Fragestellung: Ca. 30-40 % der Patienten mit einer akuten Depression respondieren nicht auf eine Behandlung mit einem Antidepressivum trotz ausreichender Dauer und Dosis. Ein bewährtes Verfahren zur Überwindung der Therapieresistenz ist die sogenannte Lithiumaugmentation. Die vorliegende Studie untersuchte den prädiktiven Wert des kombinierten Dexamethason/CRH- Tests im Hinblick auf den Behandlungserfolg einer Lithiumaugmentation. Darüber hinaus sollte der Frage nachgegangen werden, welche möglichen Veränderungen an der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse durch eine Lithiumaugmentation verursacht werden und ob diese, wie es für die Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva gezeigt werden konnte, in Zusammenhang mit der Wirksamkeit stehen.
Methodik: Insgesamt wurden 30 Patienten mit einer akuten depressiven Episode vom Schweregrad einer Major Depression in die Studie eingeschlossen (Erstmanifestation oder unipolar rezidivierend). Die Studienteilnehmer wurden vor Beginn der Lithiumaugmentation (Baseline) und einmal im Verlauf (Follow up, N = 24) mit dem kombinierten Dexamethason/CRH-Test untersucht. Sie wurden wöchentlich mit der Hamilton-Depressionsskala untersucht. Anhand der wöchentlichen Untersuchungen mit der Hamilton-Depressionsskala wurden die Studienteilnehmer den beiden Gruppen Responder und Non-Responder zugeordnet. Die Wiederholungsuntersuchung mit dem kombinierten Dexamethason/CRH-Test erfolgte bei den Respondern auf die Lithiumaugmentation innerhalb von 3 Tagen nach Feststellung der Response. Bei den Non-Respondern wurde sie 4 Wochen nach Beginn der Lithiumgabe durchgeführt.
Ergebnisse: Vor Lithiumaugmentation: Responder zeigten höhere (statistisch nicht signifikant) ACTH-Werte nach CRH-Injektion als Non-Responder, die Cortisolwerte waren niedriger (statistisch nicht signifikant). Non-Responder zeigten im kombinierten Dexamethason/CRH-Test vor Lithiumaugmentation einen statistisch signifikant höheren Cortisol/ACTH-Quotienten als Responder. Während Lithiumaugmentation: In der Follow up-Untersuchung zeigten sich statistisch signifikant erhöhte ACTH- und Cortisolwerte im Vergleich zur Baseline-Untersuchung. Gleiches galt bei der getrennten Betrachtung von Respondern und Non-Respondern, war jedoch im Fall der Responder deutlicher ausgeprägt.
Zusammenfassung: Non-Responder zeigten im kombinierten Dexamethason/CRH-Test vor Lithiumaugmenation einen statistisch signifikant höheren Cortisol/ACTH- Quotienten. Der Cortisol/ACTH-Quotient ist ein Maß für die von der Nebennierenrinde pro Einheit ACTH produzierte Cortisolmenge und somit ein Indikator für die Responsivität der Nebennierenrinde. Ein höherer Cortisol /ACTH-Quotient könnte im Sinn einer stärker chronifizierten Depression bei Non-Respondern gewertet werden. Unter Lithiumaugmentation kam es zu einem statistisch signifikanten Anstieg der ACTH- und Cortisol-Werte. Im Gegensatz dazu wurde in früheren Studien unter der Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva ein Rückgang der ACTH- und Cortisol-Werte verzeichnet. Da dieser Anstieg sowohl bei Respondern als auch bei Non-Respondern nachweisbar war, handelt es sich möglicherweise um einen direkten Effekt des Lithiums. Ferner stellt dieses Ergebnis den bislang angenommenen Zusammenhang zwischen den für Depressionen typischen Ergebnissen im kombinierten Dexamethason/CRH- Test und dem Vorliegen einer Depression sowie dem Rückgang der Überstimulierbarkeit als Voraussetzung für eine Remission in Frage.
Introduction: About 30 to 40% of patients with major depressive disorders do not respond to adequate first-line antidepressant medication. Lithium augmentation is a well established strategy for treatment-resistant depression. This study investigated the potential predictive value of the combined dexamethasone/CRH test for lithium augmentation response in major depressive disorder. Furthermore changes in the hyopthalamic-pituitary- adrenocortical (HPA) system during lithium augmentation and their correlation to clinical response by means of the combined DEX/CRH test were investigated.
Methods: Thirty patients with unipolar major depressive episodes who had not responded to an adequate trial with an antidepressant were assessed on the day before lithium augmentation with the DEX/CRH test. Twenty-four patients were reassessed after response was determined or, in case of non-response, four weeks after initiation of lithium augmentation. Response to lithium augmentation was measured by weekly ratings on the Hamilton Depression Rating Scale (HDRS 17-item version).
Results: Responders to lithium augmentation showed higher ACTH response and lower cortisol response in the DEX/CRH test, but results were not statistically signifikant. However, non-responders had a statistically significant higher cortisol/ACTH ratio compared to responders. Patients had a significantly higher ACTH and cortisol response to CRH stimulation during lithium augmentation compared with the values at baseline. There was no difference in ACTH and cortisol reaction between responders and non-responders to lithium augmentation.
Summary: The cortisol/ACTH ratio is an indicator for the sensivity of the adrenal cortex to ACTH. The results suggest a more sensitive adrenal cortex in non-responders to lithium augmentation. The findings would be in line with the assumption of a more chronic course of depression with more pronounced biological alterations in the non-rsponder group, because chronic depression is known to cause enlargement of the adrenal gland with a subsequent hypersensitivity to ACTH. The increase of the ACTH and cortisol response to CRH stimulation during lithium augmentation is in contrast to the known normalization of HPA-axis overdrive after treatment with a tricyclic antidepressant like amitriptyline. Because the effect was independent of response status this increase might reflect an effect of lithium that is independent from the psychopathological state or its change.