Zusammenfassung:
In dem vorliegenden Dissertationsvorhaben wurde die Verarbeitung syntaktisch lokal ambiger deutscher Verbfinalsätze getestet. Die Ambiguität besteht darin, dass eine Nominalphrase (NP) aufgrund der mehrdeutigen Oberflächenform des dekli-nierten femininen Artikels der, die als Genitiv oder als Dativ interpretiert werden kann, zwei Möglichkeiten der syntaktischen Anbindung vorhanden sind. Die ambige NP kann als Genitivattribut an die Subjekt-NP oder aber als Dativobjekt an die noch einzulesende Ver-balphrase gebunden werden. Die Desambiguierung findet bei den verwendeten Satztypen entweder durch eine eindeutig als Dativ markierte weitere NP oder aber durch die Transitivität bzw. Ditransitivität des Verbs in finaler Position statt. Verschie-dene Sprachverstehensmodelle machen hierzu unterschiedliche Vorhersagen, sowohl bezüglich der syntaktisch motivierten Präferenzen für eine der beiden Lesar- ten wie auch bezüglich der Interaktion zwischen den Verarbeitungsebenen des Sprachverstehenssystems. Ein Indikator für eine solche Interaktion ist der potentielle der Einfluß nicht-struktureller Information auf die Entscheidung für eine der beiden syntaktischen Analysemöglichkeiten. Die Fragestellungen wurden mit einer self paced reading Aufgabe untersucht. Im ersten Experiment stellte sich heraus, dass im Unterschied zu vorherigen Arbeiten keine syntaktisch motivierte Präferenz für eine der beiden Lesarten bzw. Anbindungsmöglichkeiten zu erkennen war, sondern für beide ambigen Lesarten Verarbeitungsschwierigkeiten erkennbar waren. Um die Semantik der Sätze genauer kontrollieren zu können, wurde für weitere Untersu-chungen die Wahrscheinlichkeit, mit der eine der beiden Lesarten für die verwende-ten Sätze erwartet wurde, getestet. Weitere Lesezeitexperimente mit diesem seman- tisch kontrollierten Material zeigten, dass zumindest zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Satzverarbeitungsprozess andere als rein syntaktische Information zur Verfügung steht und auch für die weitere strukturelle Analyse genutzt wird. Ein solches Ergeb-nismuster kann nur von stark oder schwach interaktiven Modellen erklärt werden.
Abstract:
The goal of this doctoral dissertation was to examine the processing of German verb-final sentences which contained a local syntactic ambiguity, resulting from the ambiguity of the surface form of the declined feminine article of a noun phrase (NP), der. It may be interpreted either as a feminine genitive or a feminine dative form. The ambiguous NP may be attached to the subject, as a genitive attribute, or to the verbal phrase, which will be introduced later, as an indirect object. This attachment ambiguity was resolved either by another dative NP, which was unambiguously marked or by the argument structure of the verb in sentence final position, which may take a single accusative object or an accusative and a dative object. Different models of sentence processing allow different hypotheses about the processing of such sentences, about structural preferences as well as about the interaction of levels of language processing. The influence of other than pure syntactic information on the preference of one possible attachment was seen as an indicator of such an interaction. Those questions were examined using a self paced reading task. In a first experiment the results showed that there seemed to be no preference of the parser for one of the possible structural representations on pure syntactic reasons. For controlling semantic aspects of the test sentences in further experiments, the sentences were tested in an off-line study. The results showed the probability for test sentences to be analyzed as a genitive or a dative form. Further experiments using those semantically controlled items showed, that other than pure syntactic knowledge is available to an early point of time in sentence parsing and shows a significant effect on reading times. Only models of sentence processing postulating a weak or strong interaction of processing levels can be used for explaining this pattern of results.