Die Schizophrenie zählt auch nach über hundert Jahren intensiver psychiatrischer Forschung zu denjenigen Erkrankungen, die sich einer objektiven Diagnosestellung durch Biomarker entziehen. Neben der klinisch im Vordergrund stehenden produktiven Symptomatik sind kognitive Störungen in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Für die Domäne der selektiven Aufmerksamkeit wurden auf behavioraler, elektrophysiologischer und bildgebender Ebene konsistente Defizite bei schizophrenen Patienten beschrieben. Gegenstand der vorliegenden Studien ist daher die Untersuchung neurophysiologischer Marker verschiedener selektiver Aufmerksamkeitsprozesse auf ihre mögliche Verwendbarkeit als Marker der Schizophrenie. Die hier vorliegenden Arbeiten befassen sich mit der Analyse Ereignis-korrelierter Potentiale des Attention Network Test bei schizophrenen Patienten. Neben der Untersuchung früher Prozesse der selektiven Aufmerksamkeit wurde hier vor allem auf die Charakterisierung neurophysiologischer Korrelate exekutiver Funktionen fokussiert. Ein früher Indikator selektiver Aufmerksamkeit besteht in der N1-Komponente des visuellen Ereignis-korrelierten Potentials (engl. event-related potential, ERP). Hier fanden sich deutliche Defizite der N1-Amplitude bei schizophrenen Patienten sowohl hinsichtlich der Abhängigkeit von der Salienz im Rahmen der exogenen N1-Konstituente als auch hinsichtlich der Abhängigkeit von selektiven Aufmerksamkeitsinhalten als Korrelat der endogenen N1-Konstituente. Quellenanalytische Methoden legen dabei den Verdacht auf einen zumindest auf Ebene der funktionellen Neuroanatomie deutlichen Zusammenhang zwischen Defiziten der exogenen und endogenen Konstituenten nahe. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass ERP- Indikatoren ‚höherer’ kognitiver Funktionen, wie hier am Beispiel der selektiven Aufmerksamkeit untersucht, durch Defizite der sensorischen Informationsverarbeitung konfundiert werden können. Bei der Untersuchung exekutiver Defizite wurde auf die P3-Komponente als Indikator evaluativer, exekutiver Prozesse fokussiert. Hier fand sich ein robustes Defizit der P3-Komponente, dass quellenanalytisch durch ein zu Grunde liegendes Defizit im anterioren cingulären Kortex erklärt werden kann. Insbesondere wurde ein stabiles Modulationsdefizit der parietalen P3-Amplitude identifiziert, das im Vergleich mit einer klinischen Kontrollpopulation eine gewisse Spezifität für die Schizophrenie zu besitzen scheint. Weiterhin konnte eine Unabhängigkeit dieses P3-Defizits von der Erkrankungsdauer nachgewiesen werden. Funktional könnten diese Defizite in einer Störung der Kontextprozessierung visueller Reize begründet sein, die für eine kohärente Objektrepräsentation notwendig ist. Diese Befunde legen nahe, dass die weitere Charakterisierung dieses spezifischen Defizits einen relevanten Wissenszuwachs in der Beschreibung neurophysiologischer Marker der Schizophrenie besitzen könnte. Neben hypothesengeleiteten Ansätzen der neurophysiologischen Biomarkerforschung wurde ein primär Daten-geleiteter Ansatz zur ERP-Analyse gewählt, der perspektivisch zu einer automatisierten Krankheitsklassifikation führen könnte, die unabhängig von oder in Ergänzung zu klinischen Befunderhebungen durchführbar ist. Die Auswahl der ERP-Parameter N1 und P3 erfolgte dabei hypothesengeleitet anhand der bisherigen Forschungsergebnisse. Mit Hilfe maschineller Lernalgorithmen wurde eine Kombination aus ERP-Parametern identifiziert, anhand derer in der vorliegenden Stichprobe eine einfach verblindete Krankheitsklassifikation mit ca. 80% Sensitivität und Spezifität möglich war. Anhand der vorliegenden Forschungsergebnisse konnte insbesondere mit der Modulation der parietalen P3-Amplitude ein neurophysiologischer Parameter identifiziert werden, der gewisse Gütekriterien für biologische Marker psychischer Störungen erfüllt. Die vorliegenden Forschungsergebnisse liefern erste Hinweise für eine Krankheitsspezifität der parietalen P3-Modulation und für eine Unabhängigkeit vom Stadium der Erkrankung. Insgesamt weisen die vorgestellten Befunde auf spezifische neurophysiologische Defizite der Schizophrenie hin und illustrieren deren hohes Potential zur Verwendung als potentieller Krankheitsmarker. Konsequente Fortsetzungen des hier vorgestellten Forschungsansatzes bestehen in der Durchführung genetischer Assoziationsstudien sowie in longitudinalen Studien vor allem an Patienten mit einem putativen Prodromalstadium einer Schizophrenie. Methodische Optimierungen sind mit dem Einsatz weiterer Paradigmen sowie einer single trial-Analyse möglich. Die unterschiedlichen Zugänge der Hypothesen-geleiteten und der Daten-basierten ERP-Analyse können hierbei sinnvoll kombiniert werden, um die Belastbarkeit der erhobenen Befunde zu prüfen.
After a century of intensive research, schizophrenia still belongs to those disorders that cannot be objectively diagnosed by the use of biomarkers. Besides the positive symptoms that usually define the clinical picture of exacerbated schizophrenia, psychiatric research increasingly investigate cognitive deficits associated with schizophrenia. For the domain of selective attention, consistent deficits have been reported using behavioral, electrophysiological, and neuroimaging approaches. The studies reported here focus on the characterization neurophysiologic indicators of selective attention processes and their potential use as biomarkers of schizophrenia. Specifically, early sensory and late cognitive event-related potentials (ERPs) associated with the Attention Network Test in schizophrenia were investigated. The so-called N1 as an indicator of early selective attention processes was found to be reduced in schizophrenia. Both stimulus salience and top-down control processes contributed to this deficit, indicating a contribution of both exogenous and endogenous N1 constituents to this deficit. Source analyses suggest a neuroanatomical overlap between both constituents, indicating that late cognitive ERPs might be partially confounded by deficits of sensory information processing. Investigations of higher cognitive functions focused on the P3-component as an indicator of evaluative, executive processes. Here, a robust P3 amplitude modulation deficit was found that was associated with a current density deficit of anterior cingulate cortex. Specifically, a study that included a clinical population as disease controls suggests that this P3 amplitude modulation deficit seems to be specifically associated with schizophrenia. Further, an independence of disease state could be demonstrated. Together, these studies suggest that a continued characterization of this specific P3 amplitude modulation deficit could considerably contribute to the identification of neurophysiologic markers of schizophrenia. Along with the hypothesis-driven approach, a data-driven analysis was performed that could lead to an automated disease classification on a single-subject level. For this approach, N1 and P3 components were extracted und analyzed by means of machine learning algorithms. This method lead to the identification of 4 ERP parameters that sufficed to correctly classify schizophrenia patients and healthy controls with ca. 80 % specificity and sensitivity. In summary, the current studies identified a modulation deficit of parietal P3 amplitude that fulfilled some, but not all, quality criteria of biological markers of psychiatric disorders. Consequently, genetic association studies and longitudinal studies with prodromal patients should follow to further assess the suitability of the identified ERP marker as an endophenotypical marker. Methodological optimizations are possible with the use of further paradigms and single-trial analyses. Hypothesis- and data- driven analyses may serve as complementary approaches to test the reliability of study results.