Zur Behandlung alkoholbezogener Störungen stehen verschiedene pharmako- und psychotherapeutische Interventionen zur Verfügung, deren Wirksamkeit grösstenteils durch methodisch hochwertige Studien und Meta-Analysen belegt ist, deren Effekte im Einzelnen jedoch nur gering bis moderat sind. Somit kommt der Evaluation innovativer Therapiestrategien eine erhebliche Bedeutung bei der Optimierung der Therapie alkoholabhängiger Patienten zu. Die in dieser Habilitationsschrift beschriebenen Studien sollten in diesem Kontext einen entsprechenden Beitrag leisten. Da zur Pharmakotherapie bei der ambulanten Alkoholentzugsbehandlung weder zugelassene Substanzen noch klare Therapierichtlinien vorliegen, wurde in einer offenen, observationalen Studie die Wirksamkeit und Sicherheit des Antikonvulsivums Levetiracetam untersucht. Die Befunde weisen auf eine Wirksamkeit dieser Substanz bei akzeptablem Nebenwirkungsprofil in dieser Indikation hin, allerdings werden Studien mit randomisiertem, kontrollierten Design in vergleichbaren Settings benötigt, um eine abschliessende Beurteilung dieser pharmakologischen Intervention vornehmen zu können. Für die stationäre Behandlung des Alkoholentzugssyndroms sind mehrere pharmakologische Therapieoptionen verfügbar, allerdings limitieren unerwünschte Wirkungen wie beispielsweise Lebertoxizität deren Einsatz. Basierend auf positiven Befunden aus präklinischen und ersten klinischen Studien erfolgte daher die Evaluation von Pregabalin mithilfe eines randomisierten und Placebo-kontrollierten Designs. Entgegen der Hypothese fanden sich keine Hinweise auf eine Überlegenheit der Substanz gegenüber Placebo bei der Therapie des Alkoholentzugssyndroms. Das Nebenwirkungsprofil stellte sich dabei in Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen als günstig heraus. Insbesondere aufgrund der niedrigen Fallzahl und der relativ niedrig gewählten Dosis müssen diese Befunde jedoch als vorläufig angesehen werden; weitere Untersuchungen dieser Substanz in dieser Indikation erscheinen gerechtfertigt. Der selektive GABA-B Agonist Baclofen wurde hinsichtlich seiner Wirksamkeit, Verträglichkeit und des zugrundeliegenden Wirkmechanismus bei der pharmakologischen Unterstützung der Abstinenz untersucht. Im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung zeigte sich ein signifikanter Effekt einer individuell titrierten Hoch-Dosis-Therapie auf die Abstinenz alkoholabhängiger Patienten. Hinweise für eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung fanden sich in dieser Studie nicht. Die Verträglichkeit der Substanz ist, in Einklang mit Befunden früherer Studien, als günstig einzuschätzen, Hinweise für Absetzsymptome oder eine Abhängigkeitsentwicklung ergaben sich nicht. Die beschriebenen Ergebnisse müssen nun in grösseren klinischen Studien repliziert werden. Basierend auf präklinischen Befunden, die eine Modulation der Expression des Proteins BDNF durch Baclofen beschreiben, erfolgten zudem Bestimmungen der BDNF-Serum-konzentrationen im Verlauf einer individuell titrierten Hoch-Dosis-Behandlung mit Baclofen. Hierbei ergaben sich jedoch keinerlei Hinweise auf einen Effekt der pharmakologischen Intervention auf die BDNF-Serumkonzentrationen. Die Aussagekraft dieser Befunde ist jedoch aufgrund der geringen Fallzahl dieser Pilotstudie sehr begrenzt, sodass mögliche Effekte von Baclofen auf neurotrophe Faktoren, deren Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Alkoholabhängigkeit diskutiert wird, im Rahmen zukünftiger Studien mit grösseren Fallzahlen untersucht werden müssten. Um den zugrundeliegenden Wirkmechanismus von Baclofen bei der Alkoholabhängigkeit besser ergründen zu können, könnten weiterhin andere Methoden wie etwa die pharmako-fMRT eingesetzt werden. Im Hinblick auf neue psychotherapeutische Behandlungsstrategien erfolgte die Evaluation einer auf Expositionsverfahren basierenden Intervention. Ausgehend von Befunden bei gesunden Probanden, nach denen die repetitive Imagination des Konsums von Nahrungsmitteln zu einem nachfolgend gegenüber einer Kontrollgruppe reduzierten tatsächlichen Konsum dieser Nahrungsmittel führte, sollte überprüft werden, inwieweit die repetitive Imagination von Alkoholkonsum zu einer Reduktion von Craving führt. Dabei fand sich jedoch kein signifikanter Effekt dieser Intervention auf das Trinkverlangen alkoholabhängiger Patienten. Möglicherweise verhinderte eine zu geringe Anzahl von repetitiven Imaginationen bzw. eine zu geringe Therapiedauer die Induktion einer Habituation bei den Betroffenen. Andererseits könnte gerade eine eingeschränkte Fähigkeit zur Habituation bezüglich alkoholassoziierter Reize ein Schlüsselelement der zugrundeliegenden Pathologie bei alkoholabhängigen Patienten darstellen. Weitere Studien mit grösseren Fallzahlen wären notwendig, um die Wirksamkeit einer imaginativen Expositionsbehandlung bei der Alkoholabhängigkeit abschliessend beurteilen zu können.
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