Einleitung: Ziel des BMBF-Verbundprojektes war die Weiterentwicklung bereits etablierter Alternativmethoden zum Tierversuch unter dem Titel: „Entwicklung eines Biotransformationssystems für die metabolische Aktivierung von validierten in-vitro-Systemen zur Prüfung auf Embryotoxizität“. In der in diesem Rahmen entstandenen Dissertation wurden als embryotoxisch bekannte Substanzen und ihre Metaboliten (Cyclophosphamid/Acrolein, Retinol/alltrans- Retinsäure, Valpromid/Valproinsäure, Albendazol/Albendazolsulfoxid, Acetylaminofluoren/ N-Hydroxy-Acetylaminofluoren) in der Whole Embryo Culture (WEC) mit Rattenembryonen verwendet, um im Vorfeld der Metabolisierungsversuche durch Einzeluntersuchung und Mischung der Substanzpaare (im Verhältnis 80/20 und 50/50) den maternalen Metabolismus zu simulieren und die Wirkung der einzelnen Substanzen und deren Mischungen auf den Embryo detailliert darzustellen. Material und Methoden: Die Substanzen wurden zuerst jeweils einzeln in ansteigenden Konzentrationen und dann mit ihrem dazugehörigen Metaboliten im Mischungsverhältnis 80/20 und 50/50 in der WEC (Gestationstag 9,5) unter einem definierten Gaspartialdruck bei 38,5 °C für 48 Stunden in einem rotierenden System inkubiert. Danach wurden die Beobachtungen anhand des morphologischen Scoring-Schemas unter der Stereolupe ausgewertet. Ergebnisse: Die fünf untersuchten Ausgangssubstanzen – Cyclophosphamid, Retinol, Valpromid, Albendazol und Acetylaminofluoren – entstammen unterschiedlichen Substanzgruppen, jedoch ließen sich Parallelen in den hervorgerufenen Fehlbildungen bei Rattenembryonen in der mikroskopischen Auswertung beobachten. Alle Ausgangssubstanzen riefen mit jeweils aufsteigender Konzentration eine Reduzierung der Scheitel-Steiß-Länge, des Proteingehalts, der Ausprägung der Dottersackdurchblutung und einen Rückgang des Scorewertes hervor. Meist war auch eine Abnahme der Somitenzahl zu verzeichnen. Im Detail ließen sich substanzspezifische Veränderungen erkennen. Von den teratogenen Effekten der einzelnen Substanzen war hauptsächlich der Kopfbereich, insbesondere die Entwicklung des Telenzephalons betroffen. Cyclophosphamid verursachte ab einer Konzentration von 200 μg/ml (716,5 μM) ein Fehlen der Augenanlage und ein nicht mehr entwicklungsphysiologisch ausgebildetes, d. h. ein verzögert entwickeltes Telenzephalon. Auch Retinol rief (ab 2,5 μg/ml bzw. 8,7 μM) Veränderungen an der Kopfregion hervor: Bei 66,6 % der Embryonen zeigte sich ein offener kranialer Neuroporus. Ab einer Konzentration von 5,0 μg/ml (17,5 μM) war dieser Bereich zu 100 % abnorm, das Telenzephalon zeigte eine höckerig erscheinende Oberfläche und mehrere auffällige Hämorrhagien; Augen- und Ohranlagen fehlten ab dieser Konzentration vollständig. Bei Albendazol erfolgte eine verminderte Ausbildung des Telenzephalons, wobei das Neuralrohr komplett geschlossen war. Acetylaminofluoren verursachte ab 50 μg/ml bzw. 223,9 μM teilweise deutliche Nasenplakoden und eine offene Neurulation. Ab einer Konzentration von 200 μg/ml (895,7 μM) war das Telenzephalon nicht mehr zu er kennen, dafür waren bei allen Rattenembryonen deutlich ausgebildete Nasenplakoden zu sehen, die teilweise hämorrhagisch durchsetzt waren. Das Neuralrohr war kranial offen. Die Substanz Valpromid rief hingegen keine mikroskopisch erkennbaren Veränderungen am Telenzephalon hervor. Für Cyclophosphamid, Valpromid und Acetylaminofluoren war die nicht mehr vollständige Drehung des Rumpfes bzw. die als abnorm zu wertende „Eichhörnchenhaltung“, bei der keine Rotation des embryonalen Rumpfs mehr stattfand, eine typische Fehlbildung der Rattenembryonen. Ebenso war ein Einfluss auf die Entwicklung der Herzanlage durch Retinol und Albendazol zu beobachten. Retinol bewirkte ab 2,5 μg/ml (8,7 μM) eine nicht mehr vollständige Ausbildung der Herzanlage, so dass mikroskopisch nur Herzschläuche ohne entwicklungsphysiologische Windung zur Herzschleife zu erkennen waren. Charakteristisch für die durch Albendazol hervorgerufenen Veränderungen war das blasenförmig aufgeworfene Perikard. Weitere substanzspezifische Veränderungen waren bei Retinol die vollständige Verwachsung des Amnions mit dem Rumpf ab einer Konzentration von 5,0 μg/ml bzw. 17,5 μM sowie das verzögerte Wachstum der hinteren Gliedmaßenanlagen und Schwanzanlage bereits ab 2,5 μg/ml (8,7 μM). Nach Inkubation mit Valpromid in höheren Konzentrationen erschienen die Rattenembryonen nicht mehr vollständig gedreht; in der höchsten Konzentration waren die meisten Embryonen dysmorph. Die Versuche mit den 80/20- und 50/50-Mischungen der jeweiligen Substanzpaare verliefen im Ergebnis überwiegend erwartungsgemäß, d. h. entsprechend ihrer Toxizitätsergebnisse aus den Einzeluntersuchungen. Diskussion: Im Vergleich der jeweiligen Ausgangssubstanzen mit ihrem Metabolit zeigten sich Veränderungen an den Embryonen meist in den gleichen Körperregionen und ähnelten den in der Literatur beschriebenen Effekten. Auffällig war vor allem bei Retinol und seinem Metaboliten all-trans-Retinsäure, dass in beiden Mischungen eine deutlich erhöhte Toxizität im Vergleich zu den Einzelsubstanzuntersuchungen zu beobachten war. Schon ab der zweithöchsten Konzentration (0,83 μM) in der 80/20-Mischung waren offene kraniale Neuropori und eine nur unvollständige Rotation des Rumpfes festzustellen, während im Einzelversuch mit dem Metaboliten statistisch signifikante Veränderungen erst ab 1,66 μM bzw. 0,5 μg/ml auftraten. In der 50/50-Mischung war diese Entwicklung noch auffälliger: Hier waren schon ab 0,33 μM (0,1 μg/ml) eine unvollständige Drehung und offene Neuropori zu erkennen. Ein gegenteiliges Ergebnis wies die Albendazol/Albendazolsulfoxid-Kombination auf: Hier war der Metabolit weniger wirksam. Dementsprechend waren die beiden Mischungen deutlich weniger toxisch und damit auch weniger teratogen als die Ausgangssubstanz. Schlussfolgerung: Die WEC mit Rattenembryonen eignet sich für die Untersuchung verschiedener Substanzen in Mischung, vor allem für die Simulation der maternalen Metabolisierungskapazität. Diese Ergebnisse können als Grundlage für die zukünftige Integration eines realen Metabolisierungssystems in die WEC genutzt werden.
Introduction: The aim of the BMBF-project “Development of a biotransformating system for the metabolic activation of validated in-vitro-systems to assess embryotoxicity” is to further develop already established alternative methods for animal testing. In this dissertation, embryotoxic substances and their metabolites (cyclophophamide/acrolein, retinol/all-transretinoic acid, valpromide/valproic acid, albendazole/albendazole sulfoxide, acetylaminofluorene/ N-hydroxy-acetylaminofluorene) have been tested in the WEC with rat embryos to simulate the maternal metabolism and to establish precise concentration-response-curves, followed by examination of substance combinations (in 80/20 and 50/50 ratios) on the embryo. Substances and methods: First, the substances were tested at increasing concentrations und then combined with their associated metabolite as part of a 80/20 and 50/50 ratio, in the WEC with rat embryos (9,5 days old). The embryos were incubated under defined conditions in a rotating system for 48 hours and the results were evaluated on the basis of a morphologic scoring system. Results: The five examined substances (cyclophosphamide, retinol, valpromide, albendazole, acetylaminofluorene) originate from different substance groups, however, they displayed similarities in the evoked malformations of rat embryos. With increasing concentrations, all substances led to a reduction of size, protein content, somites, and yolk sac vasculogenesis and a decrease in scoring parameters. More specifically, substance-specific alterations were detected. Mostly, the development of the telencephalon was affected. From a concentration of 200 μg/ml (716,5 μM) upward, cyclophosphamide led to the missing of the eye anlage and a stunted telencephalon. Retinol caused also alterations of the telencephalon (at 2,5 μg/ml / 8,73 μM): 66,6 % of the embryos had an open cranial neuroporus. At a concentration of 5,0 μg/ml (17,5 μM), 100 % of the embryos were abnorm, the telencephalon displayed an uneven surface and several hamorrhagies; the eye- and ear anlagen were completely missing. Albendazole caused an impared development of the telencephalon, but with a closed neural tube. Acetylaminofluorene (50 μg/ml bzw. 223,9 μM) led to the development of placodes of the nose and open neural tubes. At a concentration of 200 μg/ml (895,7 μM) or higher, the telencephalon did not exist anymore, but placodes of the nose and hamorrhagies could be found in all rat embryos. The cranial neural tube was open. Valpromide did not cause any microscopically visible alterations of the telencephalon. Characteristic for cyclophosphamide, valpromide and acetylaminofluorene was the incomplete rotation of the trunk, causing a “squirrel-like” position. Retinol and albendazole showed an effect on the heart. At 2,5 μg/ml, retinol caused an incomplete amnion development, displaying microscopic malfunctions of the cardiac loop, and albendazole caused a malformation of the pericard. Characteristically, retinol also caused a complete adhesion of amnion and trunk at a concentration of 5 μg/ml (17,5 μM). At 2,5 μg/ml (8,7 μM) the composition of the hind limbs and tail was retarded. Valpromide did not induce specific or characteristic malformations. At higher concentrations, the rat embryos did not completely rotate, and at the highest tested concentration, most embryos were malformed. The 80/20 and 50/50 combinations of most of the substances caused effects and were in agreement with the results observed with compounds when tested alone. Discussion: Comparing the test compounds with their metabolites, alterations of the rat embryos were found to be mostly in the same body parts and similar to effects described in earlier publications. Most notably was the higher toxicity found among the retinol/all-transretinoic acid-combination in comparison to the testings of retinol and its metabolite alone. At the second concentration (0,83 μM) of 80/20 combination, open cranial neuropori and an incomplete rotation of the trunk was visible, while by testing retinol and its metabolite alone, statistically significant alterations occurred only at concentrations of 1,66 μM and higher. This effect was even more pronounced with the 50/50 combination: The first alterations (incomplete rotation and open neuropori) were already observed at levels of 0,33 μM (0,1 μg/ml). Converse results, however, were found with albendazole/albendazole sulfoxide combination. The metabolite was less toxic than the parent compound. As a result, both combinations displayed less pronounced effects than the parent substance alone. Conclusion: The WEC with rat embryos is appropriate for analysing various substances in combination, thus simulating the situation induced by maternal metabolic activity. The results will be an essential prerequisite for the development and integration of a metabolizing system into the WEC.