Gelb entwickelt mit dem Anbruch des Fin de siècle in politischer, sozialer und ästhetischer Hinsicht eine Dynamik, die sich durch das Selbstbewusstsein der Dekadenz (gelbe Bücher, Yellow Book), die Ausbreitung von Massenmedien (Yellow Journalismus) sowie transkultureller Bewegungen (Yellow Peril) auszeichnet. In dieser Studie entwickele ich die These, dass Gelb vornehmlich im mitteleuropäischen Raum eine spezifische Bedeutung als eine Farbe einnimmt, durch die avantgardistische Schriftsteller ein von Aufklärung und Romantik ererbtes, oppositionelles Werte-System dekonstruieren. Historisch ist Gelb in der westlichen Kultur die Farbe des Lichts, der Illumination, der Aufklärung sowie des Goldes (absoluter Wert), aber eben auch die Farbe des Sterbens, des Zerfalls und der Exkremente (eine Figur von Negativität). Im Mittelalter wurden Prostituierte wie Juden dazu gezwungen, gelbe Zeichen als Stigmata zu tragen. Anders als die dialektischen Farben Schwarz und Weiß enthält Gelb somit seine Oppositionen in sich selbst - ein Punkt, den Goethe in dem historischen Teil seiner Farbenlehre formuliert. Die "sinnlich-sittliche Wirkung" des Gelben entfaltet bereits in der Farbenlehre eine emblematische Gewalt, die den Rahmen der Symboltheorie sowie von Abstraktionsprozessen sprengt. Farben werden zumeist als Symbole behandelt. Die gelben Motive, mit denen ich mich in meiner Dissertation auseinandersetze, erfordern jedoch eine deutlich andere Herangehensweise. Ich argumentiere, dass die gelben Phänomene in den Texten (im Zeitraum vom späten 19. bis zum frühen 20.Jahrhundert) am ehesten im Auerbachschen Sinne von Figuren angemessen verstanden werden können. Die Behandlung von gelben Phänomenen als Figuren erlaubt es, Verbindungen zwischen scheinbar isolierten Phänomenen (Kunstwerken, Zeichen, Ereignissen) herzustellen, und auf diese Weise ein komplexeres Verständnis von Texten dieser Zeit zu erzielen. In Texten von Autoren wie Hofmannsthal, Gilman, Woolf und Jahnn zeige ich, inwiefern Gelb Textpassagen bestimmt, an denen sich positive und negative Pole treffen und einander unterlaufen, und dabei eine Poetik der Ambivalenz initiieren, die umgekehrt als ein Mikrokosmos von genereller kultureller Ambivalenz gesehen werden kann wie sie in Massenmedien und Politik am Werke ist. Diese Ambivalenz des Gelben ist nicht nur in literarischen Texten präsent, sondern auch in kulturellen Phänomenen wie dem so genannten gelben Stern, den Juden in den 30er und 40er Jahren zu tragen gezwungen wurden. Momente von potentieller Transzendenz - gelbe Flecken an Wänden, gelbe Markierungen - enthüllen sich als textuelle oder kulturelle Zitationen, die einen Raum von Selbst-Reflexivität und Selbst-Einschätzung kreieren. Die berühmten modernen "Epiphanien" begegnen umgekehrt als Abstieg in vergängliche Materialität. Gelb illuminiert seine eigene Negativität; eine Negativität, die nicht getrennt von utopischen Momenten betrachtet werden kann. Durch das Prisma literarischer Texte untersucht diese Studie die Signifikanz des Gelben als moderne Farbe in dem Nexus von kulturellen Artefakten, Massenmedien und visueller Kunst.
This dissertation examines how certain extra-literary techniques derived from mass media were assimilated and deployed in avant-garde texts, specifically with regard to the color yellow. As the color of ambivalence, yellow is seen as best able to concretize and activate the divergent cultural forces at work during the fin de siècle period and the early twentieth century. This study departs from the normal practice of treating colors as symbols. I use Auerbach's conception of "figura" (that is, the mimetic relations between concrete historical events as a function of their temporal dimension) to show how yellow retains its realism and its materiality. Through a minute analysis of literary texts, I develop the idea that yellow has a special significance for modernist and avant-garde writers as a color that overturns or reinscribes a value system that it had previously supported. Historically, in Western culture, yellow has been associated with the positive values of light (illumination, enlightenment) and gold (absolute value) but also with the negative aspects of life: death, decay, excrement. Unlike the dialectical colors of black and white, yellow contains its opposition within itself. Yellow thus has a polarity that distinguishes it from other colors, endowing it with a dynamic force. I thus contend that modernist writers of the fin-de- siècle and early twentieth century undertake a deconstruction of the polarity of yellow: in authors such as Hofmansthal, Woolf, Gilmam, Jahnn, I show how yellow becomes a site in which positive and negative poles meet and subvert each other, leading to a poetics of ambivalence that in turn can be seen as a microcosm of a general cultural ambivalence at work in mass-media and politics. This ambivalence of yellow can be seen at work not only in literary texts but also in cultural phenomena such as the Jewish Star that Jews were forced to wear in the 1930's and 40�s: an emblem of spiritual light and of degradation and exclusion. Moments of potential transcendence - yellow spots on walls, yellow markers - are revealed to abortive moments of return and reinscription: citations of textual or cultural matter, they create a space of self-reflexivity and self-evaluation. The famous modernist "epiphanies" are instead a decent into an abject materiality. Yellow illuminates its own negativity, a negativity that cannot be disengaged from the desire for a utopic moment. Thus this study examines the significance of yellow as a modern color in the nexus of cultural artifacts, mass media, and visual art, through the prism of literary texts.