Die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte, welche traditionell Monopole darstellten und deren Strukturen von den Mitgliedstaaten jahrzehntelang unangetastet gelassen worden sind, war zunächst wie in anderen Wirtschaftssektoren auch durch das Binnenmarktprojekt der Europäischen Union vorangetrieben worden. Es gerieten auch solche Leistungen unter Liberalisierungsdruck, die je nach nationaler Eigenart bzw. Terminologie der Daseinsvorsorge, dem service public, den public services etc. zugeordnet sind, wobei allgemein Leistungen gemeint sind, die aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für den Einzelnen und das Gemeinwesen als Ganzes aufgrund möglicher Unrentabilität vom Staat selbst geleistet oder auf andere Art und Weise sichergestellt werden. Sodann geriet das Liberalisierungsprojekt teilweise Anfang der 90er Jahre zunächst mit einigen EuGH-Entscheidungen ( Corbeau , Almelo , die so genannten Energiemonopolurteile ) ins Stocken. In den Entscheidungen des EuGH zur wettbewerblichen Ausnahmevorschrift des Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag sowie in der Einführung des Art. 16 EG-Vertrag manifestierte sich eine andere Herangehensweise an die Besonderheiten derjenigen Märkte, welche aufgrund der oben beschriebenen Besonderheiten als Domäne der Mitgliedstaaten verstanden worden waren. In dieser Arbeit wird untersucht, inwiefern sich ein wettbewerbskritischerer Ansatz in den Beschleunigungsrichtlinien niedergeschlagen hat und inwiefern ein neues Konzept der gemeinwirtschaftlichen Leistungen in der Energiewirtschaft besteht. Dabei sollen die primärrechtlichen Entwicklungen, insbesondere die Rechtsprechung des EuGH im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse skizziert werden. Hintergrund und Inhalt der einzelnen Normen mit Bezug zu den gemeinwirtschaftlichen Leistungen in den sogenannten Beschleunigungsrichtlinien aus dem Jahr 2003 stellen den Schwerpunkt dieser Arbeit dar. Dabei ist insbesondere fraglich, ob die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen z.B. in Art. 3 Abs. 8 der neuen Strom- Richtlinie einfach nur eine sekundärrechtliche Parallele zur Rechtsprechung im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag darstellen, oder etwas qualitativ anderes. Schließlich werden die Unterschiede zwischen den ersten Richtlinien und den Beschleunigungsrichtlinien im Hinblick auf die gemeinwirtschaftlichen Leistungen bewertet. Besonderes Augenmerk wird dabei auch auf die Tatsache gerichtet, dass trotz des erklärten Ziels, die Liberalisierung der Energiemärkte noch zu beschleunigen, der Umfang und die erklärte Bedeutung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen zumindest vordergründig zugenommen hat.
Liberalization of the European energy markets until then traditionally based on monopolies and the domain of the Member States was first pushed forward in the context of the internal market of the European Union. With the decision of the European Court in the 90ies ( Courbeau , Amelo , the so called energy monopoly decisions ) the liberalization slowed down considerably. These decisions regarding the exemption in Article 86.2 of the EC-Treaty as well as the implementation of Article 16 EC-Treaty showed a different attitude towards those markets which have been a public service domain in the Member States. The goal of this thesis is to examine if and to what extent these Directives show a more critical attitude towards the primacy of competition and if and to what extent a new concept of public services guarantees has been established on a European level. The developments of the text and judicial interpretation of the EC-Treaty will be followed by a in-depth analysis of the individual provision regarding public services guarantees in the Directive. The main question is if the new provisions in the Directive display just a parallel to the new attitude towards Article 86.2 and Article 16 of the EC-Treaty or if the changes bring the public service idea in the energy sector to a new level in European law.