Unter Inhaftierten wurden Studien zur Diagnostik von Psychopathy, die mit der Psychopathy-Checklist-Revised (PCL-R) von Hare (1991) operationalisiert und messbar gemacht wurde, hauptsächlich an Männern durchgeführt. Untersuchungen an Frauen in Haft sind selten und die PCL-R wurde bisher in Deutschland noch nie mit einer vollständigen Prozedur der Erhebung validiert. Ziel dieser Arbeit war es, als erste Studie in Deutschland die Reliabilität und Validität der Messung von Psychopathy mit der PCL-R an inhaftierten Frauen zu untersuchen und dabei vor allem mögliche geschlechtsspezifische Manifestationen des aggressiven Verhaltens und anderer Faktoren im Zusammenhang mit Psychopathy-Merkmalen zu identifizieren. 60 inhaftierte Frauen aus Haftbereichen in Berlin und Brandenburg wurden untersucht, um Daten über Aggressionsformen und -motive, prosoziales Verhalten, Offenheit beim Beantworten von Fragebögen und regelverletzendes Verhalten zu erhalten. Ob die Diagnose einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung (ASPD) und von Substanzstörungen (SUDs) vorlag, wurde ebenfalls erhoben. Die Reliabilitätsanalysen bestätigten, dass Psychopathy mit der PCL-R bei inhaftierten Frauen zuverlässig diagnostiziert werden kann. Abhängig vom Grenzwert bei der Klassifikation einer klinisch relevanten Psychopathy wurden Prävalenzraten von 5 % (30), 10 % (27) und 17 % (25) festgestellt. Die Ergebnisse zur Validität fallen unterschiedlich aus. Statistisch bedeutsame Zusammenhänge mit einem jüngeren Lebensalter, häufigeren aggressiven Handlungen (unabhängig von der Form oder dem Motiv), mit mehr Bullying- Verhaltensweisen, einer höheren Ausprägung von Offenheit und einer höheren Komorbidität mit der ASPD und SUDs stimmen sehr gut mit dem theoretischen Konstrukt der Psychopathy überein und befinden sich im Einklang mit den meisten Ergebnissen anderer Studien. Regelverstöße während der Haft und das prosoziale Verhalten erwiesen sich als nicht mit der PCL-R in Zusammenhang stehend. Werden die umfassenderen und stabileren Zusammenhänge der PCL-R mit relationalen Aggressionsformen und reaktiven Aggressionsmotiven in das Gesamtbild der Ergebnisse einbezogen, können diese als spezifisch weibliche Manifestationen der Psychopathy gewertet werden und damit ein Hinweis darauf sein, dass sich bei inhaftierten Frauen teilweise andere Verhaltensweisen als konstruktvalidierend herausstellen könnten, wenn die PCL-R als Diagnoseinstrument verwendet wird. Welche Schlussfolgerungen dies für den Frauenstrafvollzug haben könnte, wird diskutiert.
Studies concerning inmate psychopathy (as measured by Psychopathy-Checklist- Revised, PCL-R; Hare, 1991) have predominantly been concerned with male inmates only. This was the first preliminary study in Germany that attempted to address the reliability and validity of the PCL-R when applied to female inmates. Concerning the validity we focused on gender-specific behavioral manifestations in types and functions of aggression, prosocial behavior and openness when answering self-report questions. 60 female inmates in German prisons were interviewed in order to gather data about the diagnoses of Psychopathy, Antisocial Personality Disorder (ASPD) and Substance Disorders (SUDs) as well as data about types and functions of aggressive acts, prosocial behavior, openness of responses and institutional misconduct. Analyses revealed that the PCL-R was able to reliably measure the defined construct of psychopathy. Depending on several cut-off scores for a clinical diagnosis we obtained a prevalence rate of 5 % (30), 10 % (27) and 17 % (25). Results on validity were mixed. Associations with a younger age, highly pronounced aggression in all types and functions and with high openness as well as with a high comorbidity with ASPD and SUDs confirmed the validity of the PCL-R. However, prosocial behavior and institutional misconduct were not related to the PCL-R and detailed analyses showed more unique associations with relational aggression types and reactive functions of aggression. These results could be interpreted as indicators of gender-specific manifestations of psychopathy when measured via the PCL-R in female inmates. Implications for diagnostic issues in forensics concerning female prisoners are discussed.