Autoimmunerkrankungen und Allergien zeigen in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere in den hochentwickelten Ländern nördlicher Breitengrade eine unverhältnismäßige Prävalenzzunahme. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen liefert die Hygienehypothese. Dieser Theorie nach führt eine mangelnde Auseinandersetzung des Organismus mit pathogenen Keimen in Kindheit und Jugend zu einer Fehlregulierung des Immunsystems und Autoimmunität. Um die zugrundeliegenden Pathomechanismen zu erklären, wird unter anderem das Th1-Th2-Modell angeführt mit einer Dysbalance zwischen zwei reziprok regulierten Untergruppen von CD4+ T-Zellen: proinflammatorisch wirksame Th1-Lymphozyten (Produktion von IFNγ, IL2) und antiinflammatorisch wirksame Th2-Lymphozyten (IL4, IL10). Innerhalb der letzten Jahre wurden zahlreiche Daten gewonnen, die eine immunmodulierende Wirkung parasitärer Infektionen mit Th1-Th2-Shift bei Autoimmunerkrankungen beweisen, sowohl im Tierversuch als auch in der Anwendung am Menschen. Eier des nicht humanpathogenen Helminthen Trichuris suis (T. suis) wurden beispielsweise bei Patienten, die unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen leiden, erfolgreich und nebenwirkungsarm eingesetzt. Mehrere Veröffentlichungen berichten über erfolgreichen Einsatz von Parasiten, z. B. Schistosoma mansonii, an Mäusen mit Experimenteller Autoimmun-Enzephalitis. Von diesen vielversprechenden Daten ausgehend wurde in der vorliegenden Arbeit erstmalig die immunmodulatorische Wirkung von T. suis ova (TSO) bei Patienten mit Sekundär progressiver Multipler Sklerose analysiert. Vier Patienten nahmen im Rahmen eines individuellen Heilversuches über 6 Monate in 2-wöchentlichen Abständen 2500 TSO per os ein. Zu acht vorher definierten Zeitpunkten wurde die Entwicklung unter Therapie analysiert. In einer breit angelegten Screening-Untersuchung wurden alle peripheren Immunzellen über den gesamten Therapieverlauf und darüber hinaus kontrolliert. Hierbei wurde insbesondere untersucht, ob es unter Einnahme von T. suis ova zu einem Th1-Th2-Shift von CD4+ T-Helferzellen kommt, ob sich die qualitative und quantitative Zusammensetzung der T-Zellen verändert und ob Zellen der spezifischen und unspezifischen Immunität sowie Serum-Immunglobuline Veränderungen zeigen. Parallel wurden CD56++ NK-Zellen untersucht, denen immunmodulatorische Eigenschaften zugeschrieben werden. Des Weiteren wurden allgemeine hämatologische Parameter, Leber- und Nierenwerte sowie das Auftreten klinischer Wirkungen und Nebenwirkungen regelmäßig kontrolliert. Zur Untersuchung des Zytokinprofils von CD4+ T-Zellen wurden zwei verschiedene Methoden der in-vitro Stimulation von CD4+ T-Zellen angewandt. Erstens wurden diese im Vollblut mittels Superantigenen (Staphylococcal Enterotoxin A und B, Toxic Shock Syndrome Toxoid) plus CD28-AK stimuliert, zweitens MACS-selektiert, kurzzeitkultiviert und mittels PMA/Ionomycin stimuliert. Durchflusszytometrisch wurden daraufhin die Zytokinproduktion der CD4+ T-Helferzellen allgemein sowie in ihren Subgruppen erfasst. Zudem wurden quantitative und qualitative Änderungen der CD4+ und CD8+ T-Lymphozyten, B-Lymphozyten NK-Zellen und Monozyten durchflusszytometrisch analysiert. Mittels ELISA erfolgte die Quantifizierung der Serum-Immunglobuline IgG inclusive Untergruppen und IgE. Durchflusszytometrisch zeigte sich unter TSO-Einnahme ein leicht supprimierter Anteil der IL2 und insbesondere IFNγ-produzierenden CD4+ T-Zellen, am niedrigsten nach zwei Monaten (in der Superantigen-Stimulation). Die Analyse der CD4+ T-Zell- Subgruppen konnte dieses Ergebnis nur teilweise reproduzieren. IL4-produzierende T-Zellen stiegen unter TSO leicht an, IL10-produzierende zeigten kaum Veränderungen. Ein ausgeprägter Th1-Th2-Shift konnte also nicht nachgewiesen werden. Das Verhältnis der jeweils produzierten Zytokine (am stärksten IL2, am geringsten IL10) blieb unter TSO-Therapie konstant. CD4+, insbesondere naive, und CD8+ T-Zellen erreichten nach 2 Monaten Therapie die niedrigsten Werte im gesamten Zeitraum. Eosinophile, IgE und IgG4 als parasitentypische Parameter zeigten ebenso wie der Anteil der CD56++ NK-Zellen teilweise einen moderaten Anstieg. Andere immunologische Parameter, rotes Blutbild sowie Leber- und Nierenwerte blieben unverändert. Klinisch konnte bei drei von vier Patienten eine Stabilisierung ohne Krankheitsprogredienz, verbunden mit subjektiv erhöhtem Wohlbefinden bei fehlenden Nebenwirkungen beobachtet werden. Ein Patient zeigte im Untersuchungszeitraum eine leichte Progredienz der MS. Die Ergebnisse sprechen für einen milden immunmodulatorischen Effekt von TSO mit einer partiellen Th1-Suppression bei nebenwirkungsarmer und sicherer Einnahme.
Initial clinical trials using Trichuris suis ova (TSO) in autoimmune diseases such as inflammatory bowel disease revealed a striking suppressive effect on the autoimmune response. Here, we analyzed the effect of TSO therapy on the course of multiple sclerosis (MS), as a Th1/Th17-associated autoimmune disease. We surveyed different immunological parameters in four patients with secondary progressive MS during a 6-month therapy with TSO, focussing on the modulation of T cell Th1-Th2 balance as well as on the innate immune response. We are able to show a slight downregulation of the Th1-associated cytokine pattern, especially relevant in IL-2 (p<0,05 after two months of therapy), with a temporary increase of a Th2-associated cytokines such as IL-4. Furthermore, mild eosinophily and changes in CD4+ and CD8+ T cells and natural killer (NK) CD56 bright cell numbers were observed. The findings observed in this group of patients suggest that TSO therapy has a moderate immunomodulatory impact in MS.