Kaum ein Instrument erlebte im späten 18. und schließlich Anfang des 19. Jahrhunderts eine so fulminante Zunahme seiner Wertschätzung in Europa wie das Klavier. Seine Wirkung auf das bürgerlich-politische Leben war tief greifend. Durch seine vielseitige Einsetzbarkeit war das Klavier als ein Mittel der Distinktion maßgeblich daran beteiligt, die gesellschaftliche Kultur in den politischen Herrschaftszentren London und Berlin zu formen. Die vorliegende Fallstudie untersucht die direkten und indirekten Förderungsmechanismen, die zur Entwicklung dieses besonderen Distinktionsinstrumentariums beigetragen haben. Sie mit Hilfe des politologisch-soziologischen Ansatzes der Distinktion am Beispiel eines praxisnahen internationalen Vergleichs zweier ähnlicher Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikräume zu untersuchen, ist die konzeptuelle Grundlage dieser Studie. Hierfür wird Pierre Bourdieus kultursoziologische Distinktionstheorie mit dem Verständnis vom Kapital als Distinktionsmittel verknüpft. Drei Kapitalsorten (ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) stehen dabei im Mittelpunkt und bilden die Grundlage für eine entsprechend systematisierte Struktur der Untersuchungsergebnisse. Mit Bourdieu wird in der Studie von einem erweiterten Kulturbegriff ausgegangen, so dass derjenige, der über ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital verfügt, einen Habitus besitzt, mit dessen Hilfe das ererbte Kapital gewinnbringend angelegt werden kann. Hierbei werden die Rollen der Unternehmerpersönlichkeiten John Broadwood und Carl Bechstein beleuchtet, die als Promotoren eines wirkungsvollen Beziehungsdreiecks aus Produzenten, Künstlern und Konsumenten fungierten. Es zeigt sich, dass Hierarchien in den englischen und deutschen Gesellschaften bestanden und Diffusionen von oben nach unten stattfanden. Die oberen Schichten fungierten dabei als Referenzmodell für die Unterschichten. Es zeigt sich eine Kodierung des Politischen durch die Musikkultur ebenso wie die Schaffung eines neuen politischen Raumes, indem die Musik aus dem intimen Bereich in die breite Öffentlichkeit geholt wird. Mit der Klaviermusik in den beiden untersuchten Ländern wurden bewusst Grenzen gezogen, um sozialen Gegensätzen eine kulturelle Legitimation zu geben.
Since the latest 18th century and lastly at the beginning of the 19th century, when the rise of the piano began, its impact to the civic and political life was profound. With its multifunctional applications, the piano carried the formation of the corporate culture of the centres of governance in Great Britain and Prussia/Germany, London and Berlin. The present case study analyses the direct and indirect machineries for advancement, which supported the development of these special medium for distinction. This will be showed by the aid of a political-sociological conception of distinction instancing an international comparison of two similar economic, civic and political areas. For this purpose Pierre Bourdieus cultural- sociological theory of distinction will be combined with the understanding of capital as medium for distinction. Three sorts of capital (economic, civic and political) are the fundamentals for an accordant structure of the study results. In accordance with Bourdieu the author is convinced, that someone, whose personality is featured with these three sorts of capital, owns a special habitus. This would help the person to invest this patrimonial capital profitable. Beyond the functions of the businessmen John Broadwood and Carl Bechstein will be analysed. They act as promoters of a triangle of developments between manufacturers, artists and consumers. It is incidental that the British and Prussian/German society is structured with hierarchies and stratums. Those who are members of the upper class acting as referee for members of the underclass. There is proceeding a diffusion top down. There could be shown a codification of the political system through the music culture as well as the construction of a new political space in which let music getting out from intimacy into publicity. The piano music in Great Britain and Prussia/Germany contributes to set boundaries to afford consciously a cultural legitimation for social extremes.