Zusammenfassung
Die Aufklärung der Wirkungsmechanismen von Wachstumsfaktoren stellt eine der spannensten Fragestellungen innerhalb der Spermatogeneseregulation dar. Über die para- und autokrine Regulation der saisonalen Spermatogenese ist jedoch noch weit weniger bekannt, als über die lokalen Regulationsfaktoren in der Spermatogenese nicht zyklisch reproduzierender Tiere. Dabei stellt gerade die physiologische, saisonale "up- and down-" Regulation ein hervorragendes Modell für die Untersuchung genereller Mechanismen innerhalb der Spermatogenese dar. Das zeit- und zelltypspezifische Muster des Auftretens von Wachstumsfaktoren im Jahreszyklus könnte ihre funktionelle Rolle in der komplexen Interaktion zwischen germinativen und somatischen Zellen des Hodenparenchyms widerspiegeln. Die Wirkungen parakriner Regulatoren sind so speziell und an ihre Umgebung angepasst, dass sie unter artifiziellen Bedingungen, wie man sie in der Zellkultur oder im Labortiermodell vorfindet, nur eingeschränkt zu untersuchen sind. Es musste deshalb nach einem möglichst naturnahen Modell gesucht werden. Die von uns verwendeten Rehböcke sind nicht domestiziert, zeigen also eine völlig natürliche, strenge Saisonalität mit einer Brunftperiode von Juli bis August. Sie wurden in Außengehegen unter der physiologischen, langsam wechselnden Photoperiode gehalten. Um der Frage nach den Wirkungsmechanismen parakriner Faktoren bei der Spermatogenese effektiv nachgehen zu können, sind zunächst grundlegende Kenntnisse der Gewebestruktur und deren saisonaler Veränderungen notwendig. Es sollte deshalb in dieser Arbeit die Spermatogenese des Rehbockes charakterisiert und die Veränderung innerhalb des Hodenparenchyms über den Jahresverlauf hinweg quantitativ erfasst werden. Im Anschluss daran wurden ausgewählte Wachstumsfaktoren, die auf RNA-Ebene in vorangegangenen Studien über das Jahr hinweg verschiedenartige Expressionsverläufe aufwiesen, immunhistochemisch detektiert. Es handelte sich hierbei um den "transforming growth factor beta 1" (TGFß1), den "transforming growth factor beta 3" (TGFß3), den "acidic fibroblast growth factor" (aFGF, FGF-1) und den "vascular endothelial growth factor" (VEGF). In zweimonatigen Abständen wurden je 3 Rehböcke kastriert und Proben für die histologischen, elektronenmikroskopischen und molekularbiologischen Verfahren gewonnen. Die Spermatogenesestadien des Rehbockes wurden beschrieben und die saisonalen Veränderungen im Hodenparenchym mit Hilfe einer computergestützten Bildauswertung histomorphometrisch erfasst. Um sowohl Leydigzellen als auch Blutgefässe exakt nachweisen und quantifizieren zu können, wurden diese spezifisch immunhistochemisch markiert. Die Antikörper gegen Wachstumsfaktoren wurden im Western Blot auf ihre Spezifität hin überprüft und in einer indirekten Immunhistochemie eingesetzt. Spermatogenesestadien und saisonale Veränderungen des Hodenparenchyms -
" Der Keimepithelzyklus des Rehbockes kann, vergleichbar mit dem anderer Ruminantia, in acht Stadien eingeteilt werden, die nur kurz vor der Brunft im Juni dokumentiert werden können. Dies erklärt sich aus den saisonalen Veränderungen innerhalb der Zellpopulation der Tubuli seminiferi. Es stellt sich, wenn überhaupt, ein Fließgleichgewicht von Mitose, Meiose, Spermiogenese und Spermiation nur sehr kurz ein. -
" Die mitotische Aktivität des Keimepithels erreicht ihr Maximum bereits vor der Brunft. Zur Brunftperiode ist die meiotische Aktivität und damit die Spermatidenzahl maximal; die Proliferation anderer germinativer Zellen wird wieder eingestellt, wiederkehrende Stadien des Spermatogenesezyklus können nicht mehr beobachtet werden. -
" Eine quantitative Betrachtung einzelner Zelltypen des Hodens ist für die Untersuchung der Spermatogenese einer saisonalen Spezies weit aussagekräftiger als die Einteilung in Spermatogenesestadien. -
" Die Ergebnisse legen nahe, dass saisonale Veränderungen durch proliferative Prozesse in der dynamischen Population der germinativen Zellen und die funktionelle Umgestaltung der konstanten Population somatischer Zellen charakterisiert sind. -
" Ein einfaches mathematisches Modell stützt die These, dass sowohl die Zahl der Sertolizellen als auch die Zahl der interstitiellen Zellen im Jahresverlauf gleich bleibt. -
" Da der Marker, der für die Untersuchung der Leydigzellen Verwendung fand, abhängig vom Differenzierungsgrad ist, handelt es sich vielleicht bei den "saisonalen Veränderungen" der Leydigzellpopulation vielmehr um eine De- und Redifferenzierung der gleichen Zellen, als um einen Prozess von Proliferation und Apoptose. Immunhistochemische Detektion der Wachstumsfaktoren -
" Die saisonal determinierten Expressionsmuster der vorher auf mRNA-Ebene untersuchten Wachstumsfaktoren spiegeln sich in der teilweise saison- und stadienspezifischen Lokalisation der Proteine wieder. -
" Der Vergleich der Kenntnisse aus den histomorphometrischen Untersuchungen mit der Lokalisation der Proteine und den Expressionsmustern der mRNA lassen neue Interpretationen und Schlussfolgerungen hinsichtlich der Funktion der Proteine zu. So könnte TGFß1 an apoptotischen Vorgängen innerhalb des Keimepithels beteiligt sein. TGFß3 scheint Vorgänge rund um die Meiose zu beeinflussen. Der aFGF ist in die Kommunikation Sertolizelle-Spermatide involviert und VEGF könnte im Hodenparenchym eine Rolle zukommen, die über die ihm sonst zugeschriebene angiogene Wirkung weit hinausgeht. Aus diesen Ergebnissen lassen sich neue Ansätze für nachfolgende Untersuchungen ableiten. Erstens sollten die saisonalen Veränderungen im interstitiellen Kompartiment durch den spezifischen Nachweis und die Quantifizierung von Proliferation und Apoptose untersucht werden. Zweitens ist für Rückschlüsse auf die Funktion der Wachstumsfaktoren eine genaue Analyse der Rezeptorverteilung und -dichte in Abhängigkeit von Zelltyp und Jahresverlauf notwendig.
Zusammenfassung
Die Aufklärung der Wirkungsmechanismen von Wachstumsfaktoren stellt eine der spannensten Fragestellungen innerhalb der Spermatogeneseregulation dar. Über die para- und autokrine Regulation der saisonalen Spermatogenese ist jedoch noch weit weniger bekannt, als über die lokalen Regulationsfaktoren in der Spermatogenese nicht zyklisch reproduzierender Tiere. Dabei stellt gerade die physiologische, saisonale "up- and down-" Regulation ein hervorragendes Modell für die Untersuchung genereller Mechanismen innerhalb der Spermatogenese dar. Das zeit- und zelltypspezifische Muster des Auftretens von Wachstumsfaktoren im Jahreszyklus könnte ihre funktionelle Rolle in der komplexen Interaktion zwischen germinativen und somatischen Zellen des Hodenparenchyms widerspiegeln. Die Wirkungen parakriner Regulatoren sind so speziell und an ihre Umgebung angepasst, dass sie unter artifiziellen Bedingungen, wie man sie in der Zellkultur oder im Labortiermodell vorfindet, nur eingeschränkt zu untersuchen sind. Es musste deshalb nach einem möglichst naturnahen Modell gesucht werden. Die von uns verwendeten Rehböcke sind nicht domestiziert, zeigen also eine völlig natürliche, strenge Saisonalität mit einer Brunftperiode von Juli bis August. Sie wurden in Außengehegen unter der physiologischen, langsam wechselnden Photoperiode gehalten. Um der Frage nach den Wirkungsmechanismen parakriner Faktoren bei der Spermatogenese effektiv nachgehen zu können, sind zunächst grundlegende Kenntnisse der Gewebestruktur und deren saisonaler Veränderungen notwendig. Es sollte deshalb in dieser Arbeit die Spermatogenese des Rehbockes charakterisiert und die Veränderung innerhalb des Hodenparenchyms über den Jahresverlauf hinweg quantitativ erfasst werden. Im Anschluss daran wurden ausgewählte Wachstumsfaktoren, die auf RNA-Ebene in vorangegangenen Studien über das Jahr hinweg verschiedenartige Expressionsverläufe aufwiesen, immunhistochemisch detektiert. Es handelte sich hierbei um den "transforming growth factor beta 1" (TGFß1), den "transforming growth factor beta 3" (TGFß3), den "acidic fibroblast growth factor" (aFGF, FGF-1) und den "vascular endothelial growth factor" (VEGF). In zweimonatigen Abständen wurden je 3 Rehböcke kastriert und Proben für die histologischen, elektronenmikroskopischen und molekularbiologischen Verfahren gewonnen. Die Spermatogenesestadien des Rehbockes wurden beschrieben und die saisonalen Veränderungen im Hodenparenchym mit Hilfe einer computergestützten Bildauswertung histomorphometrisch erfasst. Um sowohl Leydigzellen als auch Blutgefässe exakt nachweisen und quantifizieren zu können, wurden diese spezifisch immunhistochemisch markiert. Die Antikörper gegen Wachstumsfaktoren wurden im Western Blot auf ihre Spezifität hin überprüft und in einer indirekten Immunhistochemie eingesetzt. Spermatogenesestadien und saisonale Veränderungen des Hodenparenchyms -
" Der Keimepithelzyklus des Rehbockes kann, vergleichbar mit dem anderer Ruminantia, in acht Stadien eingeteilt werden, die nur kurz vor der Brunft im Juni dokumentiert werden können. Dies erklärt sich aus den saisonalen Veränderungen innerhalb der Zellpopulation der Tubuli seminiferi. Es stellt sich, wenn überhaupt, ein Fließgleichgewicht von Mitose, Meiose, Spermiogenese und Spermiation nur sehr kurz ein. -
" Die mitotische Aktivität des Keimepithels erreicht ihr Maximum bereits vor der Brunft. Zur Brunftperiode ist die meiotische Aktivität und damit die Spermatidenzahl maximal; die Proliferation anderer germinativer Zellen wird wieder eingestellt, wiederkehrende Stadien des Spermatogenesezyklus können nicht mehr beobachtet werden. -
" Eine quantitative Betrachtung einzelner Zelltypen des Hodens ist für die Untersuchung der Spermatogenese einer saisonalen Spezies weit aussagekräftiger als die Einteilung in Spermatogenesestadien. -
" Die Ergebnisse legen nahe, dass saisonale Veränderungen durch proliferative Prozesse in der dynamischen Population der germinativen Zellen und die funktionelle Umgestaltung der konstanten Population somatischer Zellen charakterisiert sind. -
" Ein einfaches mathematisches Modell stützt die These, dass sowohl die Zahl der Sertolizellen als auch die Zahl der interstitiellen Zellen im Jahresverlauf gleich bleibt. -
" Da der Marker, der für die Untersuchung der Leydigzellen Verwendung fand, abhängig vom Differenzierungsgrad ist, handelt es sich vielleicht bei den "saisonalen Veränderungen" der Leydigzellpopulation vielmehr um eine De- und Redifferenzierung der gleichen Zellen, als um einen Prozess von Proliferation und Apoptose. Immunhistochemische Detektion der Wachstumsfaktoren -
" Die saisonal determinierten Expressionsmuster der vorher auf mRNA-Ebene untersuchten Wachstumsfaktoren spiegeln sich in der teilweise saison- und stadienspezifischen Lokalisation der Proteine wieder. -
" Der Vergleich der Kenntnisse aus den histomorphometrischen Untersuchungen mit der Lokalisation der Proteine und den Expressionsmustern der mRNA lassen neue Interpretationen und Schlussfolgerungen hinsichtlich der Funktion der Proteine zu. So könnte TGFß1 an apoptotischen Vorgängen innerhalb des Keimepithels beteiligt sein. TGFß3 scheint Vorgänge rund um die Meiose zu beeinflussen. Der aFGF ist in die Kommunikation Sertolizelle-Spermatide involviert und VEGF könnte im Hodenparenchym eine Rolle zukommen, die über die ihm sonst zugeschriebene angiogene Wirkung weit hinausgeht. Aus diesen Ergebnissen lassen sich neue Ansätze für nachfolgende Untersuchungen ableiten. Erstens sollten die saisonalen Veränderungen im interstitiellen Kompartiment durch den spezifischen Nachweis und die Quantifizierung von Proliferation und Apoptose untersucht werden. Zweitens ist für Rückschlüsse auf die Funktion der Wachstumsfaktoren eine genaue Analyse der Rezeptorverteilung und -dichte in Abhängigkeit von Zelltyp und Jahresverlauf notwendig. Summary
Summary
Seasonal spermatogenesis in roe deer: Seasonal changes of histomorphometric parameters in roe deer testis in relation to the immunohistochemical localisation of growth factors TGFß1 and 3, aFGF and VEGF One of the most exciting problems in spermatogenesis regulation is the clarification of mechanisms of growth factor activity. Little is known about paracrine and autocrine testicular regulation systems in seasonal breeders as they are studied to a much lesser extent than non-seasonal breeders, although their physiological seasonal up and down regulation is an excellent model for investigating general mechanisms of spermatogenesis. The time-specific and cell-type-specific pattern of the occurrence of growth factor during the course of a year could reflect their functional role in the complex interaction between germinative and somatic cells of testis parenchyma. The actions of paracrine regulators are very specific and adapted to their environment. Thus the possibility to study them under artificial conditions, such as cell cultures or in laboratory animal model are restricted. Our roe deer are an excellent, realistic model as they are not domesticated and show a natural, strict seasonality, with a short rutting season in July and August. They were kept in outdoor enclosures under the influence of a natural photoperiod. In order to effectively assess the mechanisms involved in spermatogenesis, basic knowledge on tissue structure and its seasonal changes are requiered. The aim of the present study was therefore to characterise roe buck spermatogenesis and to record seasonal changes in testis parenchyma quantitatively throughout the course of the year. In addition selected growth factors, known from previous studies to show seasonal patterns of RNA- expression, were detected immunohistochemically. These growth factors are the transforming growth factor beta 1 (TGFß1), the transforming growth factor beta 3 (TGFß3), the acidic fibroblast growth factor (aFGF) and the vascular endothelial growth factor (VEGF). Every two months three roe bucks were castrated and samples taken for histology, electron microscopy and molecular biological investigations. The stages of spermatogenesis were characterised and seasonal changes in the composition of testis parenchyma examined by histomorphometry using a computer aided image analysis system. To demonstrate the exact localisation and quantity of Leydig cells and blood vessels, they were specifically marked by immunohistochemistry. Antibodies against the growth factors were tested for their specificity by western blot analysis and were then used in indirect immunohistochemistry. Staging and histomorphometry -
" The seminiferous epithelium cycle of the roe buck can be divided into 8 stages comparable to other ruminantia. These stages are only recognizable just before the rutting season in June, because the cell population within the tubuli seminiferi is subjected to distinct seasonal changes. There is little evidence for a dynamic equilibrium of mitosis, meiosis, spermiogenesis and spermiation. -
" The mitotic activity of seminiferous epithelium reached its maximum before the rut. During rutting season only the meiotic activity is at its maximum and provides a large number of spermatids. The proliferation of other germinative cell types has already terminated and stages of spermatogenesis can be observed no longer. -
" A quantitative evaluation of individual cell types within the testis is much more useful for the investigation of spermatogenesis in a seasonal breeding species than staging the seminiferous epithelium cycle. -
" The results suggest that seasonal changes in testis parenchyma are caused by proliferative processes within the dynamic population of germinative cells and by functional rearrangement within a constant population of somatic cells. -
" A simple mathematical model is consistent with the theory that the number of Sertoli cells and the number of interstitial cells remain constant throughout the year. -
" The specific marker used to identify the Leydig cells depends on the level of differentiation of the cells. I therefore suggest that "seasonal variations" within Leydig cell population are most likely caused by dedifferentiation and redifferentiation of identical cells and not by proliferation and apoptosis. Immunohistochemical detection of growth factors -
" The seasonally determined mRNA expression patterns of the investigated GFs are reflected by the partially season and stage-specific localisation of the proteins. -
" A comparison of the knowledge gained by histomorphometry with the data on the localisation of proteins and specific mRNA expression patterns suggests functions of these growth factors. TGFß1 could be participating in apoptosis within the tubuli seminiferi. TGFß3 seems to affect meiotic processes. aFGF might be involved in communication between Sertoli cell and spermatid, and VEGF could play a role within the testis parenchyma that goes beyond its previously suggested angiogenic effects. My results suggest priorities for future studies. Concerning the seasonal changes within the interstitial compartment future approaches should target the specific evidence of proliferation and apoptosis. To gain a deeper insight into growth factor function it is necessary to analyse the receptor localisation and density for each cell type and season.