Komorbide psychische Störungen können sich negativ auf die Tinnitusentstehung und -verarbeitung auswirken und somit die Habituation an das Ohrgeräusch erschweren. Studien zeigen besonders hohe Prävalenzraten depressiver Symptomatiken bei stationären Ohrgeräuschpatienten. Für ambulante Tinnitusleidende sind diese bislang nicht hinreichend belegt. Daher war das Ziel der vorliegenden Studie die Ermittlung depressiver Belastung bei chronischen Tinnituspatienten. Dazu wurde eine Stichprobe von 500 Patienten aus dem Tinnituszentrum der Charité - Universitätsmedizin Berlin mittels audiometrischer und psychometrischer Testverfahren untersucht. Zur Beurteilung der subjektiven Tinnitusbelastung wurde als standardisiertes Messinstrument der Tinnitus-Fragebogen (TF) nach Goebel und Hiller eingesetzt. Zusätzlich dienten Visuelle Analogskalen (VAS) zur Evaluation tinnitusspezifischer Parameter wie Lautheit, Häufigkeit und Beeinträchtigung durch das Ohrgeräusch. Anhand der etablierten Allgemeinen Depressionsskala (ADS) sowie des Berliner Stimmungsfragebogens (BSF) ließen sich depressive Verstimmungen bis hin zu manifesten Depressionen nachweisen. Unterstützend wurde der Perceived Stress Questionnaire (PSQ) hinzugezogen, um neben der Beurteilung von Stressbelastungen einen Bezug zu wichtigen depressionsassoziierten psychosomatischen Symptomen herstellen zu können. Weiterhin wurden audiometrisch diagnostizierte Hörschäden sowie psychoakustische Tinnitusmerkmale wie Lautheit, Schallqualität, Frequenz und Lokalisation des Tinnitus auf einen möglichen Einfluss hinsichtlich tinnitusbedingter psychischer Belastung geprüft. Zusammenhänge zwischen dem Grad der Tinnitusbelastung und psychischer Komorbidität ließen sich durch Korrelationstests analysieren. Demographische Faktoren wie Geschlecht und Alter wurden als mögliche Prädiktoren berücksichtigt. Alle untersuchten Daten bezogen sich ausschließlich auf den Aufnahmetag des Patienten. Für die Mehrheit der ambulanten Patienten konnte ein kompensiertes Tinnitusleiden mittels TF festgestellt werden. Durch Einsatz der VAS zeigte sich eine pathologisch gehäufte subjektive Tinnitusfrequenz besonders auffällig. Basierend auf den drei psychometrischen Messinstrumenten ADS, BSF und PSQ ließen sich bei einem Viertel der Patienten ernsthafte depressive Störungen und annähernd bei der Hälfte emotionale und körperliche Stressbelastungen feststellen. Eine audiometrisch diagnostizierte Hörminderung galt für die Minderheit, bemerkenswerter waren die engen Zusammenhänge zwischen Hörminderungsgrad und Tinnitusbeeinträchtigung sowie Depression. Dies spiegelte sich auch in den TF-Subskalen „Hörprobleme“ und „Tinnituspenetranz“ wider. Psychische Störungen zeigten einen starken Einfluss auf die Belastung durch das Ohrgeräusch, wobei die Depressivität den einflussreichsten Faktor ausmachte. Zudem konnte eine prädiktive Wertigkeit für die Parameter Geschlecht und Alter bezüglich tinnitusbedingter und psychischer Belastungen herausgefunden werden. Obwohl sich bei den meisten ambulanten Tinnituspatienten keine beachtlichen psychischen Störungen bestimmen ließen, leiden diese im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bis zu viermal häufiger an depressiven Erkrankungen. Aufgrund des erhöhten negativen Einflusses, den psychische Symptome auf die Tinnitusbelastung ausüben, sollte künftig vor Einleitung von Therapiemaßnahmen die Exploration psychischer Komorbiditäten in fachärztlichen Anamnesen mittels geeigneter psychometrischer Diagnostik mehr Beachtung finden.
Psychiatric comorbidities have a negative influence on tinnitus development and processing. Research has shown a high prevalence of depressive symptoms in patients with chronic Tinnitus. This work evaluates the depressive distress in Tinnitus outpatients. 500 patients suffering from tinnitus were examined on the first day of admission at the outpatient clinic of the Charité University Hospital in Berlin. Besides the assessment of audiometric data, the depression variables and tinnitus-related distress were investigated by using the following five psychometric instruments: Tinnitus Questionnaire of Goebel and Hiller (TQ), Visual Analogue Scales (VAS), General Depression Scale (ADS), Berlin Mood Questionnaire (BSF) and Perceived Stress Questionnaire (PSQ). The SpearmanŽs Rank Correlation Test for independent samples was used to determine a possible association of the severity of tinnitus and the degree of hearing loss as well as the psychiatric comorbidities. Furthermore differences in psychometric parameters concerning age and gender were analyzed. Based on the TQ-total score of the Tinnitus Questionnaire the majority was suffering from compensated tinnitus. The ADS revealed severe depressive impairments in more than a quarter of the patients. The remaining questionnaires detected emotional and physical complaints in almost the half of the population. The degree of hearing loss positively correlates with the two TQ-subscales Auditory Perceptional Difficulties and Intrusiveness. Moreover a significant correlation was found between the subjective tinnitus distress, depression, age and gender. Compared with the general German population, tinnitus patients are strongly affected by depressive disorders. This recent study shows that the psychological aspects of subjective tinnitus distress should be explored with psychometric tests prior to starting a therapy.