Immer wieder ist die ästhetische Anspruchslosigkeit der spätmittelalterlichen Adaptationen mittelalterlicher Erzählgenres hervorgehoben worden. In geradezu kontingenter Fülle präsentierten sie einen ausufernden Reigen von Ereignissen, der ganz auf das Vergnügen des Rezipienten an Spannung, Exotik, blutrünstigen Kämpfen, Liebe und Lachen abgestellt sei. Der Vorwurf der inkonsisten Anhäufung von Episoden zu einem sich in immer wieder neuen narrativen Anläufen verlierenden Erzählganzen wird auch für die Chansons-de-geste-Adaptationen des 15. und 16. Jahrhunderts erhoben. In der vorliegenden Untersuchung soll dieser Vorwurf anhand der Prosaübertragungen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken, punktuell ergänzt durch andere zeitgenössische Chanson-Bearbeitungen, gewendet und zum Ausgangspunkt eines hermeneutischen Verfahrens gemacht werden. Gerade die Unoriginalität und Serialität der miteinander kombinierten Episoden verlangt die Kontextualisierung der Einzeltexte in ihrem synchronen Verhältnis zueinander. Nicht diachrone oder auch synchrone Variantensummen im Sinne einer Motivgeschichte oder eines Motivlexikons werden erstellt, sondern die spezifische Funktion analoger Erzählelemente für den jeweiligen Einzeltext herausgearbeitet.
In dem hier vorgeschlagenen exemplarischen Verfahren werden im ersten Untersuchungsteil narrative Einheiten einer mittleren Größenordnung zueinander in Bezug gesetzt. Sie werden mit dem in der deutschen Erzähltheorie hierfür noch ungebräuchlichen Terminus der "Themen" belegt, um der ausufernden Bedeutungsvielfalt des "Motiv"-Begriffs zu entgehen. Die Themen stellen Verständigungsmuster bereit über Kategorien heroischen Handelns und heroischer Identität, die in der intertextuellen Bezugnahme dynamisiert und durch immer andere, variierende Konstellationen umbesetzt und erneuert werden. Mit den Themen werden - so der zweite Abschnitt der Untersuchung - zugleich die wichtigsten "Sujets" der Texte narrativ entfaltet. Sujets als sinnproduzierende Relationen zwischen Handlungen ordnen Figuren und ihre Aktionen in Beziehungssystemen an, die als soziale Bezugspunkte wahrnehmbar sind und wirksam werden. Als wichtigste werden Verwandtschaft, Geschlechterverhältnisse und Feudalität jeweils in unterschiedliche Felder ausdifferenziert vorgestellt. Sie bilden nicht nur die Funktionsweisen der gesellschaftlichen Integrationsmechanismen ab, sondern fördern auch die Reibeflächen zutage, an denen sich vereinzelte und desintegrierte Helden abarbeiten, aber auch regelmäßig Störungen der Beziehungssysteme sichtbar werden. Auf dem Wege einer kursorischen Lektüre werden so aus den Texten gemeinsame Strukturelemente und Deutungsschemata herausgefiltert, die als signifikante Textbausteine die Chansons de geste in Deutschland als eigenen literarischen Typus zu konstitutieren vermögen.
Time and time again the aesthetic simplicity of late medieval adaptations of earlier narrative forms has been emphasized. It is said that they presented an abundance of long-winded events while being concerned solely with the audiences' entertainment - be it suspense, exotic places, bloodthirsty battles, love or laughter. The perception of them as an inconsistent accumulation of individual episodes and a storyline impaired by continued changes of direction has also been applied to 15th and 16th century adaptations the of Chansons de geste. Therefore, based on the Chansons de geste-adaptations of Elisabeth of Nassau-Saarbrücken and other contemporary adaptations this study intends to turn this view into the starting point for a hermeneutic approach. Indeed, it is the very lack of originality and the story's repetitive serial character that demands individual texts and their synchronous links be put into context. Instead of establishing diachronic or synchronic accumulations of variations on either a thematic history or its potential representations, the aim is to look for the particular function of analogous narrative elements within the individual text.
Based on this method the first section of this study is concerned with medium- sized narrative units' relation to one another. They will be called themes (Themen), a term that is to date not common in German narrative theory. This will avoid the rather diverse term motif. The themes provide "communicative" examples: They offer categories of heroic behaviour and identity. Due to the texts' interdependencies these categories have a dynamic quality and can be re-grouped in varying constellations. The study's second section will show how, together with the themes, the most important subjects (Sujets) are developed. As meaningful relations between acts these subjects equate the characters and their dealings with terms of reference that can be understood as different degrees of social belonging. This includes different aspects of relationships, gender relations and feudalism. Thereby society's mechanisms of integration are shown while simultaneously the frictions individual heroes need to deal with, and the regular disturbances in new relationships, are identified. A cursory reading filters out structural elements and patterns of interpretations that the texts all share. In this way it should become obvious which significant elements can constitute Chanson de geste in German.