Der Beitrag wendet sich dem Konzept des Seelenwagens bei Ficino zu. Auf der Grundlage einer Darstellung der Lehre vom ochema in der Entwicklung von Platon bis Proklos werden differenziert die Bedeutungen interpretiert, die diese Metapher im Werk Ficinos übernehmen kann. Der Text stellt zunächst die weit verbreitete Bedeutung des ochemas dar als eines Kontakt- und Transaktions-raumes zwischen zwei unterschiedlichen Seinsbereichen, d.h. zwischen der unstofflich-intelligiblen Seele und ihrem stofflichen Körper sowie dessen Vollzügen. In dieser Funktion besitzt das ochema bereits eine multifunktionale Position als Medium von Tätigkeiten, die aus dem Intelligiblen in das Stoffliche vermittelt werden. Im Anschluss daran wird im Text Ficinos singulärer Gebrauch der Metapher vom Seelengefährt als einem vierspännigen Streitwagen untersucht, der den seelischen Möglichkeitsraum der Verschränkung von geistiger Selbstentfaltung mit geistigem Selbstbezug versinnbildlichen soll. Damit verschiebt sich die Bedeutung des Konzeptes vom ochema von der biologisch-kosmologischen Perspektive auf eine mental-intellektuelle und gewinnt in der neuplatonischen Seelenlehre einen neuen Aspekt hinzu. Das ochema dient in diesem Fall nämlich dazu, das Vermögen der Vernunftseele zu Selbstrealisierung und reflexiver Einheit in seiner Breite und Tiefe sowie die sich dabei entwickelnde Spannung der metaphysischen Bewegungen von Entfaltung und Rückwendung auch topologisch-dynamisch zu veranschaulichen.