Die Aminosäure Tyrosin dient als Substrat für die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Katecholamine kontrollieren als Neurotransmitter die pulsatile GnRH-Ausschüttung und haben somit Einfluss auf die Hypothalamus- Hypophysen-Gonaden Achse. Diese Zusammenhänge führten zu der Durchführung einer Reihe von Studien über den Effekt von Tyrosin auf verschiedene Fruchtbarkeitsparameter bei weiblichen Haussäugetieren. Abgeleitet von Ergebnissen dieser Untersuchungen wird in der entsprechenden Fachliteratur u.a. die Verabreichung von 100 mg/kg KM Tyrosin an Hündinnen während der Läufigkeit empfohlen, um das Deckverhalten und die Fruchtbarkeit während des Östrus zu verbessern. Die Evidenz der Kenntnislage ist jedoch gering. Daher bestand das erste Ziel der vorliegenden Arbeit darin, eine systematische und statistische Analyse der vorhandenen Literatur vor dem Hintergrund der Evidenz-basierten Veterinärmedizin durchzuführen (Veröffentlichung 1). Im Anschluss an diese erste Untersuchung stand die Durchführung einer eigenen Studie (Veröffentlichung 2). Diese mittels Placebo kontrollierte Doppelblindstudie zur Applikation von Tyrosin bei der Hündin entspricht dem heutigen wissenschaftlichen Standard (Artikel 2). Bei der Analyse der verfügbaren Literatur wurden 17 Studien anhand von Evidenzkriterien ausgewertet und verglichen. Der Effekt von Tyrosin auf verschiedene Fruchtbarkeitsparameter wurde bei weiblichen Rindern, Schweinen, Ratten und Hunden untersucht. Der Großteil dieser Studien stammt aus den 80er bzw. frühen 90er Jahren. Vielfach fielen bei der Analyse methodische Mängel auf. Hierzu zählten unter anderem das Fehlen von Kontrollgruppen, einer Randomisierung und Verblindung der Studien oder der Berechnung der statistischen Signifikanz der Ergebnisse. Die beiden vorhandenen Untersuchungen an Hunden weisen alle genannten Mängel auf. Die Ergebnisse verschiedener Studien wichen deutlich voneinander ab und waren teilweise sogar widersprüchlich. Insgesamt musste daher festgestellt werden, dass nur wenig wissenschaftlich relevante Quellen vorliegen. Heterogene Ergebnisse der vorhandenen Studien deuten die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen über den Effekt und die Dosierung vonTyrosin an, um die Anwendung in der Praxis empfehlen zu können. Ziel der eigenen Studie war es, den Effekt einer oralen Gabe von Tyrosin auf den Serumspiegel von Östradiol-17β und das Östrusverhalten der Hündin zu untersuchen. Die erforderliche Tierzahl wurde über ein entsprechendes Kalkulationsprogramm auf der Grundlage der folgenden Hypothese berechnet: Als Referenzwert für die mittlere Östradiol-17β- Konzentration am Tag der Ovulation wurden 164,4 ± 54,3 pmol/L zugrundegelegt. Im Vergleich zur Placebogruppe wurde in der Verumgruppe ein Anstieg des mittleren Östradiolwerts um >40 pmol/L angenommen. 50 Hündinnen wurden nach einer Randomisierungsliste auf zwei Behandlungsgruppen aufgeteilt, in welcher jeweils 100 mg/kg/Tag Tyrosin oder Milchzucker als Placebo zwischen dem dritten und dem neunten Läufigkeitstag verabreicht wurden. Alle zwei bis drei Tage wurden die Tiere gynäkologisch untersucht und zur Bestimmung der Östradiol-17β- und Progesteronwerte Blutproben entnommen. Die gynäkologische Routineuntersuchung bestand aus Adspektion, Vaginoskopie und der Zytologie eines Vaginalabstriches. Der Ovulationstag wurde anhand der klinischen Befunde sowie entsprechend der vom Labor vorgegebenen Referenzwerte festgelegt, sobald der Progesteronspiegel 12,7 nmol/L überschritt. Zusätzlich zu den klinischen Untersuchungen wurden die Besitzer gebeten, das Deckverhalten sowie den vaginalen Ausfluss im Vergleich zu vorangegangenen Läufigkeiten zu beurteilen. Zur Protokollierung dieser Beobachtungen wurden standardisierte Fragebögen ausgeteilt. 24 bis 28 Tage nach der ersten Belegung der Hündinnen wurden Trächtigkeitsuntersuchungen per Ultraschall durchgeführt. Nach Abschluss der Datenaufnahme wurde die Verblindung aufgeschlüsselt und die Befunde in vier zeitbezogene Intervalle aufgeteilt: Ovulationstag ±1 d, 2-4 d vor Ovulation, 5-7 d vor Ovulation und 8+ d vor Ovulation. Der mittlere Ovulationstag lag 11,4 ± 1,94 Tage nach Beginn des Proöstrus. In der Verumgruppe (n = 25) akzeptierten bei der Belegung zwei Hündinnen den Rüden nicht und in einem Fall zeigte der Rüde kein Interesse. 17 Hündinnen (68 %) bekamen Welpen. In der Placebogruppe (n = 25) zeigten vier Hündinnen vermindertes Paarungsverhalten, jedoch konnten alle belegt werden. 20 Hündinnen bekamen Welpen (80 %). Unterschiede in Farbe und Menge des vaginalen Ausflusses gab es zwischen den Gruppen nicht. Am Ovulationstag betrug die mittlere Östradiol-17β- Konzentration in der Verumgruppe 163,4 ± 88,6 pmol/L und in der Placebogruppe 162,2± 89.7 pmol/L. Keine signifikanten Unterschiede der Östradiol-17β-Werte wurde in den Tagen vor der Ovulation gefunden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die orale Verabreichung von 100 mg /kg /Tag Tyrosin am dritten bis neunten Läufigkeitstag keinen Einfluss auf die Östradiol-17β- Konzentration bei Hündinnen hat. Im Gegensatz zu den Annahmen der Fachliteratur konnten weder Anzeichen die Läufigkeitsblutung noch das Deckverhalten beeinflusst werden. Um zu klären ob die Anwendung in der Praxis weiterhin empfohlen werden kann, sollten weitere Untersuchungen über Dosis und Wirksamkeit durchgeführt werden.
The amino acid tyrosine serves as substrate for the catecholamines epinephrine, norepinephrine and dopamine. As neurotransmitters catecholamines control the pulsatile GnRH release and therefore have an influence on the hypothalamic-pituitary -gonadal axis. This correlation led to a number of studies on the effect of tyrosine on fertility parameters in female domestic animals. As one result, the administration of 100 mg/kg/day tyrosine is recommended in technical literature in order to improve reproductive behavior and fertility during oestrus. However, the evidence of these studies is poor. Hence, the first aim of this present study was to provide a systematic and statistical analysis of current literature in terms of evidence-based veterinary medicine (article 1). Subsequent to the first analysis an own study was performed (article 2). The study was designed asacontrolled randomized clinical trial meeting current scientific standards. The literature research comprised of 17 studies in German and English, which were evaluated and compared on the basis of evidence criteria. The effect of tyrosine on different fertility parameters had been investigated in female cattle, pigs, rats and dogs. The majority of these studies originate from the 1980ies. Repeatedly, methodical deficits such as lack of control groups, randomization, blinding or the analysis of statistical significance were apparent. The two existing investigations on dogs featured all these deficits. To some extent results from different surveys were inconsistent with one another.Therefore we concluded, that consolidated, there are few scientifically proven sources and heterogeneous results indicate a considerable need for further research on the effectiveness and dose of tyrosine to legitimate its appliance in practice. The objective of our own study was to determine whether oral administration of tyrosine has an effect on oestradiol-17β concentrations and the oestrus behaviour in the bitch.The required number of animals was calculated based on the following hypothesis using Sample Size/Power Calculations: reference value for mean concentration of estradiol-17β on the day of ovulation is 164.4±54.3 pmol/l. An increase by >40 pmol/l (to 204.4 pmol/l) in the verum group at ovulation compared to the control group was hypothesized. Fifty bitches were randomly allocated to one of two treatment groups in which each dog received 100 mg/kg/day of either tyrosine or milk sugar orally between Day 3 and Day 9 of heat. Every two to three days a gynaecological examination was performed and blood samples were taken to determine estradiol-17β and progesterone concentrations. Routine gynaecological examination consisted of adspection, vaginoscopy and cytological evaluation of a stained vaginal smear. The day of ovulation was estimated by clinical findings and according to the specifications of the laboratory once progesterone values exceeded 12.7 nmol/l. In addition to clinical examinations owners were asked to observe copulation behaviour and vaginal discharge compared to previous heats. Standardized case report forms were handed out to document these findings. Pregnancy examination was performed 24 to 28 days after first mating using ultrasound. After all data was collected, the study was unblinded and clinical findings and concentrations of progesterone and estradiol-17β were allocated into four distinct, time-related intervals: day of ovulation ±1 day, 2-4 days before ovulation, 5-7 days before ovulation and 8+ days before ovulation. Mean day of ovulation was 11.4±1.94 days after onset of pro-oestrus (11.4±1.96 days in the verum group and 11.5±1.96 days in the placebo group). In the verum group (n=25), two bitches did not accept the male and in one case the male did not show any interest. 17 bitches (68 per cent) whelped. In the placebo group (n=25), four bitches showed poor copulation behaviour, but all were mated. 20 bitches (80 per cent) whelped. No differences in volume and visual nature of vaginal discharge were observed. At the day of ovulation mean estradiol-17β concentration in the treated group was 163.4 pmol/l and 162.2 pmol/l in the placebo group, respectively. No significantly different levels in estradiol- 17β were found prior to ovulation. The results of our study indicate that oral administration between Day 3 and Day 9 of heat does not elevate estradiol-17β levels. In contrast to recommendations in technical literature, tyrosine did not improve signs of heat or copulation behaviour. Further researchon the effectiveness and dose of tyrosine is desirable to evaluate if its appliance in practice is sustainable.