Traditionell haben in den operativen Fächern sowohl im klinischen Alltag als auch unter wissenschaftlichen Fragestellungen therapeutische Interventionen Vorrang vor diagnostischen Verfahren. Insbesondere in der Schwerverletztenversorgung verlassen sich Unfallchirurgen darauf, dass die von Querschnittgebieten wie Laboratoriumsmedizin und Radiologie angebotenen Testverfahren präzise und ihre Ergebnisse hilfreich für häufig kritische Entscheidungen sind. Beeinflusst wird dieses Zusammenspiel von psychologischen Einflussgrößen wie der "gefühlten Sicherheit" von Arzt und Patient, wie sie gerade durch moderne Großgerätetechnologie induziert wird. Eine formale Nutzenbewertung auf den Ebenen der Effektivität (der diagnostischen Genauigkeit), des Wirkungsgrades (dem Einfluss des Testergebnisses auf Handlungsalgorithmen) und der Effizienz (der Änderung in der Verteilung von Ressourcen) wird weder in der Facharztweiterbildung, selten in der Praxis gelehrt und gelernt. Neben den tangiblen (also in monetären Einheiten zu messenden Kosten) müssen in der Nutzenbewertung auch intangible Werte (wie z.B. Invasivität) berücksichtigt werden. In dieser Arbeit wurden Untersuchungen zu den verschiedenen Ebenen und der Nutzenbewertung diagnostischer Verfahren in der Schwerverletztenversorgung zusammengefasst. In einem experimentellen Ansatz konnte gezeigt werden, dass nur wenige klinische Eckdaten von hohem Informationsgehalt ausreichen, um den Arzt zu einer Entscheidung zu zwingen. Die Varianz in der Häufigkeit der Intubation Schwerverletzter am Unfallort wird nahezu ausschließlich durch die Glasgow Coma Scale erklärt. Sog. Indikatorverletzungen (z.B. Prellmarken, die häufig mit Organschäden assoziiert sein sollen) dienen häufig als Entscheidungsknoten für oder gegen weitere diagnostische Maßnahmen. Die Verlässlichkeit dieser Befunde ist allerdings unklar, da sie selten anhand von Referenzstandards validiert wurden. In einer Fall-Kontroll-Studie konnte durch die unabhängige Anwendung der Spiral-Computertomografie (CT) für das Beispiel von traumatischen Leberschäden gezeigt werden, dass viele propagierte Indikatorverletzungen wie Rippenserienfrakturen keine Risikoerhöhung für Leberkontusionen bzw. risse bedeuten. Insbesondere war jedoch das Fehlen dieser Verletzungen nicht gleichbedeutend mit einem erniedrigten Risiko. Eine systematische Überprüfung von Handlungsketten auf der Basis von Indikatorverletzungen ist daher dringend erforderlich. Unter den apparativen Methoden hat die Ultraschalluntersuchung durch die Verfügbarkeit hochauflösender, dabei mobiler Systeme aufgrund ihrer Nicht-Invasivität, fehlenden Strahlenexposition und geringen Kosten einen erheblichen Stellenwert erlangt. Sie hat für die Abklärung des stumpfen Bauchtraumes in Europa die Peritoneallavage vollständig ersetzt, konkurriert aber mittlerweile mit der Ganzkörper-CT. In zwei Meta-Analysen konnte gezeigt werden, dass trotz häufig gegenteiliger Annahme 1) die Sensitivität der Ultraschalluntersuchung einem Münzwurf gleichkommt und somit ein negativer Befund eine CT-Untersuchung erfordert, 2) die hohe Spezifität im Falles eines positiven Befundes das stumpfe Bauchtrauma sichert, aufgrund der mittlerweile aber seltenen Indikation zur sofortigen operativen Intervention eine CT-Untersuchung zur Bestimmung des Verletzungsausmaßes notwendig macht, 3) methodisch schlechte Diagnosestudien die Genauigkeit der Ultraschalluntersuchung überschätzten, 4) randomisierte Studien (d.h. Wirkungsgrad-Studien) keinen Vorteil von Ultraschall-basierten Schockraumalgorithmen erkennen lassen. Die wissenschaftlich begründeten Handlungsempfehlungen in der Schwerverletztenversorgung müssen zunehmend um diagnostische Meta-Analysen und pragmatische randomisierte Studien zu Wirkungsgrad und Effizienz ergänzt werden. Gleichzeitig empfiehlt es sich für den Praktiker, grundlegende Kenntnisse in der Nutzenbewertung von Diagnoseverfahren zu erwerben.
Traditionally, clinical and academic surgery attaches more importance on therapeutic interventions than on diagnostics. Especially in the care for the severely injured, trauma surgeons rely on the precision and helpfulness of diagnostic methods offered by disciplines like clinical chemistry and radiology. This interplay becomes influenced by psychological phenomena like perceived safety of doctors and patients, which are induced by modern diagnostic equipment like computed tomography (CT) and magnetic resonance imaging. A formal assessment of usefulness on the levels of efficacy (that is, diagnostic accuracy), effectiveness (the impact of test findings on management decisions), and efficiency (the allocation and distribution of resources) is rarely taught or learned during professional training and clinical practice. Apart from tangible costs (that can be measured in monetary units), it is mandatory to respect intangible costs like invasiveness when appraising the value of a diagnostic intervention. This work contains a summary of investigations on the different levels and value of diagnostic tests used in trauma care. In an experimental setting, it was shown that very few items with high informational content may force physicians to certain actions. The variance in the frequency of on-scene intubation of severely injured patients is almost exclusively explained by the Glasgow Coma Scale. So-called index injuries (e.g., contusion marks that are considered to be associated with organ lacerations) are frequently used as decision knots within trauma algorithms. Yet, most of these injuries have not been validated by independently employing diagnostic reference standards. In a case-control- study of patients who routinely underwent helical CT, it was noted that the presence of common index injuries like serial rib fractures did not increase the relative odds of hepatic trauma. More importantly, the absence of these injuries did not decrease the relative odds of liver trauma. This stresses the need for a reappraisal of established trauma algorithms for potentially misleading clinical findings. Given its noninvasiveness, lack of radiation exposure, and reasonable costs, modern high-resolution ultrasound has emerged as one of the most important imaging tools in trauma care. In Europe, it clearly replaced peritoneal lavage for clearing suspected blunt abdominal trauma. Two meta-analyses demonstrated that 1) the sensitivity of ultrasound for blunt abdominal trauma equals the toss of a coin (which demands CT in case of a negative sonogram), 2) positive ultrasound findings prove the presence of abdominal injury because with high specificity (which demands CT for determining the extent and severity of trauma as well, because few intraabdominal injuries require immediate surgical intervention), 3) studies of low methodological quality overestimated the accuracy of ultrasound, 4) randomized effectiveness-trials did not suggest superior outcomes with ultrasound-based diagnostic algorithms. Scientifically grounded clinical practice guidelines must be supplemented by the results of diagnostic meta- analyses and pragmatic randomized trials on the effectiveness and efficiency of diagnostic tests. Also, it is advisable for clinicians to acquire profound knowledge on how to determine the value of a diagnostic intervention.