Zusammenfassung
Aufgrund mangelhafter Überlieferungen im ostfriesischen Raum sind Quellen und Hinweise auf Lebensbedingungen der Menschen der vorreformatorischen Zeit sehr begrenzt. Besonderes Interesse dieser Arbeit gilt daher den 388 menschlichen Über-resten des spätmittelalterlichen Klosterfriedhofs der Zisterzienser in Ihlow, Landkreis Aurich, mit dem Ziel der Rekonstruktion der Lebensweise und Arbeitsbedingungen. Nach archäologischen Befunden handelte es sich um ein wohlhabendes und begütertes Kloster. Diese Aussage wird in der vorliegenden Studie mit Hilfe anthropologischer sowie paläodemografischer und -pathologischer Methoden untersucht. Die Individualdatenerhebung bestätigte den bereits vermuteten Männerüberschuss des Mönchsklosters, wobei auch zu 37 % Frauen sowie Kinder (3,5 %) im Skelettkollektiv vertreten sind. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass der Friedhofsbereich ferner für Konversen, Bedienstete und Familienangehörige als Bestattungsplatz zur Verfügung stand. Sowohl das Sterbemaximum beider Geschlechter im maturen Alter, als auch die hohe Lebenserwartung von 39 Jahren zum Zeitpunkt der Geburt geben bereits einen ersten Hinweis auf gute Lebensbedingungen. Paläoodontologische Befunde lassen eine Ernährungsrekonstruktion zu, die auf eine kohlenhydratarme, wenig abrasive und vermehrt proteinreiche Kost wie Fleisch und Fisch schließen lässt. Diese Aussage wird durch archäologische Befunde mehrerer Fischteiche und großer Wirtschaftsgebäude auf dem Klostergelände gestützt. Der niedrige Abrasionsgrad lässt auf den Verzehr von entspelztes Weißbrot schließen. Die geringen degenerativen Veränderungen der großen Gelenke sowie der Wirbelsäule weisen auf schonendere Arbeitstätigkeiten und leichtere Belastungen als bei der damaligen städtischen und ländlichen Bevölkerung hin. Die seltenen Fälle von Infektionskrankheiten, wie Stomatitis und Otitis media, weisen auf einen guten Immunschutz hin und zeigen die Einhaltung von Hygienemaßnahmen an. Das gänzliche Fehlen bzw. die seltenen Fälle von Mangelerscheinungen sind weitere Hinweise auf gute Nahrungsbedingungen und eine ausgewogene Kost. Einzelne Fälle wie die Trepanation und gut verheilte Brüche deuten auf medizinische Fachkenntnisse und Heilverfahren hin. Beim Vergleich der Lebensbedingungen mit weiteren Männerklöstern kann kein Orden als abweichend herausgestellt werden. Ersichtlich wird jedoch, dass die historischen Frauenklöster einer wesentlich schlechteren Versorgung unterlagen, da dort der Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen wesentlich niedriger ausfallen. Im Stadt-Land-Vergleich stechen die besseren Bedingungen der Klöster zudem deutlich hervor. Abschließend kann daher das aus Beten und Arbeiten bestehende Leben in einem wohlhabenden, mittelalterlichen Kloster wie Ihlow als heilsam bezeichnet werden.
Summary
Due to paucity of written records in East Friesland (Germany) references to the living conditions of the prereformation time are very few. Particular attention focuses on the 388 human remains of the Cistercian monastic population in Ihlow in the late Middle Ages. The aim of this study is the reconstruction of the living and working conditions of this population. The archaeological finds show a wealthy, land owning religious order. Anthropological, palaeodemographical and palaeopathological methods were used to confirm these findings. Data acquisition confirms an excess of male population as it was assumed, whereas 37 % of women and 3,5 % of children are also represented. These findings suggest that the cemetery was also used for the burial of lay brothers, servants and family members. A life expectancy of 39 years alone indicates good living conditions. Paläoodontological findings are evidence of protein rich, low carbohydrate and low abrasive nutrition like meat and fish. This is substantiated by archaeological discoveries of fishponds and extensive farm buildings on the monastic estate. Relatively minor degenerative changes in the joints and vertebral column show less manual labour compared to urban and rural populations. The low incidence of infectious diseases, e.g. stomatitis and otitis media, indicate good levels of immunity and high standards of hygiene. The scarcity of deficiency diseases indicate good, balanced nutrition. Well healed fractures and treppaning point to understanding of medicine. All friaries that have been studied show similar results. Nunneries, however, appear to have had poorer living conditions and hence worse health. The comparative research of rural and urban populations shows clearly better living conditions in the convents. One may conclude that the lifestyle of prayer and light work in a wealthy monastery such as Ihlow in the Middle Ages was beneficial to health.