In der vorliegenden Dissertation wird die Bedeutung des Sehens und der Bilder aus einer kulturtheoretischen und psychoanalytischen Perspektive untersucht. Der Ausgangspunkt der Untersuchung ist die kulturtheoretische These, dass wir uns in einem Zeitalter einer Umstrukturierung und eines Bedeutungszuwachses des Visuellen befinden. Als Grundlage dieser These werden folgende Phänomene diskutiert: die massenwirksame Verbreitung von technisch erzeugten Bildern nach der Erfindung von Photographie und Film, visuelle Überwachungstechniken und die neuen technischen Möglichkeiten der Bilderzeugung durch die Digitalisierung der Bilder und die Erzeugung virtueller Realitäten. Diskutiert wird zudem die These, dass im intellektuellen Diskurs ein pictorial turn stattgefunden hat. Im zweiten und Hauptteil der Dissertation erfolgt eine Untersuchung der Psychoanalyse des Blicks. Ausgehend von Freuds (1910) Abhandlung über die hysterische Blindheit werden unbewußte libidinöse und aggressive Bedeutungen des Sehens und die Ängste, Wünsche und Konflikte herausgearbeitet, die mit dem Sehen verbunden sein können. Unterschieden wird zwischen einer narzißtischen, oralen, analen und phallisch-ödipalen Logik des Blicks. Ausgeführt wird anhand der Abhandlung Lacans (1991) über das Spiegelstadium, dass die narzißtische Dimension des Blicks die Bildung des Ich als Idealich und die imaginäre Beziehung zum anderen begründet. Die orale Logik des Blicks beinhaltet eine symbolische Gleichsetzung von Auge und Mund und Sehen und Einverleibung. Untersucht wird das orale Sehen auf der Grundlage von Fenichels (1935) Ausführungen über eine okulare Introjektion und die Arbeiten von Spitz (1956) und Riess (1978) über die ersten visuellen Erfahrungen des Kindes in der Beziehung zur Mutter. Die anale Logik des Blicks bezieht sich auf die symbolische Beziehung von Auge und Anus und die Polarität zwischen einem passiven Objekt und einem aktiven Subjekt des Blicks. Das anale Sehen ist mit der Vorstellung der Kontrolle und sadistischen Vernichtung des Objekts des Blicks verbunden. Die phallisch-ödipale Logik des Blicks bezieht sich auf die Verbindung des Sehens mit dem Inzest- und dem Kastrationsmotiv und auf die Bedeutung des Sehens in der Konstruktion der Geschlechterdifferenz. Diskutiert wird die Setzung der Frau als kastriertes, blindes Objekt der Betrachtung und die Macht, die sie dadurch gewinnt, dass ihr Anblick einen unheimlichen Blick verkörpern kann, der den Betrachter zu `kastrieren' vermag. Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassend diskutiert. Festgehalten wird, dass die Psychoanalyse Aufschlüsse über die Bedeutung des Sehens und der Bilder für das Subjekt ermöglicht und damit einen wesentlichen Beitrag zur aktuellen Debatte über die visuelle Kultur leisten kann. Herausgestellt wird, dass in dieser Debatte das Verhältnis von Blick und Differenz ein zentrales Thema ist.
This dissertation presents a study of the meaning of looking and the meaning of pictures from a culture-theoretic and psychoanalytic perspective. It is observed that currently a restructuring and increase of the visual is taking place. This thesis is corroborated by phenomena such as: the vast dissemination of technical pictures after the invention of photography and film, visual surveillance and the new technical possibilities of producing digital pictures and virtual realities. In this context, I also discuss the thesis of a pictorial turn in the intellectual discourse. The dissertation continues with an investigation of the psychoanalysis of the gaze. Based on Freud's (1910) paper on hysterical blindness, unconscious libidinous and aggressive meanings of looking and the anxieties, wishes and conflicts that can be connected with looking are discussed. A distinction is made between a narcissistic, oral, anal and phallic-oedipal logic of the gaze. On the basis of Lacan's (1991) paper on the mirror phase it is argued that the narcissistic dimension of the gaze lays the foundation of the formation of the ego as ideal ego and the imaginary relation to the other. The oral logic of the gaze contains a symbolic equation of eye and mouth and looking and incorporation. This logic is investigated on the basis of Fenichel's (1935) comments on an ocular introjection and the articles from Spitz (1956) and Riess (1978) on the first visual experiences of the child in the mother-child-relationship. The anal logic of the gaze contains a symbolic equation of eye and anus and the polarity of a passive object and an active subject of the gaze. Anal looking is connected with the idea of controlling and sadistically destroying the object of the gaze. The phallic-oedipal logic of the gaze concerns the connection between looking and the incest-and-castration motive and the meaning of looking in the construction of gender difference. The position of women as castrated, blind objects of viewing and the power that she gains in this position - as a sight that can embody an uncanny gaze that `castrates' the viewer - is discussed. Finally, the results of the investigation are summarized and discussed. It is argued that psychoanalysis allows one to gain insights into the meaning of looking and the meaning of pictures for the subject. Thereby it makes an essential contribution to the debate about visual culture. The connection between gaze and difference is underlined as a central issue in this debate.