Ein allgemeiner Trend im Gesundheitswesen unterstützt eine Atmosphäre von ver- stärkter Zusammenarbeit zwischen den Patienten und ihren jeweiligen Anbietern der Gesundheitsfürsorge. Die Forderung nach Einbeziehung und Berücksichtigung des Patienten im medizinischen Entscheidungsprozess wird von Politik und Patienten gleichermaßen unterstützt. Mit dem Ziel der aktiven Partizipation von Patienten bei Fragen der Gesundheitsversorgung hält eine neue Gewichtung von kommunikativen Fähigkeiten Einzug in die medizinische Ausbildung und die klinische Routine. Ärzte werden sensibilisiert für die Aufklärung des Patienten als eine weitere Facette ärztlich ethischer Verantwortung. Die partizipative Entscheidungsfindung (PEF) als Mittelstellung zwischen dem „paternalistischen Ansatz“ und dem patientenzentrierten „Autonomiemodell“ folgt einem klar strukturierten Aufbau im Arzt-Patient-Gespräch. Durch Umsetzung der PEF werden die Akzeptanz der Behandlung, die Zufriedenheit von Arzt und Patient, die Zuverlässigkeit bei der Behandlungsumsetzung und die klinischen Behandlungserfolge verbessert [96]. In der vorliegenden Arbeit wurde das Modell der PEF für zwei anästhesiologische Bereiche untersucht. Die Fragestellung der ersten Arbeitshypothese widmete sich dem Vergleich der zwei Patientengruppen (Rettungsstelle vs. Schmerzambulanz) im Hinblick auf ihre Präferenzen bezüglich der PEF und deren Einflussfaktoren. Die zweite Arbeitshypothese zielte darauf ab, die zwei Patientengruppen auf bisher unbeobachtete Heterogenität zwischen latenten Subpopulationen von Patienten zu untersuchen, die einen unterschiedlich starken Wunsch nach PEF aufwiesen. Als Maß der Patientenpräferenzen für Information und Beteiligung an der Entscheidungsfindung wurde der Autonomy Preference Index (API) neben einer Vielzahl weiterer soziodemographischer Fragen den Patienten beider Gruppen (n=569) zur Beantwortung vorgelegt. Im Focus standen Patienten aus verschiedenen Bereichen der Anästhesie, die unterschiedliche Ausgangspunkte und Grundvoraussetzungen für das Konzept des SDM mitbrachten: Einerseits im Rahmen der akuten Traumabehandlung bei leichter Verletzung in der chirurgischen Rettungsstelle (n=323) andererseits bei der Therapie chronischer Schmerzen (n=246). Neben der deskriptiven Statistik wurde als weiterführende Analyse in der linearen Regression die Assoziation der Setting-Variablen und ihrer Einflussfaktoren untersucht. Das Finite Mixture Model testete die Gruppen auf bisher unbeobachtete Heterogenität und untersuchte Variablen der Partizipationspräferenz innerhalb der Stichproben. Bezüglich der ersten Ar- beitshypothese zeigten die Patienten in der deskriptiven Statistik signifikante grup-penspezifische Unterschiede für das Bedürfnis nach PEF (API- DMP: RTS=48,44; SA=39,65) und ein gesteigertes Interesse an Information. Nach Berücksichtigung der Einfluss- und Störgrößen in der linearen Regression, differierten die unterschiedlichen Gruppen jedoch nicht länger bezüglich ihres Wunsches nach PEF (β=0,19; SD=2,3). Die Ergebnisse zur zweiten Hypothese bestätigten im FM-M, dass das „Setting“ bezüglich der PEF eine geringere Rolle spielte als erwartet. Die beste Lösung des FM-M wurde für das Gesamtmodell (RTS+SA) mit zwei Subpopulationen errechnet (BIC=3209,65). 72% wiesen ein geringeres Bedürfnis nach PEF auf (β=15,5), 28% besaßen ein gesteigertes Interesse an Partizipation und Autonomie im medizinischen Entscheidungsprozess (β =22,3). Dieses Ergebnis wurde auch im Kontext mit der Studie von Neuner et al. diskutiert, in der die Existenz dreier Subpopulationen und eine Assoziation der Einflussfaktoren Geschlecht, Alter und Bildungsstand – wie in der vorliegenden Studie – nachgewiesen wurde [103]. Der Ursprung dieser Heterogenität der Patienten bezüglich der PEF blieb auch in der Studie von Neuner et al. ungeklärt, da diese, wie in der vorliegenden Studie, nicht allein durch die bekannten Einflussfaktoren begründet werden konnte. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse ein zwar im Vergleich zum Informations- bedürfnis geringeren, aber dennoch hinreichend ausgeprägten Wunsch nach Partizipation, der eine Implementierung des SDM empfiehlt. Das ursprünglich für chronische Krankheiten entwickelte und mittlerweile auf weitgehend alle Teilbereiche der Medizin übertragene SDM ließ sich, trotz der ihm gesetzten Grenzen im akut medizinischen Bereich, für die Patienten der Rettungsstelle übertragen [96]. Gerade für die chronisch Erkrankten gilt aufgrund ihrer speziellen Genese und oft langjährigen Schmerzverläufe, dass Frustration, Ängste und Kapitulation überwunden und die Patienten stärker aktiviert werden in eine Richtung und in einem Maße, indem PEF akzeptiert wird und prozessiert werden kann. Anzumerken bleibt, dass SDM nur für einen Teil der Patienten und nicht in allen Phasen der Behandlung als das ideale Modell der Arzt-Patient- Interaktion zu betrachten ist. Das Ziel sollte sein, Patienten indikationsübergreifend in dem Maße zu beteiligen, wie es ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Diese richtig zu erkennen und zu berücksichtigen, d.h. valide Kriterien und Prädiktoren für Patientenbedürfnisse zu definieren, wird Aufgabe weiterer Forschung sein.
A general trend in health care encourages cooperation between patients and their health care providers. The demand for the inclusion and consideration of patients in the medical decision-making process is appreciated by politicians as well as patients. Participatory decision-making (SDM) hereby serves as a mediator between the "paternalistic" approach and the "model of autonomy" where the patientŽs opinion is at the centre of the decision-making process. SDM follows a clearly structured development in the doctor-patient conversation. Through implementation of the acceptance of the SDM treatment, the physician and patient satisfaction as well as the reliability of treatment implementation and clinical patient outcomes are improved. In the present study, the model of the SDM was analysed for two areas of anaesthesia. The question of the first working hypothesis was devoted to the comparison of two groups of patients (n = 323 vs. emergency department. N pain clinic = 246) in terms of their preferences regarding the SDM and its influencing factors. The second working hypothesis aimed to investigate the two patient groups previously unobserved latent heterogeneity between subpopulations of patients who had a different impact on demand for SDM. The Autonomy Preference Index (API) alongside a numerous other socio-demographic questions hereby served as a tool for measuring the patientsŽ preferences for information and participation in decision-making and were presented to the patients in both groups (n = 569) to answer. Besides the descriptive statistics the association of the setting variables and their influence factors were examined as further analysis in linear regression. The Finite Mixture Model was tested on previously unobserved heterogeneity of the groups and thus analysed the participation preference variables within the sample. The best solution to the FM-M was calculated for the overall model (RTS + SA) with two subpopulations (BIC = 3209.65). 72% reported a reduced need for on SDM (β = 15.5), 28% had an increased interest in participation and autonomy in medical decision-making (β = 22.3). The origin of this heterogeneity of patients regarding the SDM remained unclear, since it could not be explained solely by the known factors. In summary the results show a larger need for information than a desire for participation. Nevertheless the desire to participate in the medical decision- making process is still sufficiently strong which recommends an implementation of the SDM.