This thesis explores the issue of local power politics in Egypt in the face of a controversial tenancy bill that came to be known as Law 96, which was fully implemented in October 1997. According to the new law, agricultural rents were to be raised threefold, giving landowners the right to evict tenants at the end of a five-year transitional period, which in effect, brought about a complete reversal of the series of land reforms enacted by Nasser s regime in the fifties and sixties. Although no less than one million families farming 23.7% of Egypt s cultivable land would be affected by the full implementation of the law in October 1997, very little research at the village level has been done so far on the power dynamics at play from a micro perspective when this occurred. The main aim of this study, therefore, is to provide not only a more comprehensive, but also an alternative reading of personal power agendas and the dynamics of violence, as well as the narratives of contention and avoidance surrounding the new law s introduction, focusing on one region of the Egyptian Delta, the governorate of Daqahliya. The thesis describes how the sanctioning of private violence by state agents enabled a process of active collusion between the latter and influential power brokers at the local level. The fact that reports of intimidation and torture committed by the police and state security forces were downplayed by the government, which euphemised instead about containment of rural unrest and the upholding of law and order came as little surprise. Yet the state s effectiveness in preventing such events from occurring was greatly limited from the outset, as much of the violence that erupted in the countryside resulted from local power agendas taking on a dynamic of their own. At the same time, the thesis shows how rural power agendas were not uniform as different parts of Daqahliya experienced different processes of conflict and conflict avoidance, highlighting the view that power relations in the Egyptian countryside are by no means static, nor can their particularity and complexity be emphasised enough. It is argued here that any explanation of an absence of contention over Law 96 should consider the fundamental role played by the convoluted network of individual allegiances and specific concerns of those involved in the tenancy web: that is, the complex set of social, economic and political relationships which the majority of Egypt s small farmers engage in. Indeed, when the new law was introduced, there were multiple and often conflicting interests at stake which cannot be simplified into an issue of winners versus losers . So while the land issue became highly politicised in the capital, with members of the opposition forces propagating the myth of a fellah rebellion, at the same time as proponents of the law warned about the dangers of widespread rural violence; the thesis illustrates that in the Egyptian countryside, the implementation of Law 96 did not hold such significance for the development of collective action.
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen lokaler Machtpolitik in Ägypten vor dem Hintergrund einer umstrittenen Reform der Pachtgesetzgebung, die als Gesetz Nr. 96 bekannt wurde und im Oktober 1997 in Kraft trat. Das Gesetz gibt Landbesitzern das Recht, ihre Pacht um das Dreifache anzuheben sowie bestehende Pachtverträge zum Ende einer fünfjährigen Überganszeit aufzulösen, was im Ergebnis einer vollständigen Rücknahme der Landreformen gleichkommt, die unter Nasser in den 1950er und 1960er Jahren durchgeführt worden waren. Frühzeitig war absehbar, dass fast eine Million Familien, die zusammen 23.7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Ägyptens bestellen, direkt von der vollständigen Implementierung des Gesetzes im Oktober 1997 betroffen sein würden. Gleichwohl wurden bis zu diesem Zeitpunkt kaum Untersuchungen durchgeführt, die sich auf der dörflichen Mikro-Ebene mit den Auswirkungen dieser Reform auf lokale Machtkonstellationen und dynamiken auseinandersetzen. Wichtigstes Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, eine umfassendere, alternative Analyse des Zusammenspiels aus individuellen Interessen und lokalen Machtverhältnissen sowie der Dynamik der Gewaltentwicklung zu leisten, wobei der regionale Fokus auf dem Gouvernement Daqahliya im ägyptischen Nildelta liegt. Ein besonderes Augenmerk gilt Narrativen des Streits und der Vermeidung, die die Einführung des Gesetzes Nr. 96 begleiteten. Die Arbeit beschreibt, wie sich die anfängliche Duldung privater Gewaltausübung durch die Staatsgewalt schließlich zu einer aktiven Kollaboration zwischen staatlichen Organen und einflussreichen lokalen Machthabern ausweitete. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass Berichte von Einschüchterungen und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte von der Zentralregierung heruntergespielt wurden, die die Vorkommnisse zu Maßnahmen der Eindämmung ländlicher Unruhen und der Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung verklärte. Allerdings wurde der Einfluss der Zentralregierung auf diese Entwicklung auch dadurch limitiert, dass der Ursprung der meisten gewaltsamen Übergriffe in lokalen Verteilungskämpfen lag, die bald eine ganz eigene Dynamik entfalteten. Wie die Analyse ebenfalls zeigt, wiesen die einzelnen Regionen Daqahliyas unterschiedliche Konfliktverläufe und Muster der Konfliktvermeidung auf, was die Sicht nahe legt, dass Machtstrukturen im ländlichen Ägypten keinesfalls statisch sind und ihre Einzigartigkeit und Komplexität gar nicht genug betont werden kann. Die Mehrheit der ägyptischen Kleinbauern ist in vielschichtige Netzwerke sozialer, wirtschaftlicher und politischer Beziehungen eingebunden. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Standpunkt vertreten, dass jeder Versuch, das Ausbleiben von Widerstand gegen das Gesetz Nr. 96 zu erklären, die fundamentale Bedeutung dieses unübersichtlichen Geflechts aus persönlichen Allianzen und Einzelinteressen all derer, die in das Pachtsystem involviert sind, berücksichtigen muss. So lagen bei Einführung des neuen Gesetzes auf der Ebene des Dorfes komplexe Interessenkonstellationen vor, die eine Reduzierung des Konflikts auf eine Auseinandersetzung zwischen Reformgewinnern und Reformverlierern als unzulässige Vereinfachung erscheinen lassen. In der Hauptstadt entwickelte sich die Landfrage schnell zu einem Politikum, zum einen, weil oppositionelle Kräfte den Mythos einer Rebellion der Fellah in die Welt setzten, zum anderen, weil Befürworter der Reform gleichzeitig vor einer Gewalteskalation auf dem Lande warnten; in den ländlichen Regionen Ägyptens selbst hingegen hatte die Implementierung des Gesetzes Nr. 96 kaum Auswirkungen auf die Formierung kollektiver Interessen.