Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Struktur und die Dynamik der cytoplasmatischen Oberfläche des Rhodopsins mittels Röntgendiffraktionsmethoden und zeitaufgelösten Fluoreszenzanisotropiemessungen untersucht. Rhodopsin ist der Photorezeptor der vertebralen Stäbchenzelle und zählt zu der Familie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren. Die Lichtaktivierung des Rhodopsins führt zu Konformationsänderungen auf der cytoplasmatischen Oberfläche des Rezeptors, die schließlich die Bindung und Aktivierung des visuellen G-Proteins Transducin ermöglichen. Das Verständnis der G-Proteinaktivierung auf molekularer Ebene erfordert Kenntnisse über die Struktur der cytoplasmatischen Oberfläche und deren lichtinduzierten Veränderungen. Bislang konnte allerdings die Struktur der Loopbereiche außerhalb der Membranebene noch nicht aufgeklärt werden.
Im ersten Teil der Arbeit wurden daher einzelne Aminosäuren auf der cytoplasmatischen Oberfläche des Rhodopsins mittels Röntgendiffraktion an multilamellaren Filmen zweidimensionaler Rhodopsinkristalle lokalisiert. Hierzu wurden die nativen Cysteinreste C140 und C316 mit einem Schweratommarker markiert und anschließend die Position der Marker mit Fourier-Differenzverfahren bestimmt. Diese Experimente erforderten die Entwicklung geeigneter Rekonstitutions- und Dialyseverfahren zur Herstellung homogener Präparationen zweidimensionaler Rhodopsinkristalle im mg-Bereich. Die Röntgendiffraktionsexperimente wurden mit einem Drehanodengenerator als Röntgenquelle und einem linear ortsempfindlichen Detektorsystem durchgeführt. Die ermittelten Positionen der Schweratommarker sind in guter Übereinstimmung mit den bislang vorliegenden Strukturmodellen der Transmembranregion von Rhodopsin und stehen in Einklang mit den in der Literatur beschriebenen Interaktionen der Aminosäuren C140 bzw. C316 mit anderen Aminosäureseitenketten des Rhodopsins. Somit konnte zum erstem Mal die Position einzelner Aminosäuren in den cytoplasmatischen Loopbereichen des Rhodopsins direkt bestimmt werden. Die hier dargestellte Methode eröffnet die Möglichkeit, selbst bei niedriger Auflösung zusätzliche Strukturdetails zu erhalten, die zum Verständnis der Aktivierung G-Protein gekoppelter Rezeptoren von großer Bedeutung sind.
Im zweiten Teil der Arbeit wurden die lichtinduzierten Veränderungen der cytoplasmatischen Oberfläche des Rhodopsins mit der Methode der zeitaufgelösten Fluoreszenzanisotropie untersucht. Hierzu wurden die Cysteinreste C140 und C316 selektiv mit verschiedenen Fluoreszenzmarkern derivatisiert. Die Anisotropiemessungen wurden nach dem Prinzip der zeitkorrelierten Einzelphotonenzählung durchgeführt. Die Aufnahme der Meßdaten erfolgte an den Synchrotronanlagen BESSY I bzw. HASYLAB. Nach Übergang in den lichtaktivierten MII-Zustand wurde eine Erhöhung des Ordnungsparameters beobachtet, was auf eine Zunahme der sterischen Bewegungseinschränkung des Fluorophors zurückzuführen ist. Mit diesen Experimenten konnte erstmals gezeigt werden, daß mit der Methode der zeitaufgelösten Fluoreszenzanisotropie Konformationsänderungen auf der cytoplasmatischen Oberfläche des Rhodopsins nachgewiesen werden können. Dies eröffnet die Möglichkeit, die dynamischen Vorgänge bei der Ausbildung der G-Proteinbindungsstelle systematisch zu untersuchen.
The objective of this project was the investigation of the structure and mobility of the cytoplasmic surface of rhodopsin using X-ray diffraction methods and time-resolved fluorescence anisotropy measurements. Rhodopsin is the dim-light photoreceptor of the vertebrate retinal rod cells and is a member of the G protein-coupled receptor family. Light-activation of rhodopsin causes conformational changes on the cytoplasmic surface of the receptor, which finally enables binding and activation of the visual G protein transducin. Understanding the mechanism of G protein activation requires knowledge about the structure of the cytoplasmic surface and the light-induced conformational changes. Unfortunately, the structure of the cytoplasmic loop domain could not be resolved until now.
Thus, within the first part of this project the position of single amino acids on the cytoplasmic surface was determined by X-ray diffraction experiments on lamellar stacks of two-dimensional rhodopsin crystals. The cysteine residues C140 and C316 were derivatized with the heavy-atom label PCMB and the position of the label was determined using Fourier-difference techniques. This method required the development of reconstitution and dialysis techniques to produce milligram amounts of macroscopic homogeneous samples of two-dimensional rhodopsin crystals. The X-ray experiments were performed using a rotating anode generator as the X-ray source and an one-dimensional position-sensitive detector system. The positions found for the heavy-atom labels were in a good agreement with the current available structural models of rhodopsin and the known interactions of the labeled cysteine side chains with other amino acids. Thus, for the first time the position of single amino acids in the cytoplasmic loop region of rhodopsin could be determined. The approach reported here offers the possibility to obtain additional structural information even from low-resolution data which could help to understand the mechanism of G protein- coupled receptor activation.
Within the second part of this project the light-induced changes at the cytoplasmic surface of rhodopsin were investigated using time-resolved fluorescence anisotropy measurements. Different fluorophores were selectively attached to the native cysteine residues C140 and C316, respectively. Anisotropy measurements were carried out with a single-photon counting apparatus, which was especially designed to use synchrotron radiation as the light source. The measurements were performed at the synchrotrons BESSY I and HASYLAB, respectively. An increase of the order parameter was observed within the light-activated MII state, which was interpreted as an increase of the sterical restriction of the fluorophore mobility. These experiments demonstrated that conformational changes at the surface of rhodopsin are detectable by the method of time-resolved fluorescence anisotropy. Thus, this approach offers promise for a systematic investigation of the mobility changes, which occur during the activation of G protein-coupled receptors.