Wie kein anderes Thema haben die Fluchtbewegungen im Jahr 2015 die deutsche Öffentlichkeit polarisiert. Dies schlägt sich auch in einer enormen Mobilisierungswirkung im Lokalen nieder: Vielerorts haben sich Initiativen gegründet, die sich gegen die Unterbringung von Geflüchteten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft richten. Das Working Paper untersucht am Beispiel von zwei solcher Bürgerinitiativen, wie Online-Diskurse um Flucht und Asyl beschaffen sind. Hierfür werden deduktiv zentrale Kategorien aus dem Forschungsstand zu Rassismus abgeleitet, die den Vergleich strukturieren und die Grundlage für die diskursanalytische Untersuchung bilden. Obwohl die Fallbeispiele in verschiedenen Kontexten angesiedelt sind, kann aufgezeigt werden, dass sich bestimmte Argumentationsmuster und -strategien in beiden Initiativen wiederholen, wenngleich sie in ihrer Form mitunter variieren. Das Papier bestätigt damit die These vom „Extremismus der Mitte“ für die sogenannte Asyldebatte.
View lessSexualisierte Gewalt nimmt in der öffentlichen Debatte in Deutschland gewöhnlich nicht viel Raum ein. Anders nach der Silvesternacht 2015, in der in Köln mehrere Hundert Frauen Opfer sexualisierter Übergriffe wurden: Die Vorfälle lösten eine hitzige öffentliche und politische Debatte aus, die sich vorrangig um die mutmaßlich nicht herkunftsdeutschen Täter drehte. Das vorliegende Working Paper beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, wie sich die Diskussion um die Silvesternacht in Köln auf den deutschen parlamentarischen Asyldiskurs auswirkte. Es untersucht im Rahmen einer Diskursanalyse nach Schwab-Trapp parlamentarische Debatten über die Silvesternacht und die sogenannte ‚Flüchtlingskrise‘ aus den Jahren 2015 und 2016.
View lessDie konfrontativen politischen Auseinandersetzungen im tunesischen Umbruchprozess nach dem Sturz Bin ĘżAlis wurden häufig als Manifestationen einer umfassenden Polarisierung zwischen »Islamismus« und »Säkularismus« verstanden. Am Beispiel der tunesischen Gewerkschaftsorganisation UGTT – Friedensnobelpreisträgerin von 2015 – und ihrer öffentlichen Stellungnahmen während der tunesischen Umbruchsituation zwischen 2011 und 2014 untersucht diese Arbeit, wie Diskurse in Polarisierungsprozesse eingebunden sind und warum sie sich auf ihre besondere Art und Weise gestalten. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wird im Anschluss an Begriffe Pierre Bourdieus eine Forschungsperspektive entwickelt, die zwar Diskurse in den Mittelpunkt der Analyse stellt, dabei aber weiterhin die objektiven, strukturellen sozialen Verhältnisse und die Interaktionen im politischen Kontext berücksichtigt. Die Arbeit zeigt auf, dass AkteurInnen von den Spezifika ihrer sozialen Position bestimmte Interpretationsrepertoires nahegelegt werden, innerhalb derer sie sich, mitunter polarisierend, auf ihre politischen KontrahentInnen beziehen. Polarisierte Umbruchsituationen sind dementsprechend selten eindeutig binär strukturiert – für den Fall der UGTT stellt sich z.B. heraus, dass sie in ihrem Diskurs vielmehr auf organisationstypische Charakteristika rekurriert als auf einen »Säkularismus« per se, und so eher eine positionsspezifische Form eines anti-»islamistischen« Diskurses vertritt.
View lessPatriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes – unter diesem Banner demonstrierten in deutschen Großstädten im Frühjahr 2015 Zehntausende. Aber auch abseits von Pegida haben antimuslimische Einstellungen in Deutschland in den letzten Jahren stetig zugenommen und gesellschaftliche Debatten über Einwanderung und Integration entscheidend geprägt. Während jedoch die Diskursebenen der Medien, der Alltags- und Internetkommunikation hinsichtlich antimuslimischer Tendenzen umfassend erforscht sind, war bisher weniger bekannt über den offiziellen, insbesondere den parlamentarischen Diskurs. Das vorliegende Working Paper widmet sich dieser Forschungslücke aus der Perspektive der Rassismusforschung und untersucht im Rahmen einer Kritischen Diskursanalyse nach Jäger den offiziellen Einwanderungsdiskurs anhand migrationspolitischer Debatten des Deutschen Bundestages im Zeitraum zwischen 1994 und 2014. Insgesamt zeigt die Analyse dabei eine zunehmende Fixierung auf den Islam als Differenzkategorie auf und legt nahe, dass sich die Grenzen des Sagbaren auch im parlamentarischen Diskurs in den letzten Jahren deutlich erweitert haben. Überwiegend wird dabei auf eben jene antimuslimischen Topoi zurückgegriffen, die auch Medienoder Alltagsdiskurse prägen. In seiner Intensität bleibt der parlamentarische Diskurs aber hinter anderen Diskursebenen zurück.
View lessDem Sondertribunal für den Libanon werden von verschiedenen Seiten verschiedene Bedeutungen zugeschrieben. Die vorliegende Arbeit analysiert und interpretiert Diskursstränge mittels einer Frameanalyse, die nicht nur (deduktiv) vorhandene Deutungsmuster offenlegt sondern auch (induktiv) Theorie überprüft. Zielgruppen sind die Vereinten Nationen, sowie die beiden größten libanesischen Fraktionen – die Bündnisse vom 8. und vom 14. März. Resolutionen und Briefwechsel einerseits, sowie die Zeitungen Al-Manar und Daily Star andererseits geben Aufschluss darüber welche Deutungsmuster den Diskurs dominieren. So kann die Analyse Aussagen zum Wandel des Souveränitätsbegriffs, zur Rolle der Begriffe Gerechtigkeit, Terrorismus, sowie zur Einschätzung der Rolle von Syrien, Israel und der USA treffen.
View lessThis paper investigates the interaction of protest and repression, drawing on Islamist protests and state repression in Tunisia and Algeria in the early 1990s. Putting the findings from large-n quantitative studies to the test in a case-centric design, it identifies serious shortcomings in current, largely static, approaches and proposes a shift towards a dynamic understanding of the relationship between protest and repression: Specific repertoires and practices of protest interact with and make more likely specific repressive responses (and vice-versa) in cycles of escalation or de-escalation. Building on this dynamic understanding, the paper specifies escalating and de- escalating practices and context conditions.
View lessThis publication is based on the proceedings of an international conference entitled ‘Arab Revolutions and Beyond: Change and Persistence’, which was held in the framework of a multilateral project called ‘Challenges and Transformations in the Wake of the Arab Spring’ (2012-2014). The project is funded by the DAAD (German Academic Exchange Service) and based upon the longstanding partnership between Cairo University in Egypt and Freie Universität Berlin in Germany, specifically between the EuroMed Study Program at the Faculty of Economics and Political Sciences (FEPS) and the Centre for Middle Eastern and North African Politics at Otto-Suhr-Institute, Department for Political and Social Sciences. Dieser Sammelband ist ein Ergebnis der internationalen Tunis-Konferenz "Arab Revolutions and Beyond: Change and Persistence", die im Rahmen des multinationalen DAAD-Projekts "Challenges and Transformations in the Wake of the Arab Spring" im November 2013 stattfand. Neben Kolleg_innen der Universität Kairo, mit der bereits eine langjährige Partnerschaft besteht, sind auch Nachwuchsforscher_innen aus Tunesien, Libyen, Jordanien und weiteren Arabischen Staaten beteiligt. Das Projekt stellt sich den Herausforderungen, welche sich durch die politischen und sozialen Umbrüche in der Region für die akademische Bildung, v.a. in den Sozialwissenschaften ergeben haben. Hieraus soll ein produktiver Dialog über theoretische, methodische und thematische Felder der Sozialwissenschaften eröffnet werden, um die Strukturen von Forschung und Lehre dauerhaft zu verbessern.
View lessThis paper assesses and offers an overview of the protest movement that followed the 2009 Jeddah floods through the scope of social movement theory. After introducing the key debates to the field of political participation and protest, I argue that the recent proliferation of scholarship on political protest in Saudi Arabia has focused too much on movements that either seek to topple the government or act within an Islamic frame of reference. Movements with less far-reaching or secular claims have been neglected. The heart of the article focuses on two different dimensions of the events that followed the flood catastrophe. First, I examine the coordination and interaction between several state and non-state actors that took part in the management of the disaster and participated in the subsequent discussions. Then, I explore the discursive dimension of the protests by analyzing press articles, discussions on Facebook and four petitions that were addressed to the Saudi King. To conclude with, I show that it was the patriotic framing of the protests that enabled Jeddah’s population to articulate its claims as an acceptable form of protest. Regarding state reactions, I argue that the King took over the movement’s framing and succeeded in presenting himself as the leader of the movement and the main antagonist of corruption at a local level. Moreover, I suggest that social movements with grass-roots ties in the local population can be more influential than other opposition actors at the margins of the political spectrum with more radical claims.
View lessDas Working Paper untersucht, wie sich transnationale Migrant_innen aus Indonesien ins Verhältnis zu dominanten Diskursen im Kontext indonesischer Arbeitsmigration setzen. Es analysiert drei biographisch-narrative Interviews mit indonesischen Migrantinnen nach ihrer Rückkehr nach Ostjava, Indonesien. Die untersuchten Subjektivierungsprozesse finden innerhalb des Kontexts der Kontrolle der Mobilität statt: Indonesien ist eines der wichtigsten Entsendeländer transnationaler Care-Arbeiter_innen weltweit. Das Besondere der (zirkulären) Migration indonesischer Care- Arbeiter_innen ist, dass sie mehrheitlich durch ein staatliches Entsendeprogramm organisiert wird, durch das Migrant_innen angeworben, in Trainingscamps vorbereitet, in Haushalte vermittelt werden und ihre Rückkehr organisiert wird. Die Migrant_innen werden während der Rekrutierungs-, Vermittlungs- und Rückkehrprozesse mobil gemacht, und gleichzeitig wird ihre Bewegungsfreiheit beschränkt und streng kontrolliert. Mobilisierung und Immobilisierung der Migrant_innen gehen dabei einher mit Diskursen zu bestimmten Migrantinnenfiguren, die sich in den Erzählungen der interviewten Migrant_innen widerspiegeln und zugleich brechen.
View lessDiese Arbeit untersucht, wie sich die Bezeichnung Israels als Apartheidregime und der süd-afrikanische Anti-Apartheidkampf zu einem grundlegenden Element des kollektiven Deutungsrahmens palästinensischer Widerstandsaktivist_innen entwickeln konnte. Anhand von Theorien über die Diffusion von Ideen zwischen verschiedenen sozialen Bewegungen wurde der Übertragungsprozess in fünf Teilaspekte untergliedert: 1) die Loslösung und Abstrahierung des Konzepts von seinem südafrikanischen Kontext, 2) die Übertragung auf Israel/Palästina, 3) der Wandel des Bewegungskontextes, der mit der Übertragung des Konzepts einherging, 4) die strategischen Interessen an einer Übertragung und 5) die sogenannten „Links“ zwischen südafrikanischem und palästinensischem Widerstand. Die Analyse stützt sich auf narrative Interviews mit Aktivist_innen des zivilen Widerstands, die mit wissensoziologisch- hermeneutischen Methoden ausgewertet wurden.
View lessVerfassungsgerichte werden oft als bedeutende Akteure in Transformationsprozessen angesehen. Von diesen im Zuge einer Demokratisierung neu eingerichteten Verfassungsgerichten unterscheidet sich das ägyptische Verfassungsgericht (Supreme Constitutional Court, SCC) dadurch, dass es bereits mit der Verfassung von 1971 gegründet wurde; im autoritären System Ägyptens hat es mitunter eine äußerst wichtige, aber auch ambivalente Rolle gespielt. Nach dem Sturz Mubaraks ist das Gericht – trotz der Suspendierung der Verfassung durch den Supreme Council of the Armed Forces (SCAF) – nicht aufgelöst worden und hat mit seinen Entscheidungen großen Einfluss auf die politischen Entwicklungen in Ägypten genommen. Das Working Paper geht anhand des ägyptischen Falls der Frage nach, welche Rolle etablierte Verfassungsgerichte in Transformationsprozessen spielen. Dabei stehen zwei zentrale Entscheidungen des Gerichts vom Juni 2012 im Mittelpunkt der Analyse. Das Paper zeigt auf, dass die frühere Rechtsprechung, das institutionelle Selbstverständnis des Gerichts und das Amtsverständnis der RichterInnen zentral sind, um die Rolle des Gerichts in der Umbruchsituation verstehen zu können.
View lessFrom day one, the Egyptian uprising in 2011 has been called a “youth revolution”. While young educated Egyptians indeed were at the forefront of the protests on January 25, an exclusively agecentred perspective is insufficient for grasping the meaning of the events. Rather than focusing purely on a specific age group I conceive of “youthfulness” as a broader social construct. In this paper, I explore in what way we can consider the Egyptian revolution to be a youthful revolution, and argue that a focus on both youth and youthfulness offers an important conceptual access point to understanding the ongoing social, political and cultural transformations in Egypt. In order to make sense of the developments, we need to be aware of the most important youthrelated (structural) causes, triggers, and demands. The gerontocratic regime and its symbolism explain why youth advanced to a category of political conflict. Finally, also the largely negative image of youth that prevailed in Egypt, as well as young people‘s role and situation need be taken into account for analysing not only the dynamics of the 18 days in Tahrir but also the ongoing struggle for power and identity in Egypt.
View lessDie Aufstände in Tunesien stehen für den Auftakt der Umbrüche in der Arabischen Welt und entfachten gleichzeitig eine Diskussion um neue Aktivismusformen online. Das Arbeitspapier befasst sich mit der Frage, inwieweit die Nutzung Neuer Sozialer Medien, insbesondere Facebook und Twitter, die Aufstände vorbereitet und befördert haben. Mit Hilfe von Datenerhebungen im Netz, deren Erhebungszeitraum bereits Anfang Januar 2011 beginnt und qualitativen Interviews mit tunesischen Internet-AktivistInnen werden die Mobilisierungsdynamiken zwischen „Netz“ und „Straße“ bis zur Flucht des Präsidenten Ben Ali nachgezeichnet. Theoretisch-konzeptionell wird ein auf politische Kommunikationsformen erweiterter Partizipationsbegriff entwickelt und mit der Konstituierung von „Gegenöffentlichkeiten“, im Sinne von virtuellen Räumen, verknüpft, die im Kontext der Medienzensur und Repressionspolitik des Regimes Ben Ali als „gegenstaatlich“ definiert werden. Im Mittelpunkt der Analyse stehen dabei die AktivistInnen, die an der Schnittstelle von virtuellen und realen Räumen agieren und sich dabei unter anderem der Problematik der „Glaubwürdigkeit“ in der entkontextualisierten und von Zensur unterwanderten Internet-Kommunikation stellen müssen.
View lessIt was the sudden resurgence of violence in 2006 that brought Southeast Asia’s newest nation – East Timor – back to the forefront of public attention, and spotlighted the role of youth gangs as main perpetrators of street violence in East Timor’s capital Dili. Based on fieldwork conducted in 2007, this paper challenges conventional myths about an aggressive East Timorese ‘youth bulge’ by using theoretical notions on the construction of masculinities and violence as tools for analysis. The paper will portray gangs against the structural background of major socio-economic transformations accelerated by the international intervention and experiences of violence during Indonesian occupation as active agents strategically using violence as resource for (identity) politics.
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