As life expectancy increases, the accumulation of diseases becomes more likely and may result in multimorbidity – the co-occurrence of two or more chronic conditions at a time. Being multimorbid bears several difficulties, such as more frequent health care utilisation, longer hospital stays, complications with treatment and a greater likelihood of developing disabilities and mobility impairments. These problems can cause rapid declines in quality of life and autonomy for those affected. One option to restore quality of life and autonomy despite having several health complaints is to rely on one’s social network to assist with staying mobile as well as with daily chores and activities that are no longer possible without external help. However, accepting help does not always happen without costs for the recipient. Some older adults fear that they will become a burden to their care-givers. Moreover, research indicates that older adults and those with chronic conditions may perceive support as a threat to their self-esteem, and develop feelings of dependence, guilt, depressive symptoms, and experience social conflict. Therefore, receiving support was referred to as a “double edged sword” or “mixed blessing”. This dissertation begins by reviewing the literature on the effects of several distinct social support constructs on quality of life, autonomy and health behaviours in older adults with multiple chronic illnesses. The following empirical chapters then systematically test theories that may explain negative effects of receiving support. Thereby, high specificity in the assessment of social resources and risk factors will be emphasised to elaborate on the particular types and circumstances that render receiving support beneficial for quality of life and autonomy. Finally, the general discussion elaborates on strategies for future research and practice that aim at facilitating a life with high autonomy and quality of life despite multimorbidity.
Soziale Unterstützung aus dem sozialen Netzwerk eines chronisch erkrankten Menschen kann zu mehr Mobilität, einem besseren Umgang mit der Krankheit und zu einem gesünderen Lebensstil verhelfen (Uchino, 2009). Interaktionen mit anderen Menschen rufen jedoch nicht, wie lange in der Erforschung sozialer Unterstützung angenommen, nur positive Effekte für das Wohlbefinden älterer und chronisch erkrankter Menschen hervor. Sie können unter Umständen das Gegenteil bewirken, indem sie die Selbstbestimmtheit einschränken, Konflikte oder Reaktanz hervorrufen, oder den Selbstwert der Hilfe empfangenden Person mindern können (Taylor, 2007). Diese Arbeit leistet einen Beitrag zur Erforschung der Kehrseiten sozialer Unterstützung im Alter und entwickelt Strategien diese zu vermeiden. Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen – der so genannten Multimorbidität – sind besonders auf die Hilfe aus ihrer Umwelt angewiesen, da sie mit höherer Wahrscheinlichkeit gebrechlich und pflegebedürftig werden. Daher nehmen sie in besonderem Ausmaß soziale Unterstützung in Anspruch (Marengoni, Von Strauss, Rizzuto, Winblad, & Fratiglioni, 2009). Allerdings kann zu viel oder ungünstig interpretierte soziale Unterstützung bei Menschen mit Mehrfacherkrankungen dazu führen, dass sie sich in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlen (Tooth, Hockey, Byles, & Dobson, 2008). Ziel dieser Arbeit ist es daher, zu untersuchen, welche sozialen Unterstützungsversuche von multimorbid erkrankten älteren Menschen wirklich als Unterstützung – also als Ressourcen – und welche Unterstützungsversuche als Beeinträchtigungen ihrer Gesundheits- verhaltensweisen, ihrer Lebensqualität und ihrer Autonomie – also als Risikofaktoren – wahrgenommen werden. Insbesondere untersucht die Arbeit die Ursachen und Umstände für negative Auswirkungen sozialer Unterstützung. Im Ausblick werden Strategien erarbeitet, wie soziale Unterstützung von älteren Menschen mit multiplen Erkrankungen besser akzeptiert und wie negative Auswirkungen vermieden werden können. Solche Strategien sollen der Abwärtsspirale der Lebensqualität und Autonomie bei Menschen mit Mehrfacherkrankungen entgegenwirken, ein selbstbestimmtes Leben erleichtern und Pflegebedürftigkeit hinauszögern oder mindern. Um Forschungsergebnisse zu sozialen Unterstützungsprozessen hinreichend interpretieren zu können, sollte eine differenzierte Perspektive auf die unterschiedlichen Formen der sozialen Unterstützung eingenommen werden. Daher unterscheidet diese Arbeit zwischen erhaltener sozialer Unterstützung, also der retrospektiv berichteten Unterstützung aus Sicht des Empfängers, und erwarteter Unterstützung, die eine Zielperson glaubt zu bekommen, wenn eine Situation es erforderlich macht (Berkman & Glass, 2000). Zudem wird bei der Erforschung sozialer Interaktionen unterschieden, wie viel Unterstützung von der Zielperson geleistet wurde und in welchem Ausmaß soziale Konflikte auftreten. Weiterhin differenziert die Arbeit drei Arten der sozialen Unterstützung: a) emotionale Unterstützung (von anderen getröstet oder aufgeheitert werden), b) informationelle Unterstützung (Informationen oder Ratschläge erhalten) und c) instrumentelle Unterstützung (Erhalt von materiellen Gütern oder zeitlichen Ressourcen). Zudem kann soziale Unterstützung allgemein erhoben werden, z.B. als generelle Aufmunterung, oder spezifisch, wie etwa Unterstützung zum Umgang mit einer bestimmten Krankheit oder zum Aufbau eines gesunden Lebensstils. Während soziale Unterstützung zu erwarten und zu leisten sich als konstant positiv für das Wohlergehen älterer und chronisch erkrankter Menschen herausgestellt haben (Brummett, et al., 2005; Schwartz & Sendor, 1999), berichtet die Forschung zur erhaltenen Unterstützung immer wieder inkonsistente Befunde. So finden manche Studien, dass erhaltene Unterstützung das Risiko für depressive Symptome senkt, die Lebensqualität nach Operationen erhöht und das Selbstmanagement bei chronischen Krankheiten fördert (DiMatteo, 2004; Schröder, 1997). Andere Studien berichten keine Effekte erhaltener Unterstützung (Schreurs, De Ridder, & Bensing, 2000; Seeman, Bruce, & McAvay, 1996), und wieder andere Studien berichten, dass erhaltene Unterstützung bei chronisch Erkrankten Gefühle der Hilflosigkeit, depressive Symptome und körperliche Einschränkungen hervorruft und verstärkt (Bisschop, Kriegsman, Beekman, & Deeg, 2004; Von Bergen, Soper, Rosenthal, Cox, & Fullerton, 1999). Vor dem Hintergrund der inkonsistenten Befundlage zur Auswirkung erhaltener sozialer Unterstützung widmet sich diese Arbeit daher folgenden übergeordneten Fragen: 1) Ist erhaltene soziale Unterstützung eine Ressource oder ein Risikofaktor für Gesundheitsverhalten, Lebensqualität und Autonomieempfinden älterer mehrfach erkrankter Menschen? 2) Unter welchen Umständen ist erhaltene Unterstützung ein Risikofaktor? Können Unterschiede im Studiendesign (Kapitel 3, 6) oder in der Messung des Konstrukts (Kapitel 4, 5, 6) die negativen Effekte erklären? Oder ist das Zusammenspiel erhaltener Unterstützung mit Selbstwert (Kapitel 2), Selbstwirksamkeit (Kapitel 2, 3, 4, 5) oder sozialem Konflikt (Kapitel 6) dafür verantwortlich? 3) Unter welchen Umständen ist erhaltene Unterstützung eine Ressource? Wirkt erhaltene Unterstützung grundsätzlich unterschiedlich auf verschiedene abhängige Variablen, wie Gesundheitsverhaltensweisen, Lebensqualität und Autonomie (Kapitel 4, 5, 6)? Und welche Art der sozialen Unterstützung wird von wem positiv bewertet (Kapitel 3, 4, 5, 6)? Diese Fragen und ihnen zu Grunde liegende Theorien zur Erklärung der negativen Effekte erhaltener sozialer Unterstützung wurden in dieser Arbeit systematisch in den empirischen Kapiteln 2 bis 6 an zwei Stichproben bestehend aus Menschen des mittleren und höheren Lebensalters mit Mehrfacherkrankung untersucht. Kapitel 1 widmete sich der Frage, wie allgemein erfasste erhaltene im Vergleich zu erwarteter und geleisteter emotionaler sozialer Unterstützung auf körperliche und mentale Lebensqualität multimorbid erkrankter Menschen wirkt. Außerdem wurde untersucht, welche psychologischen Mechanismen den Zusammenhang zwischen erhaltener, erwarteter und geleisteter Unterstützung und Lebensqualität erklären können, indem Selbstwert und Kontrollüberzeugungen als simultane Mediatoren getestet wurden. Kontrollüberzeugungen sind Annahmen eines Individuums, Ereignisse durch das eigene Verhalten herbeiführen oder beeinflussen zu können und damit essentiell für die Eigenständigkeit und Lebensqualität im Alter (Rodin, 1986). Erwartete und geleistete Unterstützung war, wie angenommen, förderlich für die Lebensqualität. Zudem ließen sich die Effekte durch eine Verbesserung des Selbstwerts und der Kontrollüberzeugungen erklären. Nur der Erhalt von Unterstützung zeigte sich in Kapitel 2 nachteilig für die Lebensqualität mehrfach erkrankter Personen. Da dieser negative Effekt erhaltener Unterstützung jedoch nicht über eine Verminderung der Kontrollüberzeugungen und des Selbstwerts vermittelt wurde, konnten weder die Social Breakdown noch die Failed Individual Coping Theorie bestätigt werden (Bengtson & Kuypers, 1985; Wethington & Kessler, 1986). Auch konnte auf Grund des querschnittlichen Designs von Kapitel 2 die Mobilisierungshypothese nicht widerlegt werden. Diese besagt nämlich, dass erhaltene soziale Unterstützung nicht an sich negative Effekte hervorruft, sondern die negativen Effekte durch Stressoren (wie z.B. der Beginn einer Erkrankung oder der Verlust des Partners) verursacht werden, die als Konsequenz vermehrt soziale Unterstützung auftreten lassen (Barrera, 1986). Aus diesem Grund wurden in den Folgestudien dieser Arbeit alternative Erklärungsansätze im Längsschnitt untersucht. In Kapitel 3 wurde Selbstwirksamkeit (eine Form der Kontrollüberzeugung) als Moderator in der Beziehung zwischen allgemeiner erhaltener instrumenteller Unterstützung und Autonomie untersucht. Autonomie wurde hierbei als das subjektive Empfinden von Entscheidungs- und Handlungsspielräumen erfasst (Schwarzer, 2008). Der längsschnittliche Zusammenhang zwischen erhaltener Unterstützung und Autonomie wurde erst durch die Einführung von Selbstwirksamkeit als Moderator ersichtlich: Entsprechend der Kompensationshypothese konnten Menschen mit niedriger Selbstwirksamkeit ihre Autonomie aufrechterhalten, indem sie das Fehlen an Selbstwirksamkeit durch den Erhalt von sozialer Unterstützung kompensieren (Schröder, 1997). Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit hingegen nahmen mit steigender sozialer Unterstützung zunehmend Einschränkungen ihrer Autonomie wahr, was die Interferenzhypothese bestätigte (Schröder, 1997). Nur solche mehrfach erkrankten Personen, die schon starke Einbußen ihrer personalen Ressourcen erlitten haben, scheinen demnach ihr Autonomieerleben durch externe Hilfe aufrechterhalten zu können, d.h. nur sie profitieren von so genannter selektiver selbstbestimmter Abhängigkeit (Bandura, 1997). Im nächsten Schritt der Arbeit sollten über die psychologischen Mechanismen hinaus behaviorale Prozesse, die durch den Erhalt von sozialer Unterstützung ausgelöst werden können, untersucht werden. In den Kapiteln 4 bis 6 wurde daher die Beziehung von erhaltener sozialer Unterstützung mit zwei essentiellen Gesundheitsverhaltensweisen für ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen analysiert – körperliche Bewegung und regelmäßige Einnahme verschriebener Medikamente, auch Medikamentenadhärenz genannt. In Kapitel 4 wurde untersucht, wie bewegungsspezifisch erfasste Selbstwirksamkeit und bewegungsspezifisch erfasste soziale Unterstützung auf die Bewegungshäufigkeit älterer mehrfach erkrankter Menschen wirken. Im Gegensatz zu Kapitel 3, aber in Einklang mit früheren Studien zur körperlichen Aktivität (Dishman, Saunders, Motl, Dowda, & Pate, 2009), ergaben die Ergebnisse aus Kapitel 4 einen additiven und keinen kompensatorischen oder interferierenden Effekt beider Ressourcen auf Bewegungsverhalten: Diejenigen Personen, die sich am häufigsten körperlich bewegten, berichteten hohe Maße an sozialer Unterstützung und hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, regelmäßig körperlich aktiv sein zu können. Erhaltene Unterstützung hatte in Kapitel 4 also einen positiven Effekt. Da sich bewegungsspezifische Selbstwirksamkeit als besonders wichtige Ressource für das Bewegungsverhalten älterer Menschen erwiesen hat, wurde in Kapitel 5 analysiert, ob soziale Ressourcen für den Aufbau von Selbstwirksamkeit genutzt werden. Es zeigte sich, dass ältere mehrfach erkrankte Menschen tatsächlich davon profitieren, einen oder mehrere Sportpartner zu haben, die als Verhaltensmodelle fungieren. Dahingegen hingen Überredungsversuche weder mit der Selbstwirksamkeit noch mit dem Bewegungsverhalten positiv zusammen. Beide Ergebnisse stehen in Einklang mit der Selbstwirksamkeitstheorie von Bandura (1997) und einer kürzlich erschienen Meta-Analyse (Ashford, Edmunds, & French, 2010), die berichtet, dass soziale Einflüsse die Selbstwirksamkeit für körperliche Aktivität beeinflussen können, indem sie Verhaltensmodelle bereitstellen, nicht aber durch verbale Überzeugungsversuche. Da sich die Frage stellt, weshalb die ersten beiden Studien dieser Arbeit zu negativen und die nächsten beiden hauptsächlich zu positiven Effekten erhaltener sozialer Unterstützung kamen, lag die Erklärung nahe, dass Maße der erhaltenen sozialen Unterstützung, die passend zur abhängigen Variable erhoben werden (sich z.B. beide auf ein bestimmtes Gesundheitsverhalten beziehen), eher positive Effekte hervorbringen als allgemeiner erfasste Unterstützungsmaße. Folglich wurden in Kapitel 6 die Auswirkungen allgemeiner und verhaltensspezifisch erfasster erhaltener sozialer Unterstützung auf ein weiteres Gesundheitsverhalten, Medikamentenadhärenz, untersucht. Während das allgemeine Unterstützungsmaß nicht mit Medikamentenadhärenz zusammenhing, berichteten Personen bei vermehrter medikamentenspezifischer Unterstützung abnehmende Medikamentenadhärenz, sowohl querschnittlich als auch längsschnittlich. Dieser längsschnittlich gefundene negative Zusammenhang schließt die Mobilisierungshypothese als Erklärung aus, da diese annimmt, dass negative Zusammenhänge zwischen erhaltener Unterstützung und abhängigen Variablen ausschließlich querschnittlich auftreten. Deswegen überprüfte Kapitel 6 als weiteren Erklärungsansatz für die negativen Effekte erhaltener Unterstützung eine Interaktion mit sozialem Konflikt (Abbey, Abramis, & Caplan, 1985). Mit sozialem Konflikt sind dabei negative soziale Interaktionen wie Kritik, Zurückweisung, oder Missbilligung gemeint. Tatsächlich ließ sich der negative Effekt erhaltener medikamentenspezifischer Unterstützung auf diejenigen Personen zurückführen, die gleichzeitig viele soziale Konflikte berichteten. Die abschließende Diskussion dieser Arbeit in Kapitel 7 kommt daher zu dem Schluss, dass die negativen Effekte erhaltener sozialer Unterstützung nicht auf Inkongruenzen in der Messung sozialer Unterstützung und der abhängigen Variable oder auf die Mobilisierungshypothese zurückzuführen sind, sondern reale Hindernisse für die Lebensqualität und Autonomie im Alter darstellen. Diese Arbeit zeigt somit, dass negative oder Null-Effekte erhaltener sozialer Unterstützung durch ihr Zusammenspiel mit personalen Ressourcen und sozialem Konflikt erklärt werden können. Zukünftige Forschung zu sozialen Ressourcen sollte daher versuchen, diese Variablen ebenfalls zu erheben. Um in der Praxis negative Effekte durch gut gemeinte soziale Unterstützung zu vermeiden, können folgende Strategien aus dieser Arbeit abgeleitet werden: Auch ältere und chronisch erkrankte Personen profitieren davon, die erfahrene Unterstützung in moderatem Ausmaß zu erwidern, da Hilfeleistungen sich positiv auf ihren Selbstwert und ihre Kontrollüberzeugungen und damit auf ihre Autonomie und Lebensqualität auswirken (Schwartz & Sendor, 1999). Vor allem aber sollte soziale Unterstützung auf das Ausgangsniveau an personalen Ressourcen älterer Menschen mit Mehrfacherkrankungen angepasst sein. Personen, die sich trotz ihres Gesundheitszustandes noch viel zutrauen, sollten daher aktiv in den Entscheidungsprozess über Hilfeleistungen einbezogen werden, da sonst die Gefahr besteht, dass externe Hilfe als Überbehütung oder Kontrolle wahrgenommen wird, was zu Einschränkungen des Autonomieerlebens und zu Konflikten führen kann. Als zuträglich hat sich das Konzept der autonomieunterstützenden Hilfe erwiesen, welches chronisch erkrankten Menschen Entscheidungsspielräume und Mitspracherecht einräumt, und lediglich geringen Druck in Richtung vorgegebener Verhaltensweisen ausübt (Williams, Rodin, Ryan, Grolnick, & Deci, 1998). Die Strategie der autonomieunterstützenden Hilfe sollte daher Eingang in die informelle und professionelle Versorgung älterer Menschen mit Mehrfacherkrankungen finden.