Trotz Durchführung der zulassungsrelevanten Studien kommt es nicht selten vor, dass wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) erst nach Marktzulassung identifiziert oder in ihrer Bedeutung erkannt werden. Ursachen hierfür sind unter anderem die niedrige Anzahl von exponierten Patienten, der Ausschluss von Risikopopulationen (Patienten mit Komorbidität oder Komedikation, Kinder, ältere Patienten), die begrenzte Dauer der Beobachtung, sowie die artifiziellen Rahmenbedingungen einer klinischen Studie. Aus diesem Grund gewinnen Pharmakovigilanz-Methoden an Bedeutung, die eine Überwachung der Sicherheit neuer Wirkstoffen nach Marktzulassung und die Identifizierung neuer Arzneimittelrisiken ermöglichen. Die Analyse von UAW-Einzelfällen mittels Kausalitätsassessment, Signaldetektion in Spontanmeldedatenbanken, sowie pharmakoepidemiologische Beobachtungsstudien stellen zurzeit die wichtigsten methodischen Ansätze zur Identifizierung von UAW nach Marktzulassung dar. Ziel der hier vorgestellten Originalarbeiten war es, wichtige UAW unter Anwendung dieser Instrumente zu identifizieren. Publizierte Einzelfallberichte und Fallserien der arzneimittelinduzierten idiosynkratischen Agranulozytose wurden genutzt, um nach Durchführung eines systematischen Kausalitätsassessments möglich medikamentöse Auslöser dieser UAW zu identifizieren. Zusätzlich wurden in Form einer Meta-Analyse typische Latenzzeiten zwischen Beginn der Exposition mit dem auslösenden Arzneimittel und Auftreten der Agranulozytose, Patienten-Charakteristika, Einsatz von spezifischen Therapiemaßnahmen und Verlauf der Agranulozytose analysiert. Es konnten 36 Arzneimittel identifiziert werden, für die mindestens ein als sicher eingestufter Fallbericht vorlag und 89 Arzneimittel, für die mindestens ein als wahrscheinlich eingestufter Fallbericht (aber kein sicherer Bericht) vorlag. Für 24 Arzneimittel konnte die durchschnittliche Dauer der Arzneimitteleinnahme vor dem Auftreten der Agranulozytose berechnet werden und lag zwischen 2 Tagen für Metamizol und 60 Tagen für Levamisol. Die Analyse des Verlaufs der Agranulozytose zeigte einen klaren Trend hinsichtlich einer Abnahme des Anteils von fatalen Verläufen. Während im Zeitraum 1966-1980 die Letalität der Erkrankung noch 17% betrug, reduzierte sich diese auf ca. 11% im Zeitraum 1981-1990 und 6% im Zeitraum 1991-2006. Die Letalität von Patienten mit bzw. ohne G-CSF-Therapie unterschied sich nicht voneinander, allerdings hatten Patienten mit G-CSF seltener infektiöse Komplikationen oder einen tödlichen Verlauf als Patienten ohne G-CSF. Ein weiterer Risikofaktor für infektiöse Komplikationen oder einen tödlichen Verlauf waren besonders niedrige Granulozytenwerte von unter 100/µl. Mittels Dysproportionalitätsanalysen in der Spontanmeldedatenbank der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) wurde der Zusammenhang zwischen Dopaminagonisten und dem Auftreten fibrotischer Reaktionen, sowie zwischen Antipsychotika und dem Auftreten von Priapismus untersucht. Für fibrotische Reaktionen zeigten sich Signale für Ergot-Dopaminagonisten als Gruppe und für die Einzelsubstanzen Bromocriptin, Cabergolin und Pergolid. Im Gegensatz dazu fanden sich keine Signale für non-ergot-Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin). In der Auswertung zu Priapismus fand sich in Übereinstimung mit der Ausgangshypothese ein deutliches Signal für Antipsychotika mit hoher Affinität zu Alpha-1-Adrenozeptoren, während das Signal für Antipsychotika mit niedriger Affinität deutlich weniger stark ausgeprägt war. In Kohortenstudien mit eingebetteter Fall-Kontroll-Studie untersuchten wir unter Anwendung der GPRD (General Practice Research Database) den Zusammenhang zwischen der Einnahme von Dopaminagonisten und dem Auftreten von Herzklappeninsuffizienzen, sowie zwischen der Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) und dem Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Es fand sich für die Ergot- Derivate Pergolid und Cabergolin, nicht aber für andere Dopaminagonisten, ein erhöhtes Risiko für neu aufgetretene Herzklappeninsuffizienzen. Dieses Risiko war insbesondere bei Patienten erhöht, die Pergolid oder Cabergolin in höheren Dosen (>3 mg) und über einen längeren Zeitraum (>6 Monate) eingenommen hatten. Dieses Ergebnis entsprach der biologischen Ausgangshypothese, dass die Herzklappenschädigungen durch Dopaminagonisten primär durch ihre agonistische Aktivität am 5-HT2B-Rezeptor verursacht werden. In den Kohortenstudien zu NSAR und kardiovaskulären Risiken fanden wir für den Herzinfakt erhöhte Risiken für Cyclooxygenase-2-selektive NSAR (Rofecoxib, Celecoxib und Etoricoxib) und für Diclofenac. Kein erhöhtes Risiko beobachteten wir für die nichtselektiven NSAR Naproxen und Ibuprofen. Die Ergebnisse für Schlaganfälle waren ähnlich, allerdings war hier Celecoxib nicht mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Die Analyse von Einzelfallberichten und Dysproportionalitätsanalysen in Spontanmeldedatenbanken stellen wichtige und nützliche Instrumente zur Signal- Identifizierung neuer UAW dar, weisen aber auch einige Nachteile auf. Sekundärdaten in Form großer Gesundheitsdatenbanken wie der GPRD haben sich als Datenquelle für die Durchführung pharmakoepidemiologischer Studien bewährt und eignen sich zur Überprüfung von Signalen aus dem Spontanmeldesystem. Zusätzlich werden sie in Zukunft auch in Bezug auf die Signalgenerierung im Rahmen eines aktiven Pharmakovigilanzansatzes deutlich an Bedeutung gewinnen. Die Nutzung von Routinedaten aus dem deutschen Gesundheitswesen für die systematische Überwachung von Arzneimitteln nach Marktzulassung wäre für die Arzneimittelsicherheit in Deutschland von großer Bedeutung.
Despite availability of drug safety information from pre-marketing studies, important adverse drug reactions are often identified or characterized only after drug approval. Reasons include the rather low number of exposed subjects in pre-marketing trials; the exclusion of special patient populations (e.g. patients with comorbidities; children; elderly); the limited duration of the studies; and the strictly controlled and thus rather artificial environment in which these studies were performed. For these reasons, there is a clear need for pharmacovigilance methods allowing monitoring the safety of newly marketed drugs as well as identification of new risks. Analyses of individual case reports of adverse drug reactions using causality assessment; quantitative signal detection; and observational pharmacoepidemiological studies are the most important methods for post-marketing identification of adverse drug reactions. Aims of the presented studies were to identify important adverse drug reactions using these different methods. Published case reports and case series were used to identify potential causes of non-chemotherapy drug induced agranulocytosis after performing a systematic causality re-assessment. In addition, mean latency periods between start of drug exposure and disease onset; patient characteristics; use of specific therapeutic interventions; and the typical course of agranulocytosis were analyzed. There were 36 drugs with at least one case reports classified as definitely related to occurrence of agranulocytosis; and 89 drugs with at least one report classified as probably related. For 24 drugs, available data allowed calculating the duration of drug exposure before onset of agranulocytosis. The duration ranged between 2 days for metamizole (dipyrone) and 60 days for levamisole. A time-trend analysis indicated that case fatality decreased substantially over time. Case fatality was 17% during 1966-1980, 11% during 1981-1990, and 6% during 1991-2006. Case fatality in patients with and without treatment with G-CSF did not differ, but the composite endpoint of infectious complications or fatality occurred less often in patients treated with G-CSF. Another important risk factor for infectious complications or death was a low nadir of neutrophils (<100/µl). Signal detection with dysproportionality analyses of the database of adverse drug reactions of the US Food and Drug Administration (FDA AERS database) were used to study the relationship between dopamine agonists and occurrence of fibrotic reactions and the relationship between antipsychotics and priapism. For fibrotic reactions, there were signals for ergot-derived dopamine agonists as a group, as well as for the individual drugs bromocriptine, cabergoline and pergolide. In contrast, no signals were identified for non-ergot derived dopamine agonists (pramipexole, ropinirol, rotigotine). The analysis of reports of priapism revealed a strong signal for antipsychotics with high affinity to alpha-1 adrenoceptors, while only a week signal was present for antipsychotics with lower affinity. In cohort studies with nested-case control analysis, we studied the relationship between exposure to dopamine agonists and the occurrence of valvular regurgitation, and the relationship between exposure to non-steroidal antirheumatic drugs (NSAIDs) and the occurrence of myocardial infarction and stroke. For all these studies, the UK General Practice Research Database (GPRD) were used as the data source. There was an increased risk of newly occurring valvular regurgitation for the ergot-derived pergolide and cabergoline, but not for other dopamine agonists. This risk was particularly increased in patients who used these drugs in higher doses (>3 mg) or for a longer duration (>6 months). This result was in accordance with the hypothesis that valvular damage is caused by agonistic activity at the 5-HT2B receptor. The studies on the relationship between NSAIDs and cardiovascular events revealed for myocardial infarction increased risks with COX-2 selective NSAIDs (rofecxoib, celecoxib, etoricoxib) and with diclofenac, but not with the nonselective NSAIDs naproxen or ibuprofen. For stroke, the results were similar with the exemption of celecoxib, which was not associated with an increased risk in this study. The analysis of individual case reports (qualitative signal detection) and dysproportionality analyses in databases of adverse drug reactions (quantitative signal detection) are important tools to identify adverse drug after drug approval, but have several limitations. Large healthcare databases such as the UK GPRD have been shown to be important data sources for pharmacoepidemiological studies and can be used to validate signals from spontaneous reporting system. In addition, healthcare databases will become more important for signal detection in the framework of pro-active pharmacovigilance systems. The systematic use of German healthcare data for the post-marketing monitoring of new drugs would also improve the current pharmacovigilance system in Germany.