Mit dieser Arbeit wurde die Frage untersucht, wie sich lange Haftstrafen auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirken. Es handelt sich um eine Längsschnittstudie an N = 87 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 43, 61 Jahren, wovon 97,7% männliche (N = 85) und 2,3% weibliche (N = 2) Häftlinge waren. Die durchschnittliche Haftzeit zum zweiten Erhebungszeitpunkt betrug 14,6 Jahre. 76,7% (N = 67) waren bereits vor der aktuellen Haftstrafe mindestens einmal durchschnittlich 5,82 Jahre in Haft. Bei den zu verbüßenden Straftaten handelte es sich mit 42,5% (N = 37) zum größten Teil um Morddelikte, gefolgt von dem Delikt des gemeinschaftlichen Mordes mit 13,8 % (N = 12) und sexuellem Missbrauch mit 9, 2% (N = 8). Zur Untersuchung der Fragestellung wurden jeweils zwei Gutachten aus dem Zeitraum von 1979 bis 2005, wovon eines zu Haftbeginn und das andere zu Haftende erstellt wurde, von jedem Häftling unter verschiedenen Gesichtspunkten mittels verschiedener Tools (Persönlichkeitstests, Auftreten von Diagnosen, HAWIE-Test u.a.; s. Methoden) ausgewertet. Gemessen am Auftreten von Diagnosen nach ICD-10 kann man nicht von einer negativen Auswirkung auf die psychische Gesundheit sprechen. Die Anzahl der Diagnosen ging zum Zeitpunkt t2 auf 48,3% (N = 42) von 69% (N = 60) zum Zeitpunkt t1 zurück. Diese Veränderung beruht fast ausschließlich auf dem Rückgang an Diagnosen im Bereich von Persönlichkeitsstörungen (Rückgang um 19,5%). Des Weiteren konnte weder ein Zusammenhang mit der Dauer von früheren Inhaftierungen noch der Dauer der aktuellen Inhaftierung und dem Auftreten einer psychiatrischen Diagnose festgestellt werden. Die Durchführung einer Psychotherapie während der Haft hingegen hat einen Einfluss auf das Auftreten einer Diagnose zum zweiten Untersuchungszeitpunkt (p = 0,037; zweiseitige Signifikanzmessung; Korrelationskoeffizient r = 0,224). Ebenso besteht ein Zusammenhang zwischen der Absolvierung einer schulischen oder beruflichen Ausbildung und dem Auftreten einer Diagnose zum zweiten Gutachtenzeitpunkt (r = -0,217; p = 0,044). Die aktuelle Haftdauer steht in Korrelation zu Veränderungen einzelner Skalen des FPI (Freiburger Persönlichkeitsinventar): Depressivität (FPI 3) (p = 0,046; r = -0,374), Maskulinität (FPI M) (p =0,015; Korrelationskoeffizient r = 0,456) sowie Geselligkeit (FPI 5) (r = 0,376; p = 0,048). Der Faktor Flexibilität vs. Pflichtbewusstsein (Faktor G) zeigt eine signifikante Korrelation bezogen auf die Vorhaft (r = 0,416; p = 0,007). Das Bild der unsteten, wenig disziplinierten, unzuverlässigen Persönlichkeiten, der es schwer fällt Pflichten zu erfüllen oder sich an Regeln zu halten, verblasst mit der Haftzeit. Ein Beweis für das vermehrte Aufkommen von Depressionen konnte nicht erbracht werden. Die Anzahl der Diagnosen änderte sich diesbezüglich nicht signifikant. Die Ergebnisse der Persönlichkeitstests zeigten eher eine Stabilisierung ebenso wie für die emotionale Labilität. Genauso wenig konnten negative Auswirkungen auf die intellektuellen Fähigkeiten oder die körperliche Verfassung der Probanden gezeigt werden. Die Frage, in wieweit sich die Haft auf das Sucht- und Abhängigkeitspotential auswirkt, konnte aufgrund der Schwierigkeit, valide Aussagen diesbezüglich zu erhalten, nicht beantwortet werden. Die Hostilität und reaktive Aggressivität nahmen im Laufe der Haft ab. Dies könnte in Zusammenhang mit dem zunehmenden Alter stehen oder eine zunehmende Tendenz zur Abstumpfung gepaart mit steigender sozialer Isolation und Introversion bedeuten. Diese „Abstumpfungstendenz“ könnte auf eine Unselbständigkeit bzw. Lebensuntauglichkeit außerhalb der Haftmauern hinweisen. Um dieses zu klären wären Nachbeobachtungsstudien im Anschluss an die Entlassung in die Freiheit nötig. Das Auftreten von Anpassungs- und Belastungsstörungen wie beispielsweise Suizidversuche bei 25,2% der Betroffenen zeigt, dass die Haft bei den Betroffenen deutliche Spuren in der Seele hinterlässt. Dabei handelt es sich um reversible Störungen, denen unter Umständen entgegengewirkt werden könnte. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Prävalenz von psychischen Störungen mit 69% (N = 60) allgemein unter Gefangenen sehr hoch ist. Die klinische Relevanz liegt darin, eine Grundlage für das Verständnis der Situation Gefangener zu erlangen und somit eine Verbesserung der Versorgung derselben. Dies soll dazu beitragen das höhere Ziel – den Schutz der Gesellschaft – zu fördern.
Several studies have been conducted on the effects of long-term imprisonment on mental health but only few with a longitudinal study design. Those with longitudinal design often have a very short observation period. In this study the data of 87 long-term prisoners have been compared over an average period of 14.6 years. Changes of psychological disorders, of personality and intelligence tests and of physical diseases amongst others have been analyzed. The rate of psychological disorders has decreased. Adjustment disorder has been seen in 25.2%. Personality test results describe a stabilization of traits like depressive attitude, emotional lability and a decrease of hostility. Neither significant changes on the outcomes of the intelligence test nor significant changes of physical health were found. Though a decrease of psychological morbidity is described, the overall numbers of psychological disorders remain high compared to these of the normal population. A damaging effect of long-term imprisonment could not be proven by this study.