Unter Berücksichtigung des Governance-Paradigmas des SFB 700 liegt es nahe, die spätantiken und frühmittelalterlichen Nachfolgereiche Roms im Westen als Räume begrenzter Staatlichkeit anzusehen. Die Nachfolgereiche, die sich in den ehemaligen Provinzen etablierten, unterschieden sich vom Römischen Reich auch durch einen oftmals stark zurückgenommenen Regelungsanspruch und eine verminderte Regel(durch)setzungsfähigkeit. Häufig genug aber gelang es dennoch, Governance-Leistungen im Bereich der öffentlichen Ordnung zur Verfügung zu stellen. Die beiden Fallstudien zum ostgotischen Italien und dem Frankenreich in Gallien zeigen auf, welche Maßnahmen jeweils ergriffen wurden, um besonders (Rechts-)Sicherheit und „rule of law“ herzustellen. Im ostgotischen Fallbeispiel wird eine Vielzahl an Maßnahmen beobachtet, die zunächst disparat und unverbunden anmuten, unter der Perspektive der Governance-Forschung allerdings klar auf die Monopolisierung von Legitimitätsressourcen zur Herrschaftssicherung abzielen. Das fränkische Fallbeispiel bietet hingegen eine Interpretation der Rechtsquellen, deren zwei wesentliche Charakteristika in der Schaffung einer Anreizstruktur für den gerichtsförmlichen Konfliktaustrag sowie in der Herstellung von Öffentlichkeit als Verbindlichkeitsgarant gefällter Entscheidungen liegen.
The classification of late antique and early medieval successor kingdoms to the Western Roman Empire as areas of limited statehood is gaining traction. Seen through the lens of the modern-day observer with either Rome or the OECD- World in mind, the gap between ideal and reality seems hardly reconcilable. The discrepancies between their claims of sovereignty and obvious insufficiencies in both government and governance seem too great. However, looking at Ostrogothic Italy and Frankish Gaul for that matter, one sees that governance measures were not abruptly abandoned and that certain basic goods such as the rule of law and public security were being upheld, often in new and alternative ways. Intriguingly, the rulers of the successor kingdoms did not provide goods and services for their subjects out of tribal solidarity, nor of Christian caritas either. On the contrary, they could expect sustained legitimacy from showing themselves capable of these formerly imperial duties. Two case studies from 6th century Italy and 6th–7th century Gaul present two perspectives on the modes of post-imperial governance.