Die Idee, dass die psychologische Wirkung der Musik auch für Fragen der Erziehung und Politik entscheidend ist, findet sich zuerst bei Platon, mit Verweis auf Damon von Athen (5. Jahrhundert v. Chr.). Auf Basis der Schrift des Aristeides Quintilianus, der ebenso auf Damon zurückverweist, wurde dem Letzteren eine eigenständige Theorie des musikalischen Ethos zugeschrieben. Im vorliegenden Beitrag werden die Quellen von Platon über Aristoteles bis zu Aristides einer kritischen Betrachtung unterzogen. Dabei wird für eine Lesart von Platons Politeia plädiert, die Äußerungen der Dialogfiguren über musikalische Details nicht automatisch mit der Autorenmeinung gleichsetzt. In der Klassischen Zeit finden sich so keine Anhaltspunkte für eine Ethostheorie, die von technischen Überlegungen ausgeht.