An einer nicht-klinischen Stichprobe von N = 466 Männern zwischen 40 und 79 Jahren aus der Berliner Allgemeinbevölkerung wurde in einer Querschnitt- Fragebogenerhebung untersucht, ob und in welcher Ausprägung „Akzentuierungen der Sexualpräferenz“ (ASP) vorliegen und ob und ggf. in welcher Form diese mit den Merkmalen des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit („Big Five“) in statistisch signifikantem Zusammenhang stehen. Die ASP wurden mit dem „Fragebogen zum sexuellen Erleben und Verhalten“ FSEV und die Persönlichkeitsfaktoren mit dem NEO-FFI erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass 40 % der befragten Männer eine sexuelle Ansprechbarkeit auf voyeuristische Reizmuster bekunden. Jeweils rund 34 % der Befragten gaben an, fetischistische Reizmuster sowie pubertäre Mädchenkörper als sexuell erregend zu erleben. Rund 24 % der Männer reagieren ihren Angaben zufolge auf sadistische und ca. 19 % auf masochistische Reizmuster mit sexueller Erregung. Eine frotteuristische Akzentuierung ihrer Sexualpräferenz bekunden rund 15 % der Befragten. Rund 10 % der Männer bekunden eine sexuelle Ansprechbarkeit auf vorpubertäre Mädchenkörper. Ca. 8 % reagieren auf das transvestisch-fetischistische Reizmuster sowie auf jugendliche Jungen mit sexuellem Interesse. Außergewöhnliche sexuelle Praktiken (z.B. Luftabschnürung, Fesselungen, Einbeziehung von Urin und Kot) bekunden ca. 7 % als sexuell erregend. Eine exhibitionistische Akzentuierung ihrer Sexualpräferenz beschreiben rund 4 % der Befragten, die sexuelle Ansprechbarkeit auf vorpubertäre Jungen lag bei rund 3 %, gefolgt von einer sexuellen Vorliebe für außergewöhnliche „Partner“ (z.B. Sex mit Tieren, Leichen oder Babys) mit nur noch rund 1 %. Diese Ergebnisse geben einen empirisch gewonnenen Hinweis auf die Häufigkeit und Ausprägungsformen von sämtlichen, nach den internationalen Diagnoseklassifikationen (DSM-IV-TR und ICD-10) für Paraphilien definierten Akzentuierungen der Sexualpräferenz (ASP) in der Allgemeinbevölkerung. Für 6 von 13 ASP konnten signifikante Zusammenhänge mit Persönlichkeitsfaktoren nach NEO-FFI nachgewiesen werden: Die transvestitisch-fetischistische ASP ist hoch signifikant verknüpft mit unterdurchschnittlicher Extraversion sowie unterdurchschnittlicher Verträglichkeit. Die masochistische ASP ist signifikant verknüpft mit überdurchschnittlichem Neurotizismus sowie unterdurchschnittlicher Gewissenhaftigkeit. Die sadistische ASP ist signifikant verknüpft mit überdurchschnittlichem Neurotizismus und unterdurchschnittlicher Gewissenhaftigkeit sowie hoch signifikant mit überdurchschnittlicher Offenheit. Die voyeuristische ASP ist hoch signifikant verknüpft mit überdurchschnittlichem Neurotizismus und unterdurchschnittlicher Gewissenhaftigkeit. Die frotteuristische ASP ist hoch signifikant verknüpft mit überdurchschnittlichem Neurotizismus und unterdurchschnittlicher Extraversion sowie signifikant verknüpft mit überdurchschnittlicher Offenheit und unterdurchschnittlicher Verträglichkeit. Die parthenophile ASP ist hoch signifikant verknüpft mit unterdurchschnittlicher Gewissenhaftigkeit und signifikant verknüpft mit überdurchschnittlicher Offenheit. Für die fetischistische, exhibitionistische, pädophile (Jungen und Mädchen) und ephebophile Akzentuierung der Sexualpräferenz (ASP) sowie für außergewöhnliche sexuelle Praktiken und außergewöhnliche Partner finden sich keine statistisch signifikanten Zusammenhänge zu den definierten Big-Five- Persönlichkeitsfaktoren. Da einige Akzentuierungen der Sexualpräferenz (ASP) so verbreitet sind (die gefundenen Häufigkeiten reichen von knapp 2 % bis knapp 40 %), könnte die Frage einer diesbezüglichen Normabweichung neu gestellt werden. Die gefundenen Zusammenhänge zwischen einigen ASP und den untersuchten Merkmalen des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit, lassen ein Grundmuster erkennen, demzufolge vor allem Männer mit potentiell fremdgefährdenden ASP Persönlichkeitsauffälligkeiten aufweisen; vier der sechs ASP, für die Zusammenhänge gefunden wurden, würden eine Sexualstraftat darstellen, wenn sie auf der soziosexuellen Verhaltensebene ausgelebt würden. Zudem sind bei diesen Männern jeweils auch mehr Persönlichkeitsmerkmale akzentuiert als bei denen mit nicht potentiell fremdgefährdenden ASP. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge könnte wichtige Informationen für die klinische Versorgung von Personen bereitstellen, die unter Paraphilien leiden und diesbezüglich sexualmedizinische oder psychotherapeutische Hilfe suchen. Wie die klinische Erfahrung zeigt, suchen viele Betroffene Hilfe, um ihre abweichenden sexuellen Impulse nicht in fremdbeeinträchtigender Weise im realen Verhalten auszuleben. Ebenso kann es wegen ihrer Paraphilie zu sexuellen Funktionsstörungen kommen, weshalb die Betroffenen Hilfe suchen könnten. Hier kann das Wissen um eine indikationsspezifisch potentiell gegebene Vergesellschaftung mit einer Persönlichkeitsakzentuierung die diagnostische Erfassung, die Behandlungsplanung und schließlich die therapeutische Versorgung von Patienten mit Paraphilien verbessern und damit auch den Schutz potentieller Opfer.
Paraphilia and Personality - An Exploration of the Relation between Sexuel Preference and the Big Five Personality Factors in an Sample of 466 Men between 40 and 70 Years from the General Population of Berlin, Germany EU.