Die meisten Experimente zu den Oberflächenvorgängen in der heterogenen Katalyse werden unter Ultra-Hochvakuum-Bedingungen (UHV) durchgeführt, während großtechnische Verfahren meist bei Drücken stattfinden, die typischerweise zehn Größenordnungen höher liegen. Der Einsatz von UHV in den Experimenten ist für die Probenreinheit wichtig und Voraussetzung für die Anwendung der meisten Oberflächenmethoden. Dieser Ansatz hat stark zum Verständnis der elementaren Schritte von Oberflächenreaktionen beigetragen, aber die Diskrepanz zwischen den experimentellen Bedingungen wirft die Frage auf, in wie weit sich UHV- Resultate zu hohen Drücken extrapolieren lassen. Diese Problematik wird als pressure gap bezeichnet. Die Rastertunnelmikroskopie (STM, scanning tunneling microscopy) liefert in UHV-Experimenten Informationen über Oberflächenreaktionen auf einer atomaren Skala. Da der Tunneleffekt nicht an Vakuumbedingungen gebunden ist, ist die Rastertunnelmikroskopie im Prinzip eine Methode, um das pressure gap zu überbrücken. Diese Arbeit beschreibt einen neuen experimentellen Aufbau, in dem ein Rastertunnelmikroskop in eine kleine Kammer für Drücke von UHV bis 1 bar integriert ist. Diese STM-Kammer dient als Reaktorzelle und ist mit einer konventionellen UHV-Kammer gekoppelt, die mit Standardmethoden der Oberflächenphysik zur Probenpräparation und -charakterisierung ausgrüstet ist. Dadurch können wohldefinierte Einkristalloberflächen in einem weiten Druckbereich mit atomarer Auflösung abgebildet werden. Der neue experimentelle Aufbau eröffnet die Möglichkeit, für die Katalyse relevante Hochdruckphänomene wie Morphologieänderungen oder Modifikationen des Reaktionsmechanismus' in situ zu studieren. Als erstes System wurde die Wechselwirkung von Sauerstoff mit Ruthenium untersucht. Die Motivation für diese Studie war die Tatsache, dass Ruthenium ein starkes pressure gap als Katalysator für die CO-Oxidation aufweist. Einer vernachlässigbaren Aktivität im UHV steht eine ungewöhnlich hohe Aktivität bei hohen Drücken gegenüber. Aufgrund jüngerer UHV-Studien wurde vorgeschlagen, dass dieses Verhalten mit der Bildung eines dünnen RuO2(110)-Films zusammenhängen könnte, der als der eigentliche Katalysator wirkt. Mit dem neuen STM wurden die Adsorbatstrukturen sowohl auf der reinen als auch oxidierten Ru(0001)-Oberfläche bei bis zu 200 mbar Sauerstoffdruck und Raumtemperatur abgebildet. Auf der reinen Ru(0001)-Oberfläche wurde eine O(1x1)-Phase gefunden, was einer Bedeckung entspricht, die doppelt so hoch ist wie die Sättigungsbedeckung,die im UHV bei Raumtemperatur erreichbar ist. Die RuO2(110)-Oberfläche wurde im UHV präpariert und ebenfalls bei hohen Sauerstoffdrücken untersucht. So konnten erstmals theoretische Vorhersagen über die Terminierung der Oxidoberfläche bei hohen Sauerstoffdrücken in situ getestet werden. Überraschenderweise bildet sich statt der vorhergesagten Phase mit maximaler Sauerstoffbedeckung eine geordnete c(2x2)/(2x1)-Struktur, die in einer CO-Atmosphäre stabil und daher inaktiv für die CO-Oxidation ist. Thermodesorptionsspektren weisen darauf hin, dass diese neue Struktur auf eine kohlenstoffhaltige Spezies (möglicherweise Karbonat)zurückzuführen ist, die sich auf der Oberfläche anreichert. Offensichtlich spielen Nebenreaktionen auf dieser Oberfläche eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Dieser Aspekt kann eventuell Anomalien in Kinetikmessungen bei hohen Drücken erklären, die in der Literatur beschrieben sind, insbesondere den stetigen Abfall der katalytischen Aktivität von einem anfangs hohen Wert.
Most experiments on the surface processes in heterogeneous catalysis are conducted in ultra high vacuum (UHV), while catalytic processes in an industrial environment take place at pressures which are typically ten orders of magnitude higher. The use of UHV in the experiments helps to achieve sample cleanliness and is a prerequisite for the application of most surface science methods. This approach has been very successful in clarifying the basic steps of surface reactions, but the discrepancy in the experimental conditions raises the question in how far UHV-results can be extrapolated to high pressures. This problem is referred to as the pressure gap. Scanning tunneling microscopy (STM) has been successfully used in UHV to obtain information about surface reactions on an atomic scale. Since the tunneling effect is not limited to vacuum conditions, this technique is, in principle, a tool for bridging the pressure gap. This thesis describes the setup of a new experiment in which a scanning tunneling microscope (STM) is integrated in a small chamber for variable pressure from UHV to 1 bar. This STM-chamber serves as a reactor cell and is coupled to a conventional UHV-chamber equipped with standard surface science techniques for sample preparation and characterization. Thus, well-defined single crystal surfaces can be studied over a wide pressure range in situ and with atomic resolution. The new experimental setup opens the possibility to investigate high pressure phenomena relevant to catalytic processes such as modifications of the surface morphology, or changes in the reaction mechanism. The first system studied was the interaction of oxygen with ruthenium. The experiments were motivated by the fact that ruthenium exhibits a strong pressure gap effect as a catalyst for the CO-oxidation, with negligible activity in UHV but high activity at high pressures. Based on recent UHV-experiments, it was suggested that this behavior may be linked to the formation of a RuO2(110)-film which acts as the actual catalyst. With the new STM, the adsorbate structures were imaged both on the clean and oxidized Ru(0001) surface at ambient oxygen pressure and room temperature. On the pristine Ru(0001) surface, a O(1x1) structure was observed which corresponds to a coverage twice as high as the saturation coverage that can be achieved in UHV at room temperature. The RuO2(110)-surface was prepared in UHV and then also studied at high oxygen pressures. For the first time, theoretical predictions for the surface termination of the oxide film could be tested in situ. Surprisingly, the predicted high coverage oxygen phase was not observed. Instead, an ordered c(2x2)/(2x1)-phase forms which is stable in a CO atmosphere and thus inactive for the oxidation of CO. Thermodesorption spectra suggest that this new structure is formed by a carbon containing species (possibly carbonate) that accumulates on the surface. Obviously, side reactions play a major role on the RuO2(110) surface. This aspect may help to explain anomalies found in kinetic measurements at high pressures, i.e. the steady decline of the catalytic activity of ruthenium from an initially high value which is reported in literature.