Einleitung: Untersucht wird das hausärztliche Selbstverständnis in der Prävention am Beispiel der Gesundheitsuntersuchung nach § 25 SGB V (GU) und der verhaltenspräventiven Beratung. Hierzu werden erstmals repräsentativ Einschätzungen und Meinungen Brandenburger Hausärzte beschrieben. Die GU ist ein seit 1989 bestehendes Programm an der Schnittstelle von Primär- und Sekun- därprävention. Eine systematische Evaluation steht bislang aus. Vermutet wird eine uneinheitliche Anwendung der GU; deren Effektivität und Nutzen werden häufig angezweifelt. Vor diesem Hintergrund werden Nutzung und Bewertung der GU durch die Hausärzte und ihre Einstellung zu bevölkerungsmedizinischer Prävention untersucht. Verhaltenspräventive Beratung (z. B. zu Rauchverhalten, Bewegungsmangel etc.) ist ein wichtiger Baustein der Primärprävention. Allerdings gibt es Hinweise, dass Hausärzte bisher kaum als „Gesundheitsberater“ wahrgenommen werden. Untersucht wird deshalb, wie sie selbst ihre Rolle in der Verhaltensprävention sehen und die eigenen Möglichkeiten einschätzen und wer ihrer Meinung nach vorrangig für die Gesundheitsförderung zuständig sein sollte. Methoden: Ein selbst entwickelter Fragebogen wurde an etwa 50% der Brandenburger Hausärzte verschickt (n=748). Der erste Teil befasste sich mit der GU: Es sollten die Häufigkeit der Anwendung, Erweiterungen des diagnostischen Spektrums, Einschätzungen zum Nutzen des Programms und Verbesserungsmöglichkeiten angegeben werden. Außerdem wurde die Meinung zur hausärztlichen Zuständigkeit für bevölkerungsmedizinisch angelegte Präventionsprogramme erfragt. Der zweite Teil bezog sich auf das Selbstverständnis in der verhaltenspräventiven Beratung, die Einschätzung der eigenen Kompetenz und zeitlichen Ressourcen, die Delegation von Beratungsaufgaben und die hausärztliche Rolle in der Gesundheitsförderung. Außerdem wurden Fragen zu Person und Praxis des Befragten gestellt. Es wurden Ja-Nein-Fragen, Eingruppierungsfragen, Likert-Skalen sowie offene Fragen verwendet. Die Teilnahme erfolgte anonym. Es wurde telefonisch an die Befragung erinnert, um den Rücklauf der Fragebögen zu steigern. Ergebnisse und Diskussion: 37% (n=274) der angeschriebenen Hausärzte nahmen an der Befragung teil. Unter den Antwortenden waren Allgemeinmediziner gegenüber hausärztlich tätigen Internisten sowie Praktischen Ärzten etwas stärker repräsentiert. Die Befragten führten die GU im Jahr 2008 im Median 40-mal pro Quartal durch. Die größte Gruppe führt die GU nach eigener Schätzung bei 30-50% der Patienten zumindest einmal und bei 10-30% der Patienten regelmäßig etwa alle zwei Jahre durch. Die Häufigkeit und Art der Durchführung ist sehr unterschiedlich. 96% der Ärzte verknüpfen die GU mit zusätzlicher Diagnostik zur Früherkennung (häufigste: Kreatinin-Bestimmung). Es besteht offenbar eine Tendenz zu möglichst umfassender Erkundung des Gesundheitszustands im Einzelfall. Der bevölkerungsmedizinische Charakter der GU wird dadurch relativiert. Etwa die Hälfte der Ärzte gibt an, dass zusätzliche Untersuchungen zumindest teilweise vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. Eine Verknüpfung der GU mit Maßnahmen der Malignom-Früherkennung erfolgt relativ selten (Minderheit der Ärzte). In ihrer Bewertung der GU erscheinen die Befragten ambivalent – so wird mehrheitlich das Standardprogramm pauschal für wenig sinnvoll gehalten, während die nach Funktionen differenzierte Bewertung positiver ausfällt. Die Kritik bezieht sich vor allem auf das relativ schmale diagnostische Spektrum. Der Nutzen wird eher bei der Einflussnahme auf Risikoverhalten als bei der Früherkennung bereits manifester Erkrankungen gesehen. Daneben erfüllt die GU auch prozessbezogene Funktionen für die Versorgungspraxis. Die Zuständigkeit für standardisierte bevölkerungsmedizinisch angelegte Präventionsprogramme wie die GU wird mehrheitlich als bei den Hausärzten richtig angesiedelt betrachtet. Auch die Beratung zu verhaltensbedingten Gesundheitsrisiken wird in der Regel als Aufgabe akzeptiert. Diese Bereitschaft geht meistens über die reine Informationsvermittlung hinaus und umfasst auch die Motivierung der Patienten. Bezüglich eines weitergehenden Engagements (zum Beispiel Kontrolle der Umsetzung von Empfehlungen, Einbeziehung sozialer Ressourcen) ist die Zustimmung weniger eindeutig, viele Befragte legen sich hier nicht eindeutig fest. Die eigene Beratungskompetenz wird mehrheitlich positiv eingeschätzt (besonders zum Thema körperliche Bewegung, weniger zu Nikotinkonsum und sexuellem Risikoverhalten). Die zeitlichen Ressourcen werden unterschiedlich eingeschätzt, eine knappe Mehrheit sieht sie als unzureichend. Dies könnte auf ungünstige Rahmenbedingungen präventiver Beratung verweisen. Um ihren Stellenwert in der Hausarztpraxis zu steigern, wird in der gesundheitspolitischen Diskussion häufig eine bessere Vergütung gefordert, die jedoch nur in Verbindung mit möglichst wirksamer Qualitätssicherung sinnvoll erscheint. Eine (teilweise) Delegation präventiver Beratungsleistungen an medizinische Fachangestellte wird von den Befragten mehrheitlich für sinnvoll gehalten, aber nur selten praktiziert – hier könnte noch Entwicklungspotential liegen. Die ärztliche Zuständigkeit für den Aufgabenbereich Gesundheitsförderung wird mehrheitlich befürwortet. Insgesamt wird ein hoher Anspruch der meisten Hausärzte an das eigene präventive Handeln deutlich. Dieser kann bislang wahrscheinlich nur unzureichend eingelöst werden. Zu wünschen wäre, dass die Hausärzte ihre Rolle in der Prävention noch klarer als bisher definieren und – auch mit wissenschaftlicher Unterstützung und in Kooperation mit anderen Berufsgruppen – Wege suchen, wie sie ihrem präventiven Anspruch künftig besser gerecht werden können.
Introduction: This study examines the self-concept of General Practitioners (GPs) in prevention, using the example of the so-called Gesundheitsuntersuchung according to §25 SGB V (GU) and of behavior-oriented preventive counseling. Regarding these topics, it is the first representative study describing the appraisals and opinions of GPs in Brandenburg. Introduced in 1989, the GU is meant to be a gateway between primary and secondary prevention. Up until now, it has not been systematically evaluated. There are indications that it is rather heterogeneously executed; its efficiency and usefulness are questioned. Therefore, this study investigates the usage and assessment of the GU by the GPs and examines their general approach towards preventive programs. Preventive advice-giving (e. g. regarding smoking, alimentation etc.) is an important component of primary prevention. Still, there are indications that GPs are barely seen as preventive counselors. This study examines the GPs’ self-perception in behavior-oriented prevention, how they value the potential of their preventive measures and who, in their opinion, should be predominantly responsible for health promotion. Methods: 50% of GPs in Brandenburg were randomly selected to take part in the study (n = 748). A standardized questionnaire was mailed to the GPs. The first part of the questionnaire focused on the GU: The frequency of its use, extensions of its diagnostic spectrum, its usefulness and improvement opportunities. Additionally, it was examined whether the GPs are actually willing to execute preventive programs such as the GU. The second part of the questionnaire aimed at the GPs’ self-concept in behavior-oriented preventive counseling, their self-assessment of advisory skills and time resources, the delegation of preventive counseling and the GP’s role in health promotion. Furthermore, basic data about the respondents and their offices were assessed. Dichotomic questions, classification questions, Likert-scales and open questions were used. Participation was anonymous. All participants were reminded of the study by phone in order to increase participation. Results and discussion: Participation was 37% (n = 274). In 2008, the median of GUs per quarter was 40. According to the GPs’ own estimations, the largest participating group has executed the GU in 30-50% of their patients at least once and in 10-30% of their patients regularly about every two years. Among the GPs, the frequency and concrete execution of the GU varies considerably. 96% of them include additional diagnostic investigations in the GU. Evidently, there is a tendency to comprehensively explore the patient’s state of health. About half of the GPs declare that additional diagnostic measures are at least partially paid by the patients. The GU is rarely linked with early cancer diagnosis programs (minority of GPs). The GPs’ estimation of the GU is ambivalent – overall, the program is considered to be of little value, whereas the GPs ascribe valuable functions to the GU when asked in a more differentiated manner. The criticism primarily focuses on the relatively small diagnostic spectrum of the GU. The benefit is rather in the possible influence on patients’ risky health behavior than in early detection of actual disease. Apart from this, the GU plays a role for maintaining continuous care in GPs’ practice. The majority states that standardized prevention programs like the GU should generally be the duty of the GPs. Preventive counseling is also generally accepted as a GP’s responsibility. This includes not only providing patients with useful information, but also to motivate them to abandon harmful lifestyles. Approval of a further commitment (e. g. involvement of social resources) is less defined. One’s own advisory skills are assessed positively by the majority (especially concerning exercise, to a notably lower extent concerning smoking habits and hazardous sexual life). Time resources are assessed differently: a narrow majority considers them as insufficient. This points towards disadvantageous general conditions of preventive counseling. To improve its impact in GPs’ practice, a more lucrative compensation is often discussed in health care politics. This, however, only seems appropriate when accompanied by effective quality control. The majority believes that a (partial) delegation of preventive counseling to physician assistants is a good option. This, however, is rarely practiced and could therefore be a major potential for development. The majority agrees that health promotion is a task of the GPs. Overall, a great ambition of GPs regarding prevention becomes apparent. Thus far, it is likely that its realization is insufficient. It is therefore desirable that GPs define their role in prevention more accurately and – with scientific support and in cooperation with other professions – search for ways to meet preventive requirements more efficiently.