Das Theater von Elfriede Jelinek und Peter Wagner, das verstärkt seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert rezipiert wird, schreibt sich in die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit und literarische Rezeptionsgeschichte des Holocaust ein. Mit dem Aussterben der letzten Zeitzeugen ändert sich nicht nur die Perspektive, aus der heute die Verfolgung und Vernichtung von als minderwertig bezeichneten Menschen betrachtet wird, sondern auch die Art und Weise, wie an damalige Untaten erinnert und der Opfer gedacht wird. Insbesondere die Werke der letzten zwanzig Jahre reflektieren geläufige Vorstellungen und Darstellungen der Nazi-Verbrechen aus österreichisch-deutschem Blickwinkel, wobei Elfriede Jelinek und Peter Wagner die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf die Täter- und Opferstimmen lenken. Anhand eines aus dramatischen Texten, Inszenierungen und Hörspielen bestehenden Korpus legt die Verfasserin die durch Jelineks und Wagners Werke geleistete Gedächtnis- und Erinnerungsarbeit an den Tag. Um sowohl der regionalen als auch der nationalen Aufarbeitung gerecht zu werden, wurden zwei grundlegend verschiedene Schreibweisen miteinander konfrontiert. Während die Werke der Wiener Autorin weltweit rezipiert (und kritisiert) werden, ist Wagners vornehmlich regionales Theater noch weithin unbekannt. Elfriede Jelinek entwirft eine polyphone Erzählkunst unentwegter Rede und Wiederholung. Die Sprache Peter Wagners zeichnet sich durch den Gebrauch von Pausen und eine starke Bildlichkeit aus. So verschieden die Werke und ihr lokaler bzw. nationaler Einfluss sind, so unterschiedlich fällt auch die kulturelle Gedächtnisarbeit aus. Friedemann Kreuders selbstreflexive Aufführungsanalyse vertiefend (Vgl. Formen des Erinnerns, 2002) fokussiert die Verfasserin das dramatische Werk von Elfriede Jelinek und Peter Wagner der letzten zwanzig Jahre. Aus ihren Analysen geht hervor, dass es sich um ein „Theater erinnernder Wieder-Holung“ handelt, die sich sowohl in den Aufführungsorten, als auch in den Texten, Hörspielen sowie Performances festhalten lässt und im Körper der Akteure und Rezipienten fortschreibt. Die vorliegende Arbeit führt somit die Überlegungen Friedemann Kreuders produktiv fort und füllt eine Lücke in der aktuellen Jelinek-Forschung, indem sie diese um eine Theaterwissenschaften, Philologie und Philosophie vereinende Perspektive bereichert. Außerdem versteht sich die Dissertation als ein erster ausführlicher Beitrag zur Rezeption von Peter Wagners Werk im deutsch- französischen Sprachraum. Der knapp 600-seitige Analysetext wird durch einen bilderreichen Anhang ergänzt, der bisher unveröffentlichte Gespräche mit den betroffenen Künstlern und Autoren enthält. Es gilt an dieser Stelle ausdrücklich all denen zu danken, die der Verfasserin genehmigt haben, ihre Fotografien, Skizzen, Mitschnitte usw. zu verwenden, und nicht zuletzt Peter Wagner und Elfriede Jelinek.
The theatre of Elfriede Jelinek and Peter Wagner, which has been intensely and widely discussed since the late 20th century, participates in the treatment of the recent past and in the literary reception of the Holocaust. With the death of the last eyewitnesses, the perspective changes from which we view the persecution and extermination of people who are considered inferior, but also the way we reflect on former misdeeds and how we remember the victims. In particular, the works of the last twenty years reflect common notions and representations of Nazi crimes from an Austro-German point of view: Elfriede Jelinek and Peter Wagner direct the spectator’s attention to the voices of the perpetrators and victims. Using a corpus of dramatic texts, performances and radio-plays, this thesis reveals Elfriede Jelinek’s and Peter Wagner’s work on memory and remembrance. In order to respect regional and national reflections about local history, two fundamentally different writing styles were confronted with each other. While the Viennese author is read (and criticized) worldwide, Wagner’s primarily regional theatre is still largely unknown. Elfriede Jelinek creates a polyphonic narrative of ceaseless speech, full of repetitions. Peter Wagner’s language can be characterized by the use of pauses and strong imagery. The differences between these works and their local and national influence are reflected in the diversity of their cultural memory work. Aline Vennemann deepens Friedemann Kreuder’s self-reflective analysis about memory-performance (Formen des Erinnerns, 2002) based on the dramatic works of Jelinek and Wagner of the past twenty years. Her analysis shows that it is a "theatre of reminiscent re-recovery", which can be observed in the theatrical venues as well as in the texts, radio-plays and performances, and which is maintained in the bodies of the actors and spectators. Not only does this thesis continue the considerations of Friedemann Kreuder in order to make them productive but it also fills a gap in the current research on Jelinek by enriching it with an interdisciplinary perspective which unifies theatrical, artistic, philological and philosophical conceptions. In addition, it is the first extensive study of the reception of Peter Wagner's work in the German- French-speaking area. The nearly 600-page analysis is supplemented by an appendix with numerous illustrations and unpublished interviews with the featured artists and authors. I would like to thank everyone who allowed me to use their photographs, sketches and recordings, etc., and last but not least Peter Wagner and Elfriede Jelinek.