Diphenhydramin (DPH) und Doxylamin (DA) sind Arzneistoffe aus der Gruppe der H1-Antihistaminika und kommen heutzutage meist als Schlafmittel zum Einsatz. Beide sind seit über 60 Jahren auf dem Markt und seitdem in Deutschland ohne Rezept in der Apotheke frei verkäuflich. Man kann sowohl mit DPH als auch DA eine starke Intoxikation mit möglichem letalem Ausgang herbeizuführen. Aufgrund dessen und der einfachen Verfügbarkeit können die Substanzen häufig bei Obduktionen mit suizidalem Hintergrund festgestellt werden. Es existieren verschiedene Angaben für Grenzparameter zur Abschätzung der toxischen und letalen Blutkonzentrationen postmortal und keinerlei Angaben zur Einschätzung der postmortalen Mageninhaltskonzentration. Anhand eines bestimmten Fallkollektivs sowie der Literatur zu diesem Thema soll die Kategorisierung solcher Vergiftungen vereinfacht werden. Deshalb wurden in dieser Arbeit alle Fälle am Institut für Rechtsmedizin der Charité Universitätsmedizin Berlin, in denen durch die postautoptische toxikologische Untersuchung DPH oder DA nachgewiesen werden konnten, vom 01.01.2000 bis zum 31.12.2010 retrospektiv untersucht. Es wurde eine Einteilung der Fälle nach Blutkonzentration und Mageninhaltskonzentration vorgenommen und mithilfe des Metaboliten Diphenylmethoxyessigsäure, sofern dieser vorhanden war, die Zeit zwischen Einnahme und Todeszeitpunkt abgeschätzt. Die Grenzangaben der Blutkonzentrationen zur Unterscheidung zwischen therapeutischer, toxischer und letaler Beeinflussung wurden nach Auswertung der Literatur festgesetzt und anschließend auf Plausibilität im Einzelfall überprüft. In 73 Fällen wurde in dem angegebenen Zeitraum DPH nachgewiesen, in 19 Fällen DA. Dies entsprach ca. 1 % der Sektionen für DPH und 0,2 % für DA. 59 der untersuchten 92 Fälle waren Suizide, von denen in 39 toxische oder letale Blutkonzentrationen für diese Substanzen nachgewiesen werden konnten. In 18 dieser Fälle lag eine Vergiftung vor und eine der beiden Substanzen war mit für den Tod verantwortlich. Das sind 19,5 % aller Fälle mit Nachweis der Substanzen. Nur bei einer Vergiftung lag eine tödliche Monointoxikation mit DPH vor, bei der die Blutkonzentration mit 28,5 µg/ml im letalen Bereich lag und keine weiteren Substanzen oder Alkohol aufgenommen wurden. Die 21-jährige Frau hatte 60 Tabletten Moradorm® mit dem Inhaltsstoff DPH zu sich genommen. Eine weitere letale Intoxikation mit dieser Substanz wurde aufgrund des sehr schlechten Allgemeinzustandes bei einer 42-Jährigen bei toxischem -und nicht letalem- Wirkspiegel von DPH im Blut vermutet. Es gab im betrachteten Zeitraum keine letale Monointoxikation mit DA. Somit sind für beide Substanzen letale Monointoxikationen im ausgewählten Kollektiv als Rarität anzusehen. Die höchste postmortal im peripheren Blut nachgewiesene Konzentration von DPH lag bei 70 µg/ml. Dabei handelt es sich um die höchste -der Autorin bekannte- bisher bestimmte Blutkonzentration in der Literatur. Es wurde eine bis zu 108-fach erhöhte Konzentration beim Vergleich von Messungen im Herzblut mit solchen im Blut einer peripheren Vene nachgewiesen, wodurch eindrücklich gezeigt werden konnte, dass Herzblut für eine qualitative Einschätzung der Blutwirkstoffkonzentration in der Regel nicht geeignet ist. DA wurde maximal mit einer Konzentration von 34,2 µg/ml im Herzblut bestimmt. Die höchste Konzentration im peripheren Blut wurde mit 5 µg/ml gemessen. Es handelte sich im letzteren Fall um eine kombinierte Vergiftung mit mehreren Substanzen zusammen mit Zeichen des Ertrinkens. Die Mageninhaltskonzentration lag bei letalen Blutkonzentrationen von DPH durchschnittlich bei 1.502,7 μg/ml, im Vergleich dazu bei therapeutischen Blutkonzentrationen bei 23,2 μg/ml. Sie ist jeweils im Zusammenhang mit den Umständen des Einzelfalles zu bewerten. Die Literatur ließ 2 Kategorien von Fällen erwarten: Zum einen Erwachsene, die die Substanzen in suizidaler Absicht einnahmen, und zum anderen Kinder, die unbeabsichtigt oder durch elterliche Hand diese Substanzen aufgenommen haben. Im gewählten Kollektiv konnte kein Fall mit letalem Ausgang der letzteren Gruppe verzeichnet werden. Während die in der Literatur berichteten letalen Monointoxikationen Blutkonzentrationen für DPH in ähnlichen Größenordnungen aufwiesen wie die in dieser Arbeit gefundenen, konnten diese für die wenigen Fälle von DA-Vergiftungen teilweise sehr hohen Konzentrationsangaben nicht bestätigt werden. Die auf eine Intoxikation unspezifisch hinweisenden Ergebnisse der Obduktion waren vor allem ein Lungenödem und eine Blutstauung der Lungen. Dies ließ sich auch in 10 bzw. 11 Fällen der 18 hier betrachteten Vergiftungen nachweisen. Bisher existierten keine aktuelle Zusammenfassung der Literatur zu diesem Thema und kein Gesamtüberblick über mögliche Ausprägungen der DPH- bzw. DA-Aufnahme. Durch diese Arbeit wird die rechtsmedizinisch- toxikologische Einschätzung von Nachweisen einer der beiden Substanzen im Blut erleichtert und zugleich entstand ein Referenzwerk zum Vergleich von Einzelfällen. Dadurch besteht eine relevante praktische Anwendung für die Ergebnisse dieser Arbeit im rechtsmedizinischen Alltag.
Diphenhydramine (DPH) and doxylamine (DA) are H1-antihistamines that are nowadays used as sleeping aids. They have been established for use over 60 years ago and are available in Germany without prescription ever since. Both substances can potentially be used for committing suicide and are frequently found in blood analysis during forensic autopsy. For interpretation of toxic and lethal blood concentrations, preset concentration boundaries are differing widely in literature; furthermore, for postmortem concentrations in gastric content there are no such interpretation aids. This work aims to categorize intoxications with DPH or DA and compare them to given case reports in literature. All cases at the Institute of Legal Medicine and Forensic Sciences in Berlin, Germany with toxicological identification of DPH or DA from 01.01.2000 to 31.12.2010 were evaluated. They were classified using blood and gastric content concentration. The metabolite diphenylmethoxyacetic acid was used for estimation of time between intake and death. Blood concentrations found in literature were used for differentiation between therapeutic, toxic and lethal substance effect. DPH was identified 73 cases (1% of the autopsies in this time), DA in 19 cases (0.2%). 59 of these fatalities involved suicidal intentions; in 39 of these cases blood concentrations were toxic or lethal. Interestingly, only 18 cases were intoxications with involvement of DPH or DA. Only one case was a proven monointoxication with DPH (blood concentration 28.5 µg/ml), in which neither other substances nor alcohol were found beside DPH. A 21-year old had taken 60 tablets Moradorm®, which contain 50 mg DPH each. In the given time period, there were no lethal monointoxications with DA. Therefore, for the given collective, monointoxications with these substances are a rather rare occurrence. Besides that, in one of the cases with substance combination, a postmortal DPH concentration of 70 µg/ml was measured and is the highest concentration stated in literature so far. Measurements taken in cardiac blood are not suitable for quantitative analysis proven by the fact that cardiac blood concentrations reached a value 108 times higher than in blood from a peripheral vein. The maximum concentration measured for DA in cardiac blood was 34.2 µg/ml. The highest DA concentration in peripheral vein blood was 5 µg/ml. Mean concentrations of DPH in gastric content for cases with lethal DPH blood concentrations were measured with 1,502,7 μg/ml, for therapeutic DPH blood concentrations with 23.2 μg/ml. Here it is especially important to evaluate the individual situation of the given case. Literature suggested cases divided in two main categories: On the one hand adults that had taken the substances in suicidal intention, and on the other hand children that had taken tablets by accident or where these had been given by their parents. The latter group was not found in the evaluated collective. The blood concentrations in DPH monointoxications found in literature compared to the one found in this work, which was not the case for DA. Its blood concentrations were many times higher in literature. Autopsy showed edema of the lung and blood congestion, as frequently found in intoxications, in 10 and 11 of the 18 evaluated intoxications with these substances. Up to today, there is no summary of literature concerning intoxications with these substances. This work gives an overview over possible characteristics of DPH and DA intoxications and helps with forensic-toxicological evaluation in cases with toxicological evidence of one of them. This is why this thesis has a practical application in forensic work on a daily basis.