Der Beitrag untersucht in kunst- und wissensgeschichtlicher sowie literaturwissenschaftlicher Perspektive Gregorio Comaninis Dialog Il Figino. Die Analyse zielt darauf, dieses bisher in der Forschung wenig beachtete Buch auf seine textuelle Verfasstheit sowie auf die Verhandlung von unterschiedlichen Wissensformen hin zu erfassen. Hierzu wird der Zusammenhang von Evidenz und Episteme analysiert. Es wird der These nachgegangen, dass jene Wissensformen, die die Wirkungsästhetik von Kunstwerken sowie die mediale Alterität und die genuinen ästhetischen und epistemischen Potentiale der Malerei betreffen, durch bestimmte Veranschaulichungs- und Diskursivierungsstrategien des kunsttheoretischen Dialogs zur Geltung gebracht und in ‚mitstreitender‘ Weise imitiert und kommentiert werden. So lassen sich der Status sowie die Reflexion von Wissen untersuchen, das begrifflich nicht fassbar und in diesem Sinne elusiv ist. Der Beitrag erläutert, wie elusives Wissen im Figino gerade durch das inszenierte Vortragen von Gedichten anschaulich gemacht, reflektiert, angeeignet und transferiert wird. Auf der Ebene der ästhetischen Kategorien wird zudem deutlich, dass die Konzeption der paradoxalen sprezzatura artificiosa begrifflich die Debatte um ‚kapriziöse‘ zeitgenössische Malerei markiert, die sich an den Normen der Regelästhetik und ihrem Schönheitsbegriff reibt. Es lässt sich zeigen, dass Comaninis Text unterschiedliche Evidenzierungsstrategien nutzt, die die zeitgenössische Praxis der gelehrten Bildbetrachtung und -kommentierung in Szene setzen und die imitazione fantastica als aktuelles malereitheoretisches Thema in die frühneuzeitliche Regelästhetik einbeziehen. Der Nachahmungsmodus der imitazione fantastica wird derart mit traditionell etablierten Wissensbeständen (imitazione icastica) konsolidiert. Comaninis Dialog erweist sich somit als relevanter Beitrag im ästhetischen Diskurs des fine Cinquecento und macht mit diesem Diskurs verknüpfte mediale Reflexionen sowie den historischen Wissensbegriff der kunsttheoretischen Debatte analysierbar.
Weniger anzeigenDie spätantike, frühbyzantinische Medizin (4.–7. Jh. n. Chr.) ist vor allem durch die drei Autoren Oribasius von Pergamon, Aetius von Amida und Paulus von Aegina geprägt, die allesamt Werke „enzyklopädischen“ Charakters verfassten. Während sich in der Forschung lange Zeit die Auffassung hielt, dass diese Autoren lediglich altes Material konservierten und abgesehen von dem glücklichen Umstand, dass durch ihre Werke einige Texte früherer Epochen auf uns gekommen sind, die andernfalls gänzlich verloren wären, nicht von Interesse seien, hat es sich mittlerweile etabliert, diese Früchte spätantiker Medizin als eigenständige literarische Produkte zu untersuchen. Diese neuere Forschung hat gezeigt, dass Oribasius, Aetius und Paulus ihre Quellentexte keineswegs nur blind kopiert, sondern durchaus Veränderungen, Neukontextualisierungen und Ergänzungen vorgenommen haben. Vor diesem Hintergrund zeigt der vorliegende Aufsatz anhand ausgewählter Textbeispiele, wie in den medizinischen „Enzyklopädien“ durch Ausschluss, Ablehnung und Annahme von tradiertem Wissen genau dieses Wissen in Bewegung geblieben ist und wie gerade eine Analyse des Zusammenspiels von Wissen, Transfer und Negation hilft, die enorme Eigenleistung dieser spätantiken „Enzyklopädien“ zu erkennen.
Weniger anzeigenZiel dieser Studie ist es zu zeigen, wie Boethius von Anfang an die Funktion der Logik an die durch sie gewonnenen Fertigkeiten knüpft, über Argumentationen gewonnenes Wissen zu prüfen und mithilfe von Argumentationen ausgehend von anerkannten Einsichten neues Wissen zu vermitteln. Die Methode der argumentativen Wissensvermittlung, wie Boethius sie in seinen Texten zur Topik, die zu den letzten Schriften seines Schaffens zählen, entwickelt, steht im Fokus der vorliegenden Untersuchung. Dabei soll detailliert nachvollzogen werden, wie nach Boethius einer Argumentation (argumentatio) „Kraft“ (vis bzw. virtus) und damit der Wissensvermittlung größtmögliche Glaubwürdigkeit verliehen werden kann (fidem facere). Zusätzlich wird eine Vorstellung verschiedener Argumentationsstrategien der Consolatio Philosophiae einen Einblick gewähren, wie sich Boethius eine Umsetzung seiner Theorie auch in literarischen und außerschulischen Wissensvermittlungspraktiken vorstellte.
Weniger anzeigenDie Frage nach der Eigenständigkeit des boethianischen Denkens ist für die Bewertung von Boethius’ logischem Werk so kontrovers wie grundlegend, da ihre Beantwortung zugleich Erkenntnisse zur Praxis und zu den Zielen des boethianischen Wissenstransfers erfordert wie auch auch ermöglicht. In diesem Aufsatz sollen Argumente, Beobachtungen und Überlegungen vorgestellt und diskutiert werden, die für und wider die Plausibilität der wirkmächtigen These James Shiels sprechen, wonach Boethius auch in seinen Kommentaren und logischen Traktaten lediglich Scholien übersetzte.
Weniger anzeigenFür wen schrieb Boethius seine Übersetzungen, Kommentare und Traktate zur Logik? Da es keine Anzeichen von einem mehr oder weniger geregelten Schulkontext gibt, in dem Boethius gelehrt hat und für den er seine Lehrbücher verfasste, wird der Fokus Fokus auf zwei Perspektiven gelegt. Zum einen werden die Spuren verfolgt, die Rückschlüsse auf das soziokulturelle Umfeld und das intellektuelle Milieu zulassen, in welches Boethius eingeflochten war. Zum anderen werden Boethius’ eigene Reflexionen unter dem Aspekt in den Blick genommen, inwiefern sie Hinweise auf sein intendiertes und auf sein tatsächliches Publikum liefern.
Weniger anzeigenDer Beitrag untersucht die Kategorie des Erfahrungswissens als eine spezifische Form elusiven Wissens am Beispiel von Leon Battista Albertis 'Libri della famiglia' (1433–41). Im Zentrum steht die Frage, wie in diesem ökonomischen Dialog der Renaissance das Problem der Vermittelbarkeit von Erfahrung verhandelt wird und mit welchen diskursiven Strategien ihm begegnet wird. Zunächst erfolgt ein Aufriss des Problemfeldes, inwiefern Erfahrungswissen als eine Form elusiven Wissens zu bewerten ist (1). Dann zeigt ein skizzenhafter historischer Überblick, dass das rinascimentale Lob der Erfahrung auf eine lange, bereits antike Tradition rekurriert (2). Anschließend werden verschiedene Strategien untersucht, mittels derer die Sprecher in Albertis Dialog Erfahrung zu fassen und zu vermitteln versuchen: der Umgang mit erfahrenen Leuten (3.1), das Erzählen von Anekdoten (3.2) und die Entwicklung einer erfahrungsbasierten Lehre (3.3). Abschließend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit die Dialogfiktion selbst als ein Versuch gelten muss, dem Leser historisches Erfahrungswissen auf besonders anschauliche Weise, nämlich im Als ob eines lebendigen Gesprächs, zu vermitteln (4).
Weniger anzeigenZiel dieses Aufsatzes ist es, den Geltungsanspruch zu ergründen, den Hesiod seinem dichterischen Werk einschreibt.
This article discusses the change in the relationship between natura and ars that occurred when Cartesian language theories penetrated conceptions of rhetoric in France during the 17th century. In part one, the article considers the reception of Descartes by the French universities and collèges in order to explore what I call the epistemic transfer between Aristotelianism and the new Cartesian philosophy. The focus then shifts to Bernard Lamy’s conception of rhetoric as presented in his principal work De l’art de parler (1675). Based upon the Cartesian theory of passions, Lamy’s book redefines rhetoric in a way that has been labelled in current research as a ‘grammar of affects’. The fundamentals of the ars rhetorica are thus substantially altered, however without eliminating the power of the rhetorical tradition. The third section turns to the prize contests of the French academies in the 18th century in order to show the extent to which the transformation of rhetorical theory affected the broader practice of eloquence. Moreover, the rhetorical prize contests demonstrate an explicit reflection on the diverging modes of knowledge production that are essential, on the one hand, to the exact sciences and, on the other, to the textual tradition. Particularly striking is the critique of scientific method that was developed by the defenders of rhetoric in the concours académique.
Weniger anzeigen