Ausgehend von der Neuperspektivierung von Raum und Wissen werden die Beziehungen zwischen Raum und Wissen beleuchtet. Hierfür wird auf den spatial turn sowie die vermeintliche Entterritorialisierung durch die Globalisierung und die praxisgeleiteten Konzeptionierung von Wissen durch die science studies eingegangen. Raum und Wissen werden dabei nicht primär als Zustand, sondern als sich gegenseitig beeinflussende Prozesse betrachtet, deren vielfältige Figurationen im Sinne von travelling concepts für die Altertumswissenschaften fruchtbar gemacht werden sollen. Im Vordergrund des Interesses stehen demnach die Produktion bzw. Genese und Transformation von Raumwissen und Wissensräumen. Zugleich werden in der Einleitung zum Tagungsband dessen zentrale Ideen, Konzepte und Fragestellungen skizziert. Die Vorstellung der neun Beiträge erfolgt thematisch gruppiert und fokussiert dabei auf 1) die Verschränkungen von Raum und Wissen, 2) die diskursiven Aushandlungen von Raumwissen sowie 3) Wissensräume als Forschungsgegenstand und Strategie zum einen im Altertum, zum anderen in der Wissenschaft und ihrer Vermittlungspraxis.
Weniger anzeigenDie Archäologie produziert möglichst inhaltlich, formal und methodologisch kohärentes Wissen über die Vergangenheit. Zugleich wird dies aber in jeweils bestehende personale Wissensbestände der ‚interessierten Öffentlichkeit‘ eingepasst und von archäologischer Seite jegliche auftretenden Sinnveränderungen als Missverständnisse oder Instrumentalisierung verstanden. Der Artikel fokussiert auf die Frage, warum auf personaler Ebene verschiedene Vergangenheitsvorstellungen konkurrieren können, ohne sich entweder beständig zu widersprechen und aufzuheben oder zu einem kohärenten Vergangenheitsbild zusammengefügt zu werden. Dazu wird Vergangenheit als Wissensraum verstanden, der sich mit den Raumvorstellungen von Henri Lefebvre und David Harvey analysieren lässt. Abschließend wird versucht, sich dem vielschichtigen Konstruktionsprozess des Wissensraumes Vergangenheit durch das Konzept der Bastelei/Bricolage nach Claude Lévi-Strauss zu nähern.
Weniger anzeigenIn ihrer Abhandlung über Nomadologie in Tausend Plateaus (1980) entwickeln Gilles Deleuze und Félix Guattari Nomadismus als raumtheoretisches und epistemologisches Konzept. Die ‚nomadische Wissenschaft‘ bietet einen ereignisorientierten Zugang zum Wissen über ein anderes Verhältnis zum Raum und setzt sich so der steten Reproduktion eines stereotypen Diskurses entgegen. Der Beitrag überführt die Nomadologie in narratologische Fragestellungen und analysiert programmatische Passagen aus Herodots Historien in Hinsicht auf die Verbindung von Raum, Wissen und Text. Von besonderer Bedeutung sind in Herodots verstreuten methodischen Aussagen Verben des Gehens, Sehens und Hörens. Herodot inszeniert seine Forschungen als virtuelle Reise durch verschiedene Wissensräume. Er präsentiert, so die These des Beitrags, seine Methodik (im Gegensatz zur epischen Lehrdichtung) als nomadischen Weg, was sowohl narrativ als auch epistemisch zu einer Kartographie des Wissens führt. Nicht zuletzt durch die Kategorie des persönlichen Wissens schafft Herodot schließlich eine performative Geschichtsschreibung.
Weniger anzeigenIn der ägyptologischen Forschung werden Ortsnamen als Quellen für Raumwissen – besonders im Zusammenhang mit Konzepten wie Ausland und Urbanität – herangezogen. Dies stützt sich auf die Variation von Klassifikatoren (traditionell Determinative) in der Schreibung von Namen von Orten im ägyptischen Grenzgebiet. Derselbe Ortsname kann sowohl mit der Hieroglyphe (Gardiner-Zeichenliste O49) – mit den Konzepten städtisch und ägyptisch assoziiert – als auch mit (Gardiner-Zeichenliste N25) bzw. (Gardiner-Zeichenliste T14) – die mit dem Konzept Ausland verbunden werden – belegt sein. Diese Variation wird in Bezug zu historisch-politischen oder konzeptionellen Veränderungen des Grenzgebiets von Ägypten und u. a. der Levante gesetzt. Theorien sprachlicher Kategorisierung wurden bislang nicht einbezogen. Klassifikatoren sind aber vor allem sprachliche Elemente (Morpheme). Deswegen wird mein Beitrag exemplarisch anhand von hieroglyphischen und hieratischen Schreibungen des Namens der Stadt Sile (Tjaru) im nordöstlichen Nildelta diskutieren, wie mithilfe solcher Ansätze, insbesondere der Prototypentheorie, scheinbare Widersprüche in der Quellenlage aufgelöst werden können.
Weniger anzeigenSeit dem von geographischer Seite in den 1980er-Jahren angestoßenen spatial turn ist der Terminus ,Raum‘ nicht mehr von der Agenda der Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften wegzudenken. Ein Beleg dafür sind die zahlreichen Begriffskoalitionen, die ,Raum‘ bis heute eingegangen ist. Raum-Wissen scheint hierbei ein zunehmend prominenteres Bündnis abzugeben. Dabei ist die theoretische Sättigung der gegenseitigen Verwiesenheit aufeinander noch weitestgehend unklar. Die Unklarheit berührt vor allem die Frage nach der angemessenen Integration von ,Raum‘ in die wissenschaftstheoretische Diskussion. Der folgende Beitrag versucht diese Problemlage zu thematisieren, indem eine sozialgeographische Forschungsperspektive eingenommen wird, die das Verhältnis von Raum und Wissen praxisorientiert wie kritisch-reflexiv betrachtet. Der Zweiseitigkeit des Raum-Wissen-Nexus folgend, wird zu zeigen sein, inwieweit sprachlich oder visuell geformtes Wissen über Räume einen analytischen Zugang zu (antiken) Weltsichten eröffnet. Zudem rücken mit anderer Schwerpunktsetzung auf Wissen um Räume bestimmte Orte der Aufbewahrung und Überlieferung von Wissen, wie Bibliotheken, in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Weniger anzeigenDieser Beitrag versucht der Frage nachzugehen, wie diskursiv verhandeltes Raumwissen über ein ,antikes Germanien‘ verschieden transformiert wird. Als Fallbeispiel ist ein Text aus der Res-Germanicae-Schriftstellerei der Frühen Neuzeit gewählt worden, die sich in verschiedener Weise mit den antiken Überlieferungen zu ‚Germanien‘ beschäftigte: Die Commentarii Rerum Germanicarum des Geographen, Theologen und Leidener Professors Petrus Bertius (1565–1629) bilden mit ihren drei Büchern und ihrem kompilatorischen und antiquarischen Charakter ein adäquates Beispiel für einen spezifischen Umgang mit (geographischen) Räumen in Texten der Frühen Neuzeit. Der Beitrag legt den Schwerpunkt auf das erste Buch, das die antiken Überlieferungen zu Germanien behandelt. Nach einer literaturgeschichtlichen Einordnung der Commentarii Rerum Germanicarum des Bertius wird ein Theorieansatz ausgearbeitet, der das Transformationskonzept mit einem handlungstheoretischen Raumbegriff verbindet. Auf diese Weise soll ein Verständnis für die komplexen Transformationsprozesse, die in den Commentarii Rerum Germanicarum ablaufen,erarbeitet werden.
Weniger anzeigenPlaton gilt gemeinhin nicht als Freund von Bild und Kunst, insofern diese einer wahren Erkenntnis diametral entgegenstehen. Anhand der Trias von Raum, Wissen und Bild wird aufgezeigt, dass Platon das Verhältnis von Bild und Wissen in mehreren Hinsichten in dezidiert räumlichen Kategorien erörtert, womit sich seine Bildkritik auf den Bereich der skiagraphia einschränken lässt. In einem zweiten Schritt werden Raum und Wissen vor dem Hintergrund von Platons Prinzipienlehre aufeinander bezogen, wobei der strukturellen Parallele von Bild und chôra eine entscheidende Rolle zukommt. Hierdurch ergibt sich, dass – expliziert an Platons Höhlengleichnis – dem Bild eine entscheidende Rolle im Aufstieg zur Erkenntnis zukommen kann. Weiterhin wird im Anschluss an den platonischen Ansatz ein Raumbegriff skizziert, der den Raum über die Kategorie des Sinns zu begreifen sucht.
Weniger anzeigenIn diesem Beitrag wird der Begriff ‚Archäologisches Revier‘ als eine neue wissenschaftssoziologische Analysekategorie vorgestellt, mit der individuelle Wissensräume und die ‚Territorialität‘ von Forscher/innen erfasst und untersucht werden können. Bislang fehlen Termini und Kategorien, mit denen auch in historischer Perspektive die Wissensproduktion von Individuen in Hinblick auf ihre Raumbezüge beschrieben und gegenüber kollektiver, institutioneller Wissensverortung abgegrenzt werden können. Am Beispiel der Debatten um Wallanlagen in der Oberlausitz aus der Frühphase der Institutionalisierung der Ur und Frühgeschichtlichen Archäologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts soll gezeigt werden, welche nachweisbaren Auswirkungen dieses mit dem Begriff Archäologisches Revier umschriebene Raumverhalten auf inhaltliche Auseinandersetzungen und auf die Arbeit von Archäologen und archäologischen Institutionen hat.
Weniger anzeigenDieser Beitrag hat zum Ziel, die Tauglichkeit der Begriffe Raumwissen und Wissensraum als analytische Kategorien der historisch-archäologischen Forschung zu überprüfen. Vor dem Hintergrund einer praxistheoretischen Perspektive wird diskutiert, wie sich Raumwissen und Wissensraum in die archäologische Analyse alltäglichen Handelns einbetten lassen. Den Ausgangspunkt bildet Pierre Bourdieus Konzept des Habitus. Um dessen vergleichsweise statischen Charakter zu dynamisieren, wird das Eigensinn- Konzept des Alltagshistorikers Alf Lüdtke herangezogen. Durch die Eingliederung von Eigensinn in den Habitus entsteht eine theoretische Konzeption, die für die archäologische Untersuchung alltäglicher Praxis gut geeignet ist. Dazu wird ein methodischer Zugang illustriert. Schließlich wird geklärt, welcher Stellenwert Raumwissen und Wissensraum in diesem Rahmen zukommenkann.
Weniger anzeigenRaumwissen und Wissensräume. Call for Papers
Im vorliegenden Beitrag wird die Konstruktion von Wissensräumen untersucht. Dazu wird der Frage nachgegangen, ob Vergangenheit per se als ein Wissensraum begriffen werden kann. Über die auf die Vergangenheit bezogene Entstehung archäologischen Wissens wird anhand der Radikalkonstruktivistischen Theorie des Wissens reflektiert und darauf stützend eine Definition von Wissensraum erarbeitet. Darauf aufbauend wird die Konstruktion von Wissensräumen anhand eines archäologischen Beispiels, des altägyptischen Hauses H72 von Elephantine, dargestellt und diskutiert. Mithilfe dieser Ausführungen möchte ich die Frage, ob Vergangenheit als ein Wissensraum verstanden werden kann, mehrdimensional beantworten. Anschließend werden die Konsequenzen der dargebotenen Antwort diskutiert.
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