Das Phänomen ist aus den USA hinlänglich bekannt: Klimaskeptiker oder „Klimakrieger“, wie ein Dossier der Wochenzeitung Die Zeit vom 22.11.2012 übertitelt ist, stellen den von Menschen verursachten Klimawandel oder die daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Frage. Von bezahlten Lobbyisten, Stiftungen und think tanks, die der Öl-, Gas- oder Kohleindustrie nahe stehen, wird die Botschaft übermittelt, dass die wissenschaftliche wie politische Beschäftigung mit dem Klimawandel vor allem Angstmacherei, Katastrophismus oder eine große Lüge sei, oder der Klimawandel und seine Folgen werden verharmlost und Gegenstrategien nicht für nötig erachtet. Könnte auch in Deutschland eine ähnlich starke und vor allem ideologisch geprägte Debatte entstehen, wie sie schon lange in den USA geführt wird? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach. Folgende Ergebnisse wurden gefunden: \- Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass Klimaskeptiker in Deutschland an politischem Terrain und Aufmerksamkeit gewinnen. \- Die Leugnung des Klimawandels ist allerdings nicht mehr zentral. Die Skeptiker fokussieren ihre Kritik stärker auf die politischen Konsequenzen, die als Antwort auf den Klimawandel gezogen werden. Aus Klimaleugnern werden Klimapolitikskeptiker. \- Damit einher geht die Infragestellung der Energiewende. Die Positionen der Klimaskeptiker werden dadurch hoffähig und finden – auch prominente – Unterstützung.
View lessDie Diskussion um die deutsche Energiewende ist derzeit dominiert durch eine Debatte um die Tragbarkeit der Kosten. „Energiearmut“ wird dabei von verschiedensten Akteuren als Schlagwort in den Diskurs eingebracht. Aber weder existiert in Deutschland eine konsensuale Begriffsdefinition, noch gibt es einen politischen Konsens darüber, ob es einer solchen überhaupt bedarf. Ziel dieser Studie ist es, einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion zu leisten und „Energiearmut“ von einem politischen Kampfbegriff in eine handlungsleitende Definition zu transformieren, die Ansatzpunkte für eine verteilungsgerechtere Politik der Energie-wende offenbart. In einem ersten Abschnitt setzt sich die Studie mit der aktuellen deutschen Debatte um das Thema „Energiearmut“ auseinander und konfrontiert diese mit der weiter fortgeschrittenen britischen Diskussion und politischen Strategie zur Bekämpfung von „fuel poverty“. Aus dieser Auseinandersetzung werden Schlüsse für eine adäquate Problemdefinition in Deutschland gezogen und problemspezifische Lösungsansätze identifiziert. „Energiearmut“ wird in diesem Papier als ein strukturelles Problem einkommensschwacher Haushalte definiert, einen notwendigen Bedarf an Energiedienstleistungen nur zu überproportional hohen Kosten oder nur unzureichend decken zu können. Geringe Einkommen und hohe Energiepreise werden dabei als konstituierende Faktoren, mangelnde Energieeffizienz von Wohngebäuden und energieverbrauchenden Geräten dagegen als wichtigste strukturelle Ursache definiert. Wie groß dieses spezifische Problem in Deutschland ist, stellt eine empirische Frage dar, für die es bisher keine ausreichende Datengrundlage gibt. Anhand der Problemdefinition werden in einem nächsten Abschnitt das in Deutschland bereits vorhandene Maßnahmenportfolio sowie das von Experten vorgeschlagene Instrumentarium einer kritischen Analyse und Bewertung unterzogen: 1) Zunächst wird das sozialpolitische Maßnahmenportfolio – insbesondere die sozialhilfe-rechtliche Festlegung der Regelbedarfe für die Haushaltsenergiepauschalen - auf den Prüfstand gestellt. Anhand empirischer Daten und eigener Berechnungen kann gezeigt werden, dass die staatlichen Transferleistungen für Haushaltsenergie tendenziell eine Unterdeckung des tatsächlichen Energiebedarfs darstellen, welcher einkommensschwache Haushalte nicht durch eine Umschichtung ihrer sonstigen Konsumausgaben entgegenwirken können. 2) Des Weiteren werden die in der Diskussion um die Kosten der Energiewende prominent vertretenen Vorschläge einer sozialverträglichen Gestaltung der Strompreise einer Analyse unterzogen. Sowohl sozial motivierten Vorschlägen zur Stromsteuersenkung als auch für eine progressive Stromtarifgestaltung wird anhand von Berechnungen und einfachen Modellierungen eine geringe oder gar fehlende Entlastungswirkung für einkommensschwache Haushalte sowie eine hohe Zielgruppenungenauigkeit bescheinigt. 3) Schließlich wird in der Studie das deutsche effizienzpolitische Maßnahmenportfolio hinsichtlich seiner Wirkungen, insbesondere hinsichtlich seiner Verteilungseffekte, untersucht. Denn in einer Effizienzpolitik, die zur Senkung des Energieverbrauchs führt, liegt nach Meinung der Autorin der Schlüssel für eine sozialverträgliche Gestaltung der Energiewende. Dies gilt allerdings nur dann, sofern jene, die einen größeren Anteil ihres Budgets für Energie ausgeben, auch Nutznießer effizienzpolitscher Maßnahmen sind. Denn aufgrund der vorrangig umlagefinanzierten Natur energie- und effizienzpolitischer Maßnahmen schultern einkommensschwache Haushalte andernfalls einen aus Gerechtigkeitsperspektive fragwürdigen höheren Beitrag für den Umbau des Energiesystems als ökonomisch stärkere Haushalte. Die vorliegende Studie zeigt, dass das gegenwärtige effizienzpolitische Maßnahmenportfolio negative Verteilungseffekte der Politik der Energiewende nicht adäquat kompensiert. Sogar das Gegenteil ist der Fall: die negativen Verteilungseffekte werden partiell noch verstärkt durch eine nicht–intendierte, aber faktische Exklusion einkommensschwacher Haushalte vom Nutzen effizienzpolitischer Maßnahmen. Die Studie schließt mit einem Plädoyer dafür, die Entlastung einkommensschwacher Haushalte bei der Transformation des Energiesystems nicht allein in den Verantwortungsbereich staatlicher Sozialpolitik zu delegieren. Zwar wird die Erhöhung sozialer Transferleistungen angesichts der konstatierten Deckungslücke zwischen Energiebedarf und Transferleistung als kurzfristig notwendig erachtet. Eine Anpassung von Transferleistungen an steigende Energiepreise ist aber dort nicht hinreichend, wo nicht das geringe Einkommen allein, sondern hohe Verbrauchsmengen aufgrund mangelnder Energieeffizienz von Stromanwendungen und/oder Gebäuden ursächlich für hohe und nicht mehr tragbare Energiekosten verantwortlich sind. Notwendig ist daher eine Effizienzpolitik, die nicht nur hinsichtlich der Höhe der erschließbaren Einsparpotenziale Prioritäten setzt, sondern auch hinsichtlich der Zielgruppen, die Effizienzinvestitionen nicht aus eigener Kraft tätigen oder Investitionsumlagen nicht tragen und daher die Vorteile effizienterer Energieanwendungen nicht nutzen können. Um die Sozialverträglichkeit der Transformation des Energiesystems nicht zu gefährden, muss das Thema „Energiearmut“ nicht nur öffentlichkeitswirksam und wahltaktisch, sondern systematisch in den Blickpunkt der Politik rücken. Entscheidend wird dabei sein, stärker als bisher Diskursarenen zu öffnen, in denen der bislang eher separat geführte sozial- und wohlfahrtsstaatliche Diskurs mit dem ebenfalls eher separat geführten energie- und umweltpolitischen Diskurs zusammengeführt wird. Nur so lassen sich innovative Strategien und konkrete Maßnahmen für eine sozialverträgliche Gestaltung der Energiewende entwickeln.
View lessVor dem Hintergrund der hohen Dynamik des Klimawandels untersucht der Beitrag die Möglichkeiten einer beschleunigten Diffusion klimafreundlicher Technik. Bei einer Klimapolitik, die auch industriepolitisch angelegt ist, lassen sich solche „Akzeleratoren“ beobachten. Dabei werden folgende Verstärkungsfaktoren behandelt: (a) die interaktive Innovationsdy-namik mit Rückkopplungseffekten, die eine ambitionierte Klimapolitik auslösen kann („mutually reinforcing cycles“), (b) der Mechanismus des nationalen Lead-Marktes mit glo-baler Diffusionswirkung, (c) die von Pionierländern ausgehende Diffusion technologie-basierter politischer Fördermaßnahmen („lesson-drawing“) und (d) die vertikal induzierte horizontale Innovationsdynamik im politischen Mehrebenensystem speziell auf der subnati-onalen Ebene. Allen Mechanismen ist gemeinsam, dass sie erstens von einem Wechselspiel zwischen Politik und Technik bestimmt sind, dass sie zweitens eine Mobilisierung ökonomi-scher Interessen für die Klimapolitik bewirken und dies drittens auf allen Ebenen der glo-balen Politik möglich ist (multi-level governance). Der explorative Beitrag bestätigt die Po-tenziale eines „polyzentrischen Ansatzes“ der Klimapolitik im Sinne Ostroms.
View lessDer Report gibt eine kurze Übersicht zu den Ergebnissen eines umfangreichen Forschungsprojektes zur Ausarbeitung von Eckpunkten eines ökologischen Wohlfahrtsmodells. Er gründet sich auf die Erkenntnis, dass das vorherrschende marktwirtschaftliche Modell mit seiner spezifischen Wertschöpfungs- und Wachstumslogik nicht in der Lage ist, die sich abzeichnende Entwertung und Vernichtung des Naturkapitals abzuwenden. In der Folge werden auch die soziale Grundlagen von Gesellschaften gefährdet: durch unmittelbare physische Gefährdungen und Risiken, durch im nationalen wie im internationalen Maßstab ungleiche Betroffenheiten und durch steigende Ausgaben für Kompensations- und Reparatur-maßnahmen. Auf internationaler Ebene ist – wenn auch in Wellen – eine Intensivierung sowohl der Diskussion über die Messung von Wachstum und Fortschritt als auch zum vorherrschenden Wachstums- und Wohlstandsmodell festzustellen. In den letzten Jahren hat die kritische Betrachtung des Bruttoinlandsprodukts als Wohlfahrtsmaß die Formulierung einer Fülle von neuen Wohlfahrtskonzepten befördert, die häufig dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet sind. Unter Etiketten wie „Green Growth“, „Zero Growth“ und auch „Degrowth“ werden darüber hinaus vielfältige Strategien und konkrete Handlungsempfehlungen diskutiert.Im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit haben die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung, das Forschungszentrum für Umweltpolitik und die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft mit Unterstützung von Prof. Nutzinger hierzu 2013 zwei Teilstudien vorgelegt. Die erste Teilstudie beinhaltet dabei einen doppelten Arbeitsschwerpunkt. Zum einen erfolgte eine umfangreiche Bestandsaufnahme und Auswertung von nationalen und internationalen Wohlstands- bzw. Wohlfahrtskonzepten, diese reichen von der Europa 2020-Strategie über UNEP-Green Economy-Studien bis hin zu kulturell sehr unterschiedlichen Ansätzen wie dem lateinamerikanischen „Buen vivir“. Charakteristisch für die mehr als 30 analysierten Beiträge ist, dass sie inhaltlich über die traditionellen Wachstumskonzepte hinausreichen, die auf EU-Ebene und in der Mehrzahl aller Konjunkturprogramme seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 erkennbar sind. Jedoch bestehen auch hier noch große Defizite, etwa bei der Formulierung ökologischer Ziele, und meist fehlt es auch an geeigneten Monitoringansätzen und Indikatoren zur Bilanzierung von gesellschaftlicher Wohlfahrt in einem übergreifenden Sinne. Der zweite Arbeitsschwerpunkt konzentriert sich auf ein konzeptionell erweitertes Modell der volkswirtschaftlichen Aktivitäten, welches die Umwelt mittels physischen und monetären Kenngrößen besser zu integrieren sucht. Diesem „positiven Grundmodell“ wird ein „normativ-politisches“ Modell zur Seite gestellt, das neben der ökologischen Dimension auch die politische Handlungsebene einbezieht. Es fordert ein eindeutiges Primat der ökologischen Ziele gegenüber dem Wachstumsziel auf der Basis der BIP-Messung. Dies muss nicht zwangsläufig eine wachstumskritische Grundannahme bedeuten. Vielmehr kann es um die Eröffnung von Chancen für ein selektiveres und innovativeres Wachstum gehen, um Ressourceneffizienzsteigerungen und generell die Sicherung gesamt- gesellschaftlicher Wohlfahrt, die somit gerade nicht den Abbau von Naturkapital und soziale Erosion in Kauf nimmt, um quantitatives Wirtschaftswachstum zu befördern.
View lessBased on a system of innovation (SI) perspective, this paper provides a dynamic analysis of innovation and industrial development in the emerging global solar energy sector. It focuses on developments in China and Germany within the context of an evolving international technological innovation system (TIS) for solar photovoltaics. The TIS approach is the most suitable for analyzing innovation systems in emergent technology fields, as it explicitly captures the dynamics of change in the system (Jacobsson & Bergek 2011). However, to date, the approach has been applied to analyze national TIS, largely ignoring international influences (Coenen et al. 2012). To fill this gap in the literature, the paper adapts and applies the TIS framework for the analysis of a co-evolving TIS. This is different from a purely international perspective, as manifested in the sectoral system of innovation (SSI) approach. The SSI approach may be appropriate for the analysis of more established innovation systems, where structures, actors and institutions are more stable (Coenen & Díaz López 2010). An emergent global TIS, however, remains highly susceptible to (policy) developments occurring in individual countries. To capture these dynamics, the concept of a multi-level TIS is proposed. This acknowledges that a global TIS is composed of a number of sub- systems (i.e. TIS) at the national and sub-national levels, which retain a certain degree of autonomy. At the same time, actors and networks are frequently not limited to a single geographic scale, as has been acknowledged in relational approaches to economic geography (Bathelt & Gluckler 2003; Yeung 2005). They may entertain linkages across multiple scales, often drawing on a physical presence in different localities. Such linkages allow developments in national (or sub-national) TIS to exert influences upon each other. The paper draws on this adapted version of the TIS concept to frame the empirical analysis of an evolving global TIS in solar photovoltaics. Building on a slightly expanded version of the system functions outlined by Bergek et al. (2008), the paper then traces the dynamic inter-linkages between Germany and China, as they have represented the most important drivers of change during the most dynamic period of TIS development. It sheds new light on the process of industry development and technological change in the emergent TIS for solar photovoltaics and highlights how different system functions have been provided throughout this process (considering third countries where appropriate) and how they have shifted geographically as the international TIS has matured.
View lessAfter decades of economic expansion, largely at the expense of environmental quality, new trends in environmental governance are taking shape in Asia. This paper analyses these developments in China, India, Vietnam and Indonesia. It finds that environmental governance within a “traditional” agenda of environmental protection remains severely hampered by capacity constraints. Simultaneously, all four countries have embarked on ambitious policy initiatives to address climate change and promote clean technologies, signaling an important shift in national priorities. The paper discusses possible implications of these trends, sketching possible scenarios for the further development of environmental governance.
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