Giovan Battista Marino ist ein Dichter, der seine Geltung in hohem Maße aus dem Anspruch auf ‚Neuheit‘ bezieht. Das vorliegende Working Paper Nr. 5 möchte zeigen, wie Marinos Prinzip poetischer Novation an wesentliche Grundsätze frühneuzeitlicher Nachahmungslehren anschließt und diese gleichzeitig sprengt, ohne freilich im modernen Sinn ‚innovativ‘ zu sein. Damit bestätigt das Paper die theoretischen Grundannahmen der FOR auch in Hinblick auf den literarhistorischen ‚Sonderfall‘ Marino und skizziert eine konsequente historische Verlängerung der im TP 05 behandelten Problemzusammenhänge („…canto l’arme pietose. Hybridisierungen von ‚alt‘ und ‚neu‘ in Epos und Epostheorie des Secondo Cinquecento) . Systematisch wird deutlich, dass die für TP und FOR zentral gestellten Beschreibungsmetaphern der ‚Hybride‘ und der ‚Hybridisierung‘ die Entstehungsvoraussetzungen der marinistischen Poetik erklären. Zugleich soll vorgeschlagen werden, die ‚Hybridisierung‘ als Grundfigur nachahmungspoetischer ‚alt‘-‚neu‘-Verschränkungen im Fall Marinos um den Begriff des ‚Amalgams‘ als Beschreibungskategorie zu flankieren, da Marino die Nachahmungsregeln des ausgehenden 16. Jahrhunderts auf singuläre Weise radikalisiert: Bei Marino sollen nämlich die im dichterischen Werk aktualisierten vorgängigen Textbestände – anders als bei Tasso, der seine unterschiedlichen Bezüge miteinander überblendet und in der Hybride als sinnstiftende Referenzsysteme noch erkennbar hält – in ihrer Rekombination zur völligen Unkenntlichkeit miteinander vermengt – ‚amalgamiert‘ – werden.