Das Konzept des Seelengefährts, das bereits von Platon und zuvor von Parmenides konzipiert wurde, ist für die philosophische Selbstverständigung von der Antike bis in die frühe Au lärung und darüber hinaus die moderne Esoterik von zentraler Bedeutung.
Sein veranschaulichendes Potenzial reicht von der Erkundung der Möglichkeiten der Kommunikation zwischen eigentlich klar voneinander geschiedenen ontologischen Räumen – dem des Unsto ich-Göttlichen einerseits und dem des Sto ich-Irdischen bzw. menschlich Seelischen andererseits – bis hin zu natur philosophischen Entwürfen zur Erklärung des Phänomens der Elektrizität. Immer wieder wurde es von so unterschiedlichen Denkern wie z. B. Plutarch, Bernardus Silvestris, Kepler, Suarez oder Christian Wolf herangezogen, um das Problem der Einwirkung des Intelligiblen und Göttlichen auf die menschliche Seele oder die irdische Natur zu erklären. Es motivierte Dichter wie Traherne oder Donne zu literarischen Inszenierungen sympathetisch-aitherischer Leiblichkeit und deren eschatologischen Implikationen. Diesem zentralen und spannungsvollen Themenspektrum in seiner historischen wie thematischen Kontinuität nähern sich die Autor*innen dieses Bandes aus interdisziplinär verschränkter Perspektive, die zudem eine innovative, künstlerische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten des Licht(-leib)es umfasst.
Weniger anzeigenDer Beitrag untersucht einige verstreute Bemerkungen in den Texten mittelplatonischer Autoren, insbesondere in den Moralia Plutarchs von Chaironea, die möglicherweise Hinweise auf das Konzept des Seelenwagens enthalten. In mindestens zwei seiner platonisch inspirierten Schlussmythen (in den Schriften De sera numinis vindicta und De genio Socratis) finden wir Vorstellungen und Motive im Zusammenhang mit Natur und Gestalt der menschlichen Seele, die nicht ohne Weiteres aus Plutarchs Quellen erklärt werden können. Charakter und Funktion dieser Stellen lassen eine Tradition erahnen, die lange vor den systematischen Entwürfen der Neuplatoniker eine Theorie des Seelen-wagens kannte, die starkmythische Züge trug. Aufgearbeitet werden soll, mit anderen Worten, die weitest-gehend unerforschte Geschichte des Seelengefährts zwischen Platon und den Neuplatonikern.
Weniger anzeigenDas pneumatische ochema spielt für Proklos eine wesentliche Rolle bei ethischen Fragestellungen wie der nach der richtigen Lebensweise. Dies wird deutlich aus seinen Ausführungen zu der Vorstellung von Seelengerichten, die über die Lebensweise der Menschenurteilen, und Transmigration, also Seelenwanderung und Wiedergeburt von Seelen, bei denen es Proklos vor allem um Konzepte wie Individualität und Affizierbarkeit der Seele geht. Diese Affizierbarkeit besteht jedoch nicht allein nach dem körperlichen Tod, sondern auch während des Lebens, wofür Proklos einen weiteren Begriff verwendet, nämlich den der zoe. Häufig verwendet Proklos den Begriff der zoe auch in Verbindung mit dem Seelenleib, dem ochema. In diesem Beitrag soll einerseits der Zusammenhang zwischen ochema und zoe, andererseits das Verhältnis der anzustrebendenden philosophischen zoe zu theurgischen Praktiken untersucht werden.
Weniger anzeigenDer Beitrag thematisiert eine Schnittstelle zwischen neuplatonischen Konzeptualisierungen des Spiritus phantasticus und christlichen Vorstellungen einer spezifischen Leiblichkeit und doch nicht materiell-korporalen Verfasstheit des Auferstehungsleibes bzw. des sogenannten Glorienleibes. In der Frühscholastik formiert sich eine Verflechtung von Seelenkonzepten, innerhalb derer die Mittlerstellung der anima imaginativa als quasi-korporale, luzide, spirituale Instanz in den Fokus rückt, um sowohl die innerweltlichen mentalen Prozesse einer spiritualen Schau als auch überwelt-liche Modi einer spiritualen Geistigkeit der Individualseele zu bestimmen. Das Konzept der anima phantastica wird zu einem nachhaltig wirksamen Vermittlungsmodell von Seelenwagenvorstellungen und Imaginationsleistungen neuplatonischer Provenienz mit christlichen Modellierungen eines transfigurierten Glorienleibes.
Weniger anzeigenWilhelm von Conches und andere Naturphilosophen beschäftigen sich im frühen 12. Jh. wiederholt mit dem graduellen Übergang von der Immaterialität zur sinnlichen-stofflichen Materialität im Konzept der Vereinigung von Körper und Seele, insbesondere im Zusammenhangmit dem platoni-schen tertium genus der Hyle/Silva sowie der christlichen Vorstellung von einer feinstofflichen Leiblichkeit. In beiden Fällen geht es um eine liminale Materialität im Prozess der Ver- und Entstofflichung. Historisch bedeutsam ist der Rückgriff auf die Elementenlehre; so wird z. B. durch Verfahren der Verfeinerung ein Punkt jenseits des Elements ‚Feuer‘ erreicht, an dem nicht klar ist, ob es sich noch um Materie oder schon um einen verstofflichten Bereich der immateriellen Intelligi-bilität handelt. Diese experimentelle Denkrichtung sollte mit der Dominanz der aristotelischen Philosophie schnell wieder in Vergessenheit geraten.
Weniger anzeigenDer Beitrag wendet sich dem Konzept des Seelenwagens bei Ficino zu. Auf der Grundlage einer Darstellung der Lehre vom ochema in der Entwicklung von Platon bis Proklos werden differenziert die Bedeutungen interpretiert, die diese Metapher im Werk Ficinos übernehmen kann. Der Text stellt zunächst die weit verbreitete Bedeutung des ochemas dar als eines Kontakt- und Transaktions-raumes zwischen zwei unterschiedlichen Seinsbereichen, d.h. zwischen der unstofflich-intelligiblen Seele und ihrem stofflichen Körper sowie dessen Vollzügen. In dieser Funktion besitzt das ochema bereits eine multifunktionale Position als Medium von Tätigkeiten, die aus dem Intelligiblen in das Stoffliche vermittelt werden. Im Anschluss daran wird im Text Ficinos singulärer Gebrauch der Metapher vom Seelengefährt als einem vierspännigen Streitwagen untersucht, der den seelischen Möglichkeitsraum der Verschränkung von geistiger Selbstentfaltung mit geistigem Selbstbezug versinnbildlichen soll. Damit verschiebt sich die Bedeutung des Konzeptes vom ochema von der biologisch-kosmologischen Perspektive auf eine mental-intellektuelle und gewinnt in der neuplatonischen Seelenlehre einen neuen Aspekt hinzu. Das ochema dient in diesem Fall nämlich dazu, das Vermögen der Vernunftseele zu Selbstrealisierung und reflexiver Einheit in seiner Breite und Tiefe sowie die sich dabei entwickelnde Spannung der metaphysischen Bewegungen von Entfaltung und Rückwendung auch topologisch-dynamisch zu veranschaulichen.
Weniger anzeigenDieser Beitrag untersucht Keplers Weltharmonik mit Blick auf das Leib-Seele-Verhältnis sowie die Auferstehung. Bei Kepler sind Körper und Seele nicht so stark voneinander getrennt, dass es der Vermittlung bedürfte. Trotzdem gibt es Ähnlichkeiten zu Theorien des Seelenleibs: Die in Keplers Werk Harmonices Mundi entworfene Weltenharmonie findet ihre Entsprechung in der Beschreibung der Seelenharmonie. Eine wesentliche Rolle spielt beim Auffinden der Harmonie in der imperfekten materiellen Welt die Seelentätigkeit. Keplerfragt danach, wie die Seele, die doch der Sitz des Immateriellen ist, durch die Sinnesorgane Entitäten aufnimmt, die mit Materie verbunden sind. Hierbei geht es vor allem um mathematische und geometrische Begriffe, die Kepler als Bindeglied zwischen den Sinnesdingen und der von den Sinnesdingen losgelösten Harmonie versteht. Intensiv setzt sich Kepler mit Platons und Proklos’ Ausführungen zur Seelenlehre auseinander. Für Kepler geht es dabei auch um die Verbesserung der heidnischen Seelenlehre und die Vereinbarung mit christlichen Vorstellungen, wobei er Platons Timaios als Kommentar zum 1. Buch Moses sieht. Deutlich wird an der Auseinandersetzung mit Keplers Thesen, welcher philosophischen Bedingungen und Konstellationen das OchÄ“ma-Konzept bedarf, um in der Seelenlehre eine prominente Rolle als Raum bzw. Ort meta-physischer Transaktionen zu finden, und an welchen Konstellationen es eine systematisch motivierte Begrenzung und Transformation erfährt.
Weniger anzeigenSeit den Kirchenvätern war die körperliche Auferstehung ein notwendiger Bestandteil der christlichen Eschatologie. Übereinstimmend hatte die Kirche gelehrt, dass die Seele gemeinsam mit ihrem Körper im Jenseits belohnt oder bestraft werden sollte. Doch welche Gestalt sollte dieser neue Körper annehmen, der zugleich derselbe alte Leib in seiner Essenz und Kontinuität bleiben musste? Wie ihre mittelalterlichen Vorgänger schenkten auch die Jesuiten viele Quästionen ihrer Cursus theologici diesem Sonderfall des Leib-Seele-Problems. Wie war sinnliche Wahrnehmung denkbar, wenn Veränderungen in einem vollkommenen Leib ausgeschlossen waren und zugleich jedes Medium fehlte? Wie ließen sich die in der christlichen Tradition überlieferten Eigenschaften des auferstandenen Körpers, agilitas, claritas, subtilitas und impassbilitas, erklären und mit der zeitgenös-sischen Physik in Einklang bringen? Die Studie wählt Francesco Suárez, Adam Tanner und Rodrigo Arriaga als Beispiele einer ausgreifenden Debatte um den Glorienleib im Jesuitenorden.
Weniger anzeigenIn diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, die Gedichte der Psychodia Platonica des Cambridger Platonikers Henry More vor dem Hintergrund ritueller, theurgischer Texte des spätantiken Neuplatonismus zu verstehen, um sich auf diese Weise der zentralen Rolle, die der aitherische Seelenleib (ochema) als Inspirationsmedium für diese Dichtung spielt, hermeneutisch anzunähern. Als rituell-performativer Text theurgischer Qualität thematisiert die Psychodia Platonica nicht nur metaphysisch-theologische Inhalte, sondern nutzt diese und ihre sprachliche Gestalt zugleich, um zu einer spirituellen Veränderung bei den Rezipierenden anzuleiten.
Weniger anzeigenDer Beitrag befasst sich mit poetischen Vorstellungen vom Seelenleib in der englischen Dichtung des 17. Jahrhunderts. Am Beispiel von Gedichten Trahernes über die pränatale Verfasstheit der Seele, Donnes über ihr postmortales Leben und Crashaws über ihre leibhafte Kommunikation mit dem Göttlichen in der Gegenwart wird auf dem Hintergrund der antiken Diskussion und im Kontext zeitgenössischer philosophischer und theologischer Diskurse gezeigt, welcher Art diese Entfaltungen des ochema sind, wie sie das philosophische Konzept modellieren und zur Erfahrung bringen. Leitend ist dabei die Beobachtung, dass der Seelenleib selbst die Struktur einer Metapher hat. Daher erscheint das Medium der Metaphysical Poetry besonders gut zu seiner Präsentation geeignet: Die Texte weisen die strukturelle Poetizität des ochema auf, indem sie es in Metaphern seelenleiblicher Metaphorik imaginieren.
Weniger anzeigenWenn Licht auf einen Gegenstand trifft, hängt es von der Beschaffenheit des Gegenstands ab, wie sich das Licht verhält, ob es sich bricht, reflektiert wird oder durch den Gegenstand hindurchgeht. In philosophischen Zusammenhängen wird die Wirkweise des Lichts häufig in metaphorischer Weise dafür herangezogen, Erkenntnisprozesse zu beschreiben. Antike und neuzeitliche Vorstellungen davon, wie Seele und Körper zusammenhängen, bei denen es u. a. darum geht, wie Erkennen und Wahrnehmen zusammenhängen, nehmen häufig Analogie und Bilder der Wirkweise von Licht auf. Die Thematik der Beschaffenheit von Licht, wie sie in den Installationen verarbeitet wurde, sollte ein anderes Nachdenken über die Rolle des Seelenleibs, der zwischen Materialität und Immaterialität steht, anregen und ermöglichen. Der Prozess der Auseinandersetzung mit der Thematik von Seelen-leib und Lichttheorien in der Antike, der in der Vorbereitung der Installationen geleistet wurde, wie auch die Installationen selbst sind dabei Beispiele für künstlerisches Forschen.
Weniger anzeigenIn meinem Beitrag geht es um die Frage, wie die platonischen-neuplatonischen und frühneuzeitlichen Vorstellungen eines Ätherleibs, der medizinischen spiritus-Theorie und deskosmischen Äthers im 18. Jahrhundert transformiert wurden. Im Vordergrund steht die an Leibniz’ Philosophie angelehnte Materietheorie Christian Wolffs, der u. a. neuere neurophysiologische Erkenntnisse, aber auch alchemische Traditionen und Mutmaßungen zur Frage der elektrischen Materie in sein Konzept der flüssigen Materie integriert hat. Der Begriff der flüssigen Materie fungiert als Oberbegriff, der alle schnellen, volatilen und subtilen Materien unter sich fasst. Dazu gehören auch der Äther und das Nervenfluidum.
Weniger anzeigenPlatons Verwendung des ochema als Seelenwagen hat die weitere Begriffsgeschichte nachhaltig geprägt. Zentral dabei sind die ontologisch gleichsam liminale (Pseudo-)Stofflichkeit des Seelengefährts in ihren unterschiedlichen Feinheitsgraden und seine Funktionen, die in diversen metaphysischen, naturphilosophischen, epistemologischen und theologisch-soteriologischen Kontexten ausführlich diskutiert werden. Diese Debatten werden in den Texten des vorliegenden Sammelbandes aus vielen Perspektiven – u. a. Gräzistik, Mittellateinischer Philologie, Anglistik, Philosophie und Philosophiegeschichte sowie Lichtkunst/künstlerischer Forschung – aufgenommen und in ihren genuin differierenden Verwendungszusammenhängen, aber auch in ihren von der Antike bis in die Frühaufklärung (und darüber hinaus) reichenden Kontinuitäten interdisziplinär reflektiert.
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