Erzählungen von Herkunft und Wanderungen der Völker gehörten immer schon zu den zentralen Motiven in Darstellungen der Vergangenheit – das gilt für mythische Überlieferungen ebenso wie für moderne historiographische Abhandlungen. Vor dem Hintergrund des modernen Nationalismus und Kolonialismus hat die Thematik schließlich im 19. und 20. Jahrhundert zusätzliche Brisanz erhalten. Entsprechend avancierten Massenmigrationen oder so genannte Völkerwanderungen zu den zentralen Feldern altertumswissenschaftlicher Forschung. Dabei zielten diese Studien vornehmlich auf eine kritische Überprüfung der antiken Überlieferungen. Unabhängig von den behandelten historischen Kontexten lassen sich hingegen auch in der wissenschaftlichen Literatur bestimmte wiederkehrende Muster erkennen, wie Herkunft und Migrationen verschiedener Völker jeweils dargestellt und erzählt worden sind. Am Beispiel der Wissenschaften vom Alten Orient (d.h. Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie) aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert soll im Folgenden sowohl die Ähnlichkeit entsprechender Wanderungsnarrative als auch deren fortwährende Verhaftung an den alten Überlieferungen und Quellen aufgezeigt werden.