern auch den Körper als Referenzpunkt nimmt, um über das Selbst und die Gesellschaft theoretisieren -kritisieren zu können. Rousseaus pädagogische Anthropologie des Körpers bewegt sich zwischen Disziplinierung, Rationalisierung, Potenzierung, Erweiterung der Horizonte und Vermehrung der Möglichkeiten. Rechnet man dabei aber auch mit der Perfektibilität, der Freiheit und der Nicht-Festigkeit der Gesellschaft, dann gewinnen vor allem die letzten drei an Priorität.
In order to follow the trails of the corporeal-being-in-the-world by Rousseau and to treat this author as a postcartesian symptom of the "return of the body" (Kamper/Wulf 1982) it is important to take into account four determining aspects in his life, thought and work: the nature, the sensibility, the imagination and the society. Those aspects create practical and theoretical situations in which the corporeal-being-in-the-world appears as a lived body and as a thing body. As a person Rousseau had to live and suffer in his on himself the new social conditions of this period. Due to this uneasyness and discontent Rousseau was able to experience new things and to create spaces of reflection which were related with the corporality. The vitality of the body and the world of the feelings became very important for his own personal life and also for the imagination and for the obtention of knowledge. In contrast to Descartes, Rousseau developes a way of reflection linked and oriented to the corporality (feelings, nature, and sensibility). Unlike as Descartes and his "desengagierte" and "non-corporeal" reason, Rousseau starts from a res sensible, whose constitution is compound. This res sensible can be regarded as potential, as a moving force. In this way Rousseau comes to the concrete problem of the corporeal "I can" (action) and leaves sideways the problem of the abstract "I think". Self-consciousness is then for Rousseau a corporeal being's act. The res sensible is the place of our feelings, a Here and Now which opens ourselves and mediates our relation with the world. Under this view the body appears as condition of possibility of the social and as point of reference in order to criticizing the society. In this way Rousseau promotes for the first time an anthroplogy of the "embodiment" which begins "from below".