Narrative haben drei Elemente zu ihrer strukturellen Voraussetzung: Erstens eine identifizierbare Handlungsinstanz, zweitens einen sinnfälligen Anfangs- und Endpunkt sowie drittens einen ‚roten Faden‘, der, eine bloße Chronologie übersteigend, die Kohärenz des Geschilderten gewährleistet. Es erstaunt daher nicht, dass Wanderungen ein naheliegender Gegenstand von Narrativen sind, ist bei ihnen doch die Dialektik von Kontinuität und Veränderung besonders anschaulich. Mein Beitrag widmet sich Wanderungsnarrativen in der Ur- und Frühgeschichtsforschung, wobei die Frage leitend ist, wie vor dem Hintergrund der besonderen Quellenlage die genannten drei Elemente rekonstruiert bzw. konstruiert und zu einem Narrativ gefügt werden. Die aus der Neolithikum- und Frühmittelalterforschung stammenden Fallbeispiele zeigen auf unterschiedliche Weise, wie verführerisch einerseits und irreführend andererseits eine Orientierung an narrativen Idealen für die Darstellung archäologischer Sachverhalte sein kann.
Fundamental preconditions of narratives are an individual or collective agent, an evident starting and end, and a thread, providing coherence beyond a just chronological sequence. Not surprisingly, by reason of the vivid dialectic of continuity and change, migrations are an obvious subject of narratives. My paper discusses narratives of migration in archaeological research and demonstrates, how the mentioned preconditions are (re-)constructed and how they form narratives. The examples, taken from Neolithic and Early Medieval Archaeology, show, that an orientation on narrative patterns is seductive as well as deceptive for archaeological issues.