Meine Dissertation zielt darauf ab, einen gemäßigten Konstruktivismus, d.h. denjenigen, der konstruktivistische Interessen oder Themen im komplementären Verhältnis zu nicht-metaphysischen Versionen des Realismus verfolgt, zu formulieren und dessen Potenziale bzw. Grenzen ansatzweise zu forschen. Nach einem Überblick über gegenwärtige konstruktivistische Ansätze (Kap. 2) habe ich die Grundzüge des gemäßigten Konstruktivismus im Anschluss an u.a. Putnam und Luhmann durch zwei Thesen charakterisiert (Kap. 3): 1. Der deskriptive Aspekt des Wissens lässt sich als begriffssysteminterne Angelegenheit begreifen (sog. externe Tatsachen innerhalb eines Begriffssystems ). 2. Der konstruktive Aspekt des Wissens lässt sich als den kontingenten Charakter je eines Begriffsystems verstehen ( begriffliche Relativität ). Der gemäßigte Konstruktivismus macht es dabei deutlich, dass man außer zwei Deskriptionsbegriffen, d.h. einem metaphysischen und einem nicht- metaphysischen, auch zwei Konstruktionsbegriffe zu unterscheiden hat; im Sinne der unveräußerlichen Bedingtheit unseres Wissens durch ein Bezugssystem einerseits, im Sinne der Kontingenz oder Selektivität dieses Bezugssystems andererseits. Wenn der erste Konstruktionsbegriff zum Zweck der Weltbeobachtung nicht geeignet ist, und wenn der zweite vom ersten nicht ableitbar ist, dann kann man sagen, dass die Brauchbarkeit des ersten für empirische Forschung sehr beschränkt ist. M.a.W.: Die radikal- konstruktivistische Unterscheidung von Konstruktion/Deskription im Sinne von grundsätzlicher Konstruktivität unseres Wissens versus metaphysischer Illusion der Deskription ist m.E. wie die wittgensteinsche Leiter, die man hinaufsteigt und dann lieber wegwerfen soll. In diesem Sinne ist Glasersfelds Viabilitätskonzept zu kritisieren (Kap. 4): Dies ist zwar im Zusammenhang mit der als absolut angenommenen, realen Welt wohl vertretbar, aber für empirische Forschung unbrauchbar. Denn in einer empirischen Forschung steht das Verhältnis von Subjekten bzw. Organismen zu ihrer beobachtbaren Umwelt im Vordergrund. Und Viabilität im Gegensatz zur Deskription im metaphysischen Sinne ist eine andere Sache als Viabilität im Unterschied zur Deskription im gemäßigten Sinne. Maturanas Theorie autopoietischer Systeme ist m.E. als eine Pseudoempirie infolge undifferenzierter Begriffsverwendung aufzufassen (Kap. 5): Seine Hauptthesen wie die Autonomie der Lebewesen und die Subjektabhängigkeit der Kognition ergeben sich daraus, dass er aufgrund mangelnder begrifflicher Differenzierung zum einen methodologische mit objekttheoretischen Angelegenheiten ständig verwechselt, zum anderen auf objekttheoretischer Ebene funktionale auf strukturale Zusammenhänge reduziert. Seine Begriffsverwirrungen sind ein Beispiel dafür, dass der radikale Konstruktivismus mit seiner grundsätzlichen Option für die Konstruktivität des Wissens dazu tendiert, eine Homologie zwischen den Bedingungen des Wissens und dem dadurch Bedingten, eine Reduzierbarkeit eines Bedingten auf dessen Bedingungen hervorzuheben. Der gemäßigte Konstruktivismus demgegenüber bietet sich, mit ihrer differenzierten Handhabung von Begriffen wie v.a. Deskription und Konstruktion, als Vorschlag zur Fokusverschiebung im konstruktivistischen Diskurs an.
My dissertation is aimed at formulating a moderate version of constructivism, i.e. a constructivism which seeks constructivist interests and themes in connection with non-metaphysical versions of realism in a complementary way, and exploring to some extent its potentials and limits. After giving an overview of contemporary constructivist approaches (ch. 2) I have outlined the essential features of the moderate constructivism, following among others Putnam and Luhmann, with two theses (ch. 3): 1. The descriptive aspect of our knowledges can be understood as a matter within a conceptual framework (so- called external facts within a conceptual framework ). 2. The constructive aspect of our knowledges can be understood in the sense of contingency of the currently used conceptual framework ( conceptual relativity ). According to the moderate constructivism we need distinguish between two concepts of construction, i.e. in the sense of inalienable dependence of our knowledges on a conceptual framework on the one hand, in the sense of contingency or selectivity of this framework on the other hand, as well as two concepts of description, i.e. a metaphysical and a non-metaphysical concept. If the first concept of construction is not suited for observing our world, and if the second concept of construction is not derived from the first, then we can say that the usability of the first is for the purpose of empirical research very limited. In other words, the radical-constructivist distinction between construction/description in the sense of the fundamental constructive character of our knowledges versus the metaphysical illusion of description is for me something like the Wittgenstein s ladder, which one climbs up and then throws away. In this way I have analyzed Glasersfeld s concept of viability (ch. 4): The concept is well justifiable in connection with the absolute, real world, but unsuitable for empirical purpose, for in an empirical research the relationship of subjects or organisms with their observable environments is prominent. And viability in contrast to description in the metaphysical sense is not the same thing as viability in contrast to description in a non- metaphysical sense. In my analysis Maturana s theory of autopoietic systems turns out to be a system of pseudo-empirical statements owing to his undifferentiated conceptual applications (ch. 5): His main theses such as the autonomy of living systems and the dependency of cognition on organisms result from his conceptual confusing of methodological and object-theoretical matters on the one hand and at the object-theoretical level functional and structural matters on the other hand. His conceptual confusions are an example of the tendency for radical constructivists to emphasize a homology between conditions of our knowledges and the conditioned through them, i.e. our knowledges, a reducibility of the conditioned to its conditions. With its differentiated handling of concepts such as description and construction, the moderate constructivism offers an alternative way for constructivist endeavours.