In zoologischen Gärten leben Tierarten, die sich in den verschiedensten Erdteilen über lange Zeiträume hinweg unabhängig voneinander entwickelt haben, in hoher Dichte zusammen. Zudem werden Zootiere immer häufiger in Gemeinschaftsanlagen gehalten, wo verschiedene Spezies in engem direktem und indirektem Kontakt miteinander leben. Insbesondere Ungulaten werden häufig vergesellschaftet, wodurch sich aus epidemiologischer Sicht eine interessante Situation ergibt, deren Folgen bislang nicht untersucht worden sind: Infektionserreger, die gemeinsam mit ihren natürlichen Wirten evoluiert sind, können auf andere Spezies übertragen werden, für die sie zum Teil eine unterschiedliche Pathogenität besitzen. Insbesondere Herpesviren verursachen bei ihrem natürlichen Wirt eine klinisch inapparente Infektion, während sie bei anderen Spezies zur schweren Erkrankung führen können. In der vorliegenden epidemiologischen Studie wurde untersucht, wie hoch die Exposition der drei Huftierfamilien Boviden, Cerviden und Cameliden gegenüber solchen Infektionserregern ist. Dafür wurden elf zoologische Gärten mit einer möglichst hohen Zahl von Gemeinschaftsanlagen bzw. einer möglichst hohen Zahl von Huftieren ausgewählt: Zoologischer Garten Berlin, Tierpark Berlin- Friedrichsfelde, Zoo Dortmund, Zoo Dvúr Králové (Tschechische Republik), Zoom- Erlebniswelt Gelsenkirchen, Tierpark Hagenbeck, Hamburg, Zoo Hannover, Zoo Karlsruhe, Zoo Leipzig, Tiergarten Nürnberg und der Zoologisch-botanische Garten Wilhelma, Stuttgart. Die Infektionserreger wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: (1) Sie sollten zwischen verschiedenen Huftierspezies übertragbar sein. (2) Sie sollten eine praktische Relevanz besitzen. Um die praktische Relevanz zu ermitteln, bestand der erste Teil der Arbeit in einer Auswertung der veterinärmedizinischen Archivbefunde jedes zoologischen Gartens von 1998 bis 2004. Ihr zufolge lagen die Schwerpunkte der Diagnostik in den letzten sieben Jahren auf Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (M.pt.), Coxiella (C.) burnetii und Chlamydophila (C.) psittaci. Chlamydien und Coxiellen (bzw. gegen diese Erreger gerichtete spezifische Antikörper) wurden am häufigsten nachgewiesen. Im zweiten Teil der Arbeit wurden 926 Huftiere mittels Virusneutralisationstest bzw. ELISA auf Antikörper gegen acht interspezifisch übertragbare Infektionserreger untersucht. Gegen alle acht Erreger konnten spezifische Antikörper nachgewiesen werden. Bezogen auf die Gesamtzahl der untersuchten Tiere ergaben sich folgende Seroprävalenzen: 1,5% (14/926) für Bovines Herpesvirus 1 (BHV-1); 0,2% (2/926) für Caprines Herpesvirus 1 (CHV-1); 0,2% (2/926) für Cervides Herpesvirus 1 (HVC-1); 21,2% (180/850) für Bösartige Katarrhalfieber Viren (BKFV); 1,4% (13/926) für Bovines Virusdiarrhoe Virus (BVDV); 19,6% (165/843) für C. psittaci; 0,1% (1/754) für C. burnetii; 2,8% (19/667) für M.pt. Die Ergebnisse der Arbeit belegen Folgendes: Die Prävalenz von Antikörpern gegen Alphaherpesviren (BHV-1, CHV-1, HVC-1) und BVDV liegt jeweils unter 3% (n=926). Daraus lässt sich schließen, dass Zooungulaten zurzeit gegenüber diesen Erregern nicht in bedeutendem Maße exponiert sind. Zooungulaten sind in allen Zoos gegenüber BKFV exponiert. Die Prävalenz von Antikörpern gegen BKFV liegt bei 21% (n=850) und ist innerhalb der Unterfamilie Caprinae mit 54% (n=219) am höchsten. Das bedeutet, dass Zooungulaten gegenüber BKFV in signifikantem Maße exponiert sind und insbesondere Schafe und Ziegen eine Infektionsquelle für empfängliche Huftiere darstellen können. Zooungulaten sind in allen Zoos gegenüber C. psittaci exponiert. Die Prävalenz von Antikörpern gegen C. psittaci liegt bei 20% (n=843) und ist innerhalb der Familie der Cameliden mit 32% (n=74) am höchsten. Das bedeutet, dass Zooungulaten gegenüber C. psittaci in signifikantem Maße exponiert sind und insbesondere Cameliden eine Infektionsquelle für empfängliche Huftiere darstellen können. Die Prävalenz von Antikörpern gegen C. burnetii und M.pt. liegt unter 3% (n=754 resp. 667). Aus diesem Ergebnis lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, wie hoch die Expositionswahrscheinlichkeit der Zooungulaten gegenüber diesen Erregern ist, da die diagnostischen Möglichkeiten für den Nachweis einer Infektion bei Wildtieren noch sehr begrenzt sind. Insbesondere bei M.pt. ist aufgrund der spät auftretenden humoralen Immunantwort mit einer gewissen Anzahl infizierter, seronegativer Tiere zu rechnen. Zusätzlich zur taxonomischen Klassifizierung der Tiere (Familie, Unterfamilie, Spezies), ihres Alters, Geschlechts und ihrer Herkunft wurden folgende Einflussfaktoren auf die Expositionswahrscheinlichkeit von Zooungulaten gegenüber Infektionserreger diskutiert: Haltungsform (Einzelarthaltung, verschiedene Formen der Gemeinschaftshaltung, Streichelzoo), Gehegegröße, zur Verfügung stehende Fläche pro Tier sowie die Jahreszeit. Entscheidenden Einfluss auf die Seroprävalenz von BKFV hatten die Faktoren Haltungsform und Populationsdichte: Der höchste Anteil an seropositiven Tieren wurde mit 61% (n=66) in Streichelzoos und mit 50% (n=109) in Anlagen mit einer hohen Populationsdichte (unter 45 m²/Tier) nachgewiesen. Der Anteil C. psittaci seropositiver Tiere zeigte in den verschiedenen Haltungsformen keine Unterschiede. Anhand der Untersuchungsergebnisse kann folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Infektionserreger werden nicht nur über Art- sondern auch über Gehegegrenzen hinweg übertragen. Deshalb ist die Gefahr der interspezifischen Übertragung in einer Gemeinschaftsanlage nicht höher als zwischen Tieren unterschiedlicher Anlagen innerhalb einer Einrichtung. Demnach sollte jeder zoologische Garten als eine einzige epidemiologische Einheit betrachtet und entsprechend behandelt werden.
The concept of mixed species exhibits increasingly becomes important in European zoos. Nowadays, they are a common type of exhibitry, especially for ungulates. In zoological gardens and precisely in mixed exhibits, different types of species live in close direct and indirect contact with each other. There are a series of infectious agents that can be transmitted between them. Depending on the infected species, these infectious agents might possess a different degree of pathogenicity. Especially herpesviruses are often apathogenic for the natural host but may cause serious disease in other species. In the present study, the rate of exposure of bovids, cervids, and camelids against such infectious agents was analysed. Therefore, eleven zoological institutions with a preferably high number of mixed species exhibits and a high number of ungulates were choosed: Berlin Zoo, Berlin Tierpark Friedrichsfelde, Dortmund Zoo, Dvúr Králové Zoo (Czech Republic), Gelsenkirchen Zoo, Hagenbeck Tierpark, Hamburg, Hannover Zoo, Karlsruhe Zoo, Leipzig Zoo, Tiergarten Nürnberg and the Wilhelma Zoological-botanical Garden, Stuttgart. The infectious agents were selected for the following criteria: (1) They should be transmissible between different ungulate species. (2) They should be relevant for zoo ungulates. In order to find out the relevance of infectious agents for zoo ungulates, the first part of the study included a retrospective overview of the archived veterinary data from 1998 to 2004 of all zoological gardens. It was found out that in the last six years the main emphasis was placed on the diagnosis of Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (M.pt.), Coxiella (C.) burnetii and Clamydophila (C.) psittaci and that Chlamydia and Coxiella (resp. specific antibodies) were detected the most often. In the second part of the study, a total of 926 blood samples were tested by means of Virus Neutralisation Test or by ELISA for the presence of antibodies against selected infectious agents. Specific antibodies could be detected against all eight agents. The seroprevalences were as follows: 1,5% (14/926) for Bovine Herpesvirus 1 (BHV-1); 0,2% (2/926) for Caprine Herpesvirus 1 (CHV-1); 0,2% (2/926) for Cervid Herpesvirus 1 (HVC-1); 21,2% (180/850) for Malignant Catarrhal Fever Virus (BKFV); 1,4% (13/926) for Bovine Viral Diarrhea Virus (BVDV); 19,6% (165/843) for C. psittaci; 0,1% (1/754) for C. burnetii; 2,8% (19/667) for M.pt. The results revealed the following: The prevalence of antibodies against both Alpha Herpesviruses (BHV-1, CHV-1, HVC-1) and BVDV is less than 3% (n=926). This means that zoo ungulates are currently not exposed to a significant degree to these infectious agents. The prevalence of antibodies against MCFV is 21% (n=850) and is highest in the subfamily caprinae (54%; n=219). This means that zoo ungulates are exposed to a significant degree to MCFV and that especially sheep and goats might be a source of MCF infection for susceptible species. The prevalence of antibodies against C. psittaci is 20% (n=843) and is highest in the family camelidae (32%; n=74). This means that zoo ungulates are exposed to a significant degree to C. psittaci and that especially camelids might be a source of C. psittaci infection for susceptible species. The prevalence of antibodies against C. burnetii and M.pt. is less than 3% (n=754 resp. 667). However, due to the limited available diagnostic tools for exotic ungulates we can not affirm their actual state of infection. Particularly animals infected with M.pt. remain seronegative until an advanced state of infection. Therefore, we can not define the risk of exposure of zoo ungulates against C. burnetii and M.pt. In addition to the taxonomy (family, subfamily, species), age, sex, and origin of the animals, the influence of the following factors on the rate of exposure against infectious agents were examined: Type of husbandry (single species exhibit, different types of mixed species exhibits, petting zoo), exhibit size, population density, and season. Evidence suggests that both exhibit type and population density have an important influence on the seroprevalence against MCFV. The highest seroprevalence was found in petting exhibits (61%; n=66) and in exhibits with a high population density (less than 45 m² per animal) (50%; n=109). The seroprevalence against C. psittaci showed no major differences between the different exhibit types. Based on the results of this study, the following conclusions have been reached: Infectious agents that can be transmitted between different cohabitant species do also spread across different enclosures. The risk of interspecies transmission between animals of a mixed species exhibit is not higher than between animals of different exhibits of the same zoological collection. Therefore each zoological garden should be regarded and treated as one single epidemiological unit.