Hugo Gensch, ein Arzt in der von deutschen Immigrant:innen gegründeten Kolonie Blumenau in Südbrasilien, erläuterte in seiner 1908 veröffentlichten Studie, wie es ihm ungeachtet der Kritik und Zweifel mancher seiner Zeitgenossen gelungen sei, sein Adoptivkind Korikrá, ein junges Xokleng-Mädchen, zu erziehen. Er nahm sie in seine Familie und Gemeinde auf und konnte zudem von ihr lernen und so sein Wissen über verschiedene Ethnien in Brasilien erweitern. Mit dieser im Vergleich zu anderen Kolonist:innen und auch Akademiker:innen verhältnismäßig humanen und überwiegend von wissenschaftlichen Interessen und Engagement geleiteten Einstellung gehörte Gensch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem kleinen Kreis von Personen, die sich gegen den blutigen Kampf und die Tötung der Indigenen aussprachen.
Dieser Band beinhaltet erstmals eine kritische Edition von Genschs Werk „Die Erziehung eines Indianerkindes: Praktischer Beitrag zur Lösung der südamerikanischen Indianerfrage“ samt einer Übersetzung ins Portugiesische. Er umfasst eine Einführung in die Geschichte der indigenen Bevölkerungsgruppen Südbrasiliens und der transatlantischen Migrationsbewegungen in die Region seit dem 19. Jahrhundert. Darüber hinaus werden die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Interessengruppen und die unterschiedlichen Positionen in wissenschaftlichen Kreisen skizziert. Auch werden Genschs Leben, Wirken und Ansichten dargelegt, um seine Ausführungen einordnen zu können. Der Band umfasst die Originalquelle sowie weitere Erläuterungen insbesondere zu zeitgenössischen Begriffen in Form von Endnoten. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis, eine Chronologie, ein Register und eine Karte runden die Edition ab.