Die vorliegende Studie untersucht die Formen sozialer Konstruktion des Phänomens der Verschwundenen in den argentinischen Printmedien zwischen 1975 und 1978. Ziel ist es, die Ausdrucksformen zu identifizieren, mit denen die Verschwundenen in einer Öffentlichkeit, die von der illegalen Repression durch die Militärdiktatur geprägt war, thematisiert wurden. Das gewaltsame "Verschwindenlassen" von Personen (Verschleppung, Folter und heimlicher Mord an Bürgern durch den Staat oder mit seiner Zustimmung) wurde von der argentinischen Diktatur (1976-1983) als Repressionsmethode angewendet. Der ungewisse Status der Verschwundenen, der durch das "Verschwindenlassen" entsteht, verhindert bis heute die kulturell üblichen Beerdigungsrituale. Dadurch wird eine undefinierte Kategorie zwischen Leben und Tod geschaffen, deren einschüchternde Auswirkungen sich auf die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit übertragen. In dieser Arbeit werden das Verschwindenlassen von Personen wie auch die Diktatur, in der dies stattfand, weder als Ausnahme noch als absoluter Bruch mit der Geschichte und der argentinischen Gesellschaft verstanden, sondern als ein Produkt derselben, aus der es sich fortsetzt und mit der es Ähnlichkeiten aufweist. Der ausgewählte Untersuchungszeitraum erstreckt sich über drei Jahre, vom Juli 1975 bis Juni 1978. Während der ersten Phase, Mitte des Jahres 1975 bis zum Staatsstreich, meldeten die Zeitungen auf sensationslüsterne Weise den Ausbruch von Gewalt, wodurch der Eindruck von Angst und "Chaos" verstärkt wurde: die Gewalt ist sichtbar, aber ihre gewöhnliche Darstellung verdinglicht die Toten und bereitet den Weg zur Banalisierung des Todes. Die Eskalation der Gewalt kann als inszenierter Countdown auf den Militärputsch hin interpretiert werden. Dadurch nahm der Putsch in der Presse den Charakter eines vorhersehbaren und normalen Regierungswechsels ein. Die zweite Untersuchungsperiode umfasst das erste Jahr der Diktatur, von April 1976 bis März 1977. In dieser Periode nimmt die öffentliche Darstellung der Gewalt ab. Die Bezugnahme auf niedergeschlagene Subversive, ohne zu verdeutlichen, ob die Gefangenen leben oder tot sind, führt die Zone der Ununterscheidbarkeit zwischen Leben und Tod in die Berichterstattung ein, der die Verschwundenen nach ihrer Verschleppung zugeordnet werden. Während der dritten Phase, die vom April 1977 bis Juni 1978 reicht, vollzieht sich ein Wandel der eigentlichen Bedingungen für die öffentliche Darstellung der Verschwundenen. Ab diesem Zeitpunkt greift das Regime zu neuen Diskurs-Strategien, um zu versuchen, das Verschwindenlassen zu rechtfertigen: das in Szene setzen einer angeblichen nationalen Wiedergeburt nach dem "Krieg". Eine Betrachtung des öffentlichen Lebens seit dem Ende der Repression, die der Figur des Verschwundenen Rechnung trägt, ermöglicht es, schrittweise Aktivitäten zur Wiederherstellung derjenigen Dimensionen auszumachen, derer man sich beraubt hatte und die seit jeher existent gewesen waren. Obwohl die Erinnerung der Verschwundenen in der Gegenwart ein bedeutender Teil der argentinischen Identität ist, hat die Macht des Verschwindenlassens durch den Staat langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft erzeugt, die weiterhin - latent - aktiv sind und immer dann in Erscheinung treten, wenn - auch unter demokratischen Vorzeichen - staatliche Gewalt ausgeübt wird.
This study analyzes the social construction of the disappeared in the Argentine written press between 1975 and 1978. Its goal is to identify the ways in which the disappeared are mentioned in a public sphere which is restricted by censorship and repression. The forced disappearance of persons (illegal kidnapping, torturing and murdering of political opponents by the State or with its consent) was applied massively by the last Argentine dictatorship (1976-1983) as a repression method. Uncertainty about the fate and status of the disappeared impedes the usual mortuary rituals which places the dead inside of a cultural system. The undefined category between life and dead originated by the disappearance has consequences for the society as a whole. The disappeared and the dictatorship are understood neither as an exception nor as an absolute rupture with the Argentine history and society at large, but as a product of them, which shows continuities and similarities to their "normal state". Our study focuses on three years, reaching from July 1975 until June 1978 and overlapping with the period of greatest violence. Theoretically, the study is based on the approaches of Zygmunt Bauman, Giorgio Agamben and Michel Foucault) During the first phase, lasting from mid 1975 until the Coup in March 1976, the press informs about political violence in a sensationalist way which stress the feeling of fear and chaos among the population. Though highly visible, death becomes banal and escalates to an extent that the coup is described by the press as an expected end of the violence. After the coup and until March 1977 the violence is absent in the news, though a hidden, under covered massacre is taking place. News about the "abated subversives" do not allow to distinguish whether these prisoners are dead or alive, continuing in the public space the indifference between life and death shaped by the figure of the disappeared. After April 1977 the disappeared are already seen as a collective phenomenon caused by State terrorism and first political actions are undertaken to make the problem known. Biopolitical actions on part of the military, gender biased representation of female participation in armed politics and near observation of advertising ads, allow us to complement the study of the repression with the consideration of other, "positive" ways in which the Military exerted its power and the inclusion of the daily dimensions of life under dictatorship. The public figure of the disappeared has undergone many changes since the end of the repression, parallel to the recovering of the dimensions it had been deprived of. Even if its memory is a central element of contemporary argentine identity, the power of making fellow citizens disappeared has left a deep trace in the Argentine society, which is recalled ever when the State makes use of undue violence.